Sonntag, 30. Dezember 2012

Reha 2



Warum ich all das schreibe ist einfach zu beantworten. Weil ich das schon seit über zwanzig Jahren mache. Weil es mir Spaß macht. Weil es meine Gedanken sortiert und ich mich so ordne. Weil schreiben zu meinem Leben gehört. Genau wie lieben, Musik, Lesen und viele andere Sachen. Weil ich es kann (?).
Über die Reha zu schreiben gehört dazu. Schließlich gehört sie momentan zu meinem Leben. Und vielleicht packe ich diese Blogeinträge dann irgendwie in meinen nächsten Roman.
Warum ich das hier veröffentliche ist schwieriger zu beantworten. Vielleicht weil jeder Schreiberling irgendwann gelesen werden will. Vielleicht weil dies meiner Fingerübung dann doch einen gewissen Ansporn und eine gewisse Qualitätsanforderung verpasst.
Weil ich denke, dass es den oder die ein oder andere/n interessiert. Weil ich so bei euch bin. Und ihr bei mir. Oder so.
Ich schreibe ja schon immer privat und möglichst ehrlich. So bekommt ihr meine Gedanken und Leiden mit. Ich veröffentliche mein Leben. Natürlich mache ich das nicht grenzenlos, über meine Frau, meine Familie und meine Freunde versuche ich wenig zu veröffentlichen und schon gar nicht zu tratschen. Naja, meine Grenzen sind weit gesteckt…



Guten Morgen!

Eine unruhige Nacht. Dementsprechend bin ich platt, da aber Samstag ist habe ich keine Anwendungen, gehe nur in dieses Gradierwerk und inhaliere dort die Sole.
Und ich gehe ins Schwimmbad und in die Sauna. Einfach mal alles antesten.

Irgendwie macht das nicht wirklich Spaß.
Ich habe meinen „Therapieplan“ für nächste Woche. Wenig sinnvolles. Ergometer brauch ich nicht, progressive Muskelentspannung hasse ich – die führt bei mir zu Verspannungen, Logopädie bringt nichts mehr (wo nicht mehr ist, kann man auch nicht mehr rausholen…) aber die Gruppen, die Arzttermine, die Inhalationen und die Lymphdrainagen sind okay.
Nur noch 19 Tage…

Das Gradierwerk:
Gradieren hat was mit Salzkonzentration und Salzgewinnung zu tun. Die Gradierwerke haben dabei eine hundertjährige Geschichte, allerdings keinerlei wirtschaftlichen Nutzen mehr. Der Nutzen besteht im gesundheitlichen Bereich. Das Einatmen der Solepartikel ist nämlich äußerst förderlich bei der Minderung oder Genesung von Atemwegserkrankungen. Asthma, chronische Bronchitis und all so ein Scheiß, da hilft die Sole und das ist auch für einen Kettenraucher wirkliche Medizin.
Im Gradierwerk ist es feucht und kalt. Aber bei meinen Runden meine ich direkt eine wohltuende Wirkung bei meinen Atemwegen zu spüren. Wahrscheinlich Einbildung, aber auf alle Fälle nicht schlecht.

Das Schwimmbad ist klein, gemütlich und ruhig. Das Wasser ziemlich warm. Ist nix mit Rundenziehen, aber so ist das schon in Ordnung.  
Ich kann eh nicht mehr so schwimmen, wie ich es liebe. Da ist nix mehr mit Kopf unter Wasser beim Brustzug, da ich meinen Mund nicht vernünftig zubekomme würde das Wasser direkt in meinen Schlund laufen. Da ist auch nix mehr mit Kraulen. Aua Schulter. Da ist eher plantschen angesagt…


Den Samstag habe ich überlebt. Nur noch 18 Tage.
Jetzt haben wir Sonntagmorgen. Ich bin platt. Von gar nichts.

Der Tagesplan richtet sich nach den Mahlzeiten (in der Woche auch nach den Anwendungen) und die Mahlzeiten sind für mich der Horror.
Ein Speisesaal, der einfach nur laut und ungemütlich ist.
Und dazwischen ein sabbernder Hermann, der angestrengt kaut und schluckt und sich dabei verschluckt und mit 5 anderen Menschen an einem Tisch sitzt und dem es peinlich ist, diese Menschen zu belästigen mit seiner unästhetischen Nahrungsaufnahme.
Da hat sich seit meiner ersten Reha vor fünf Jahren nichts geändert: Ich hasse es, öffentlich zu essen.

Ich hasse auch Raucherpavillons.
Ungemütliche Eckensteherei um Aschenbecher, draußen in der Kälte. Ein Ort, der bewusst klar machen soll, dass Raucher mittlerweile Ausgestoßene sind. Ein Ort für den unvernünftigen Abschaum.
Mittlerweile (oder vielleicht liegt das auch am Altersdurchschnitt und an den Erkrankungen der PatientInnen, sowie am nasskalten Vorfrühlingswetter zum Jahreswechsel) auch nicht mehr der gesellige Treffpunkt, an dem gelacht wird und Gespräche entstehen.
Trotzdem, ich respektiere das Rauchverbot in der Klinik und finde es okay. Schließlich werden hier hauptsächlich Atemwegserkrankungen therapiert, da ist ein Rauchverbot mehr als okay.
Ich versuche so oft wie möglich und bei akzeptablem Wetter das Klinikgelände zu verlassen und am See zu rauchen.
Ist natürlich beim Schreiben äußerst hinderlich. Dafür rauche ich aber dann definitiv weniger…

Jetzt werde ich mich ins Café setzen und dies hier abschicken.
Sonntags ist hier nichts los. Alles noch verschlafener als sonst. Und verschlafen wirken die Klinik und die Umgebung. Den Ort und den See habe ich in zwanzig Minuten umrundet, die Cafés sind spießig aber von weitem habe ich eine kleine Kneipe entdeckt, die ich im Laufe der nächsten Woche vielleicht mal antesten werde.
Ansonsten das Café hier im Altersheim, also der Reha-Klinik.
Ich denke, ich werde mich so alle zwei, drei Tage hier hin begeben. Und ansonsten offline schreiben.

Habt euch lieb! Ich euch auch! Und so…

3 Kommentare:

  1. Wie ähnlich doch Schicksale sind, und wie ähnlich auch die Kämpfe, die man auszustehen hat.
    Erstaunlich wie man es immer wieder schafft Kräfte zu mobilisieren.
    Weil man es muß! Weil es nicht anders geht! Weil man auch in Zukunft dabei sein will!
    Darum darf man nie locker lassen! Nie!

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  2. Aloha Hermann, danke, dass Du uns hier teilhaben lässt. Die Tristesse Deines Reha-Alltags kann ich gut nachvollziehen. Wenn ich jetzt hier zum Fenster hinaussehe, blicke ich auf einen solchen Gradierbau, auf Reha-Klinik usw. Oft treffe ich Menschen, die dort ihre Reha machen und unterhalte mich mit ihnen. Schade, dass Du nicht hierher gekommen bist ...
    Ja, und wegen Deiner Schreibe - weil Du es kannst! Das ist so!
    Ich wünsche Dir alle Gute für die nächsten 17 Tage - halt die Füße gerade!
    Herzliche Grüße, Ron

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