Passt bloß auf, wo
der Pfaffe seine Finger hat!
Das Ganze nennt sich „Heilige Erstkommunion“. Und ist ein Versprechen
und erneuter Eintritt der Kinder in die Glaubensgemeinschaft und religiösen
Riten der katholischen Kirche. Sie müssen ne Glaubenswäsche und Schulung über
sich ergehen lassen und bekommen dann zum ersten Mal die Hostie (ein Symbol für
den „Leib Gottes“ oder so) und – das ist für die Kinder wichtig – massig
Geschenke. Bei den Evangelischen heißt das Konfirmation und passiert ein paar
Jahre später, dementsprechend sind die Geschenke größer. In der DDR hieß das
Jugendweihe und war das gleiche Brimborium, bloß ohne Kirche.
Ausnahmsweise sind die katholischen Kirchen an solchen
Sonntagen voll. Das ist sonst selten und immer seltener der Fall in unserem
Land.
Die Jungen tragen Anzüge oder zumindest Sakkos und die
Mädchen weiße Kleider und Lackschuhe. Teuer das Ganze, genau wie die
anschließenden Familienfeiern. Aber es gibt ja auch genug zurück…
Letzten Sonntag war
ich dann reif und war Besucher oder Gast einer solchen Veranstaltung.
Ich habe es über fünfzehn Jahre geschafft, keine Kirche mehr
zu betreten. Außer bei Beerdigungen und das zählt nicht, da ich da mit meinen
Gedanken eh immer ganz woanders bin.
Ich gestehe, ich bin immer noch zahlendes Mitglied im Verein
der römisch-katholischen Kirche. Früher war das Jobbedingt, als Krankenpfleger
und Altentherapeut finden sich die meisten Arbeitsplätze in kirchlicher
Trägerschaft und da macht sich ein Kirchenaustritt nicht so gut. Jetzt sind es
einfach Schusseligkeit und Bequemlichkeit, die mich bisher an einen
Kirchenaustritt hinderten.
Dabei bin ich kein überzeugter Katholik, ich würde mich ja
noch nicht mal als Christ bezeichnen. Ich weiß nicht, ob es einen Gott gibt und
es ist mir egal. Manchmal wünschte ich mir, an etwas glauben zu können. Aber
irgendwie funktioniert das bei mir nicht. An einen autokratischen, strafenden
Herrscher glaube ich aber auf keinen Fall!
Und die straffe und undemokratische Struktur der
katholischen Kirche verabscheue ich.
Wir Katholikenkinder
„Er lachte
viel und spielte Tischtennis mit uns
er sang zur
Gitarre
und war
unser aller Freund
als er mich
überall streichelte
und dann
meine Hand nahm und um sein Glied legte
dachte ich
nur
ich kann ihm
nichts verweigern
und dass es
unser Geheimnis sei
und ich
nichts sagen dürfte
Nur
dass ich an
diesem Geheimnis zerbrochen bin
und
dass ich
jetzt erfahre
wie viele
von uns zerbrochen und geschändet wurden
-
Er ist dann
in eine andere Gemeinde versetzt worden
…“
Mit der
Muttermilch wurde uns die Sünde eingetrichtert
Wir konnten
noch nicht laufen
aber waren
schon schuldig
Und lernten
beichten bevor wir sündigen konnten
Reue
überdeckte Spaß
Statt
aufrechter Gang wurde uns das Knien beigebracht
Sonntags
ging es in die Kirche
und was die
Nachbarn dachten
war
wichtiger als eine glückliche Kindheit
Unsere
Eltern wollten stolz auf uns sein
statt uns zu
lieben
Komischerweise
wuchsen wir trotzdem auf
Kommunionskleidung
und Messdienergewand
und beim
Weihrauch kippten wir schon mal um
Wenn wir
Glück hatten und schlau waren
hörten wir
weg
während die
Pfaffen vom Himmelreich sprachen
und uns
Duckmäusertum predigten
Die
Nächstenliebe durften wir praktizieren
aber bloß
nicht zu sehr
Die
Scheinheiligkeit und der Zölibat
ließ viele
von uns zu Opfern werden
In
Berufsgruppenzugehörigkeit stehen Geistliche ganz vorne
in
Kindermissbrauchstatistiken
Als
Katholikenkind fällt es schwer
an einen
Gott zu glauben
Hexenverbrennungen,
Kreuzzüge, geweihte Panzer,
dogmatische
Unfehlbarkeitsansprüche von Tattergreisen
Heuchelei
und Lüge
Gold, Prunk
und Macht
verhungernde
Kinder, ermordete Kinder, geschändete Kinder
und ein
großes Nein zur Sexualität und Verhütung
Die Kirche
als Verbündeter der Aidsverbreitung
Homosexualität
ist Krankheit
Evolution
beinahe Teufelswerk
und die Erde
am liebsten noch immer eine Scheibe
Ich habe
nichts gegen Religionen
manchmal
würde ich selber gerne glauben und beten
Der
Katholizismus hat es mir verdorben
das ist aber
auch das einzig Gute, was mir dazu einfällt
Das Gedicht habe ich 2008 geschrieben. Es bleibt
aktuell.
Mittlerweile sind noch wesentlich mehr Fälle von
Kindesmissbrauch an die Öffentlichkeit gekommen. Und ich befürchte eine sehr
hohe Dunkelziffer.
Für mich liegt es auf der Hand, warum gerade der Katholizismus
einen Nährboden für Übergriffe bietet:
- Die sexualfeindliche Scheinmoral.
- Die vorgegebene Enthaltsamkeit der Priester.
- Die traditionelle Machthörigkeit und Machtgeilheit
der katholischen Kirche.
Wenn es schon Sünde ist, nur an Sex zu denken, dann
sündigt jeder Pfaffe. Und wenn er das Gefühl hat, eh schon zu sündigen, dann
ist die Schwere der Sünde irgendwann fast egal.
Scheinheiligkeit. Seit Jahrhunderten. Mir kommt da
etwas hoch…
Ich war als Kind Messdiener. Das war damals jeder gute
Junge aus der Nachbarschaft. Und im Gemeindesaal konnten wir Tischtennis und
Billard spielen. Außerdem war ich Pfadfinder bei der DPSG. Die waren okay und
mittlerweile glaube ich, dass die Pfadfinderei einen guten Teil meiner
Sozialisation ausmachte. Wir wurden abenteuerpädagogisch betreut bevor es
dieses Wort überhaupt gab. Und wir lernten Solidarität und kritisches
Hinterfragen und Einsatz für die Schwächeren. Mit Katholizismus hatte das wenig
zu tun, mit Christentum vielleicht wesentlich mehr. Ich denke, dass es immer
noch viele fortschrittlich denkende Menschen in den Gemeinden gibt. „Kirche von
unten“ und so was. Aber die meisten denkenden Menschen haben wohl irgendwann
die Schnauze voll und treten aus der Kirche aus. Und das machen sie nicht wegen
der Kirchensteuer.
Religionen an sich sind ja nicht nur schlecht. Der
Islam, der Buddhismus, das Judentum, das Christentum, Naturreligionen,…:
In allen Religionen finden sich schöne Geschichten und
sinnvolle Verhaltensregeln.
Aber irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass
alle religiösen Brauchtümer von irgendwelchen Menschen erfunden wurden, um
andere Menschen besser führen und regieren zu können.
Und da regt sich ein sehr starker Widerwille bei mir.
By the way: „Religion ist Opium des Volkes!“ oder
“Religion ist Opium für das Volk!”?
Ich könnte ja nachschlagen, finde es aber einfach
spannend, beide Sätze erst mal stehen zu lassen…
Ich weiß, ich schwafele und schweife ab.
Also: Letzten Sonntag fand ich mich dann also
plötzlich in einer Kirche wieder. Meine Frau neben mir mokierte meine
verschränkten Arme und meine Abwehrhaltung, aber ich blieb recht brav und ließ
das Ganze über mich ergehen. Ich machte sogar die Turnübungen mit Aufstehen und
Hinsetzen mit, weigerte mich bloß, zu knien. Die Bänke waren natürlich total
ungemütlich, das haben wohl alle Kirchen gemeinsam.
Es war eine dieser neumodischen Kirchen aus den
Siebziger oder Achtziger Jahren. Irgendwie wirkte der Raum recht nüchtern, aber
ich fand das in Ordnung: dieser Prunk und dieses Gold der alten Gotteshäuser
erinnerte mich stets an die Ausbeutung der Menschen, die diese Kirchen
errichtet hatten.
Die Orgel klang scheiße aber ich weiß nicht, ob das vielleicht
nur an dem wirklich schlechten Organisten lag (Doch! Das kann ich beurteilen!).
Das wurde aber an Peinlichkeit noch von den Musikern des Kirchenchores
überboten: In Zeiten des Sakro-Pops (Heißt das so?) spielte (wohl als Anlehnung
an die Moderne) eine Gruppe aus Schlagzeug, Gitarre und drei falsch gestimmten
Querflöten die neuen Kirchenlieder, die von einem akzeptablen Chor gesungen
wurden. Tapfer stimmten die Frauen und Männer ihren Gesang gegen die
fürchterlichen Flöten an, sie hatten keine Chance, da die Lieder zusätzlich
noch aus fürchterlichen Melodien und albernen Texten zusammengesetzt waren.
Wenn selbst ich mir die alten Melodien und Lieder
herbeisehnte, dann muss das wirklich sehr schlecht gewesen sein!
Die Liturgie war beinahe wie früher. Und der Pfaffe
schaffte es nicht, die Kinder, um die es ja eigentlich ging, glaubwürdig
einzubinden. Er versuchte es auch gar nicht und zog lieblos sein Ding durch.
Aber ich glaube, dass das nicht überall so ist. Ich kenne nette Pfaffen, sogar
nette katholische Pfaffen.
Und anderthalb Stunden ist für ein Rockkonzert zu kurz
– aber für eine Messe viel zu lang!
Es schrie am Ende auch niemand nach einer Zugabe.
Nach der Kirche wurde es dann wirklich schön. Und das
Kommunionskind wünschte sich von uns ein Fußballtrikot, dass sie dann auch
bekam (Nee - noch bekommt: die Lieferung verzögert sich…). Das find ich klasse.
Ich schenke Mädchen gerne Fußballkram. Und ich brauche ja niemanden zu
verraten, dass es sich um ein Bayern-Trikot handelt…