Es tut noch weh, ziemlich. Ist kein Wunder, nachdem ich
zweieinhalb Jahre ohne Kiefer leben musste, muss sich mein Mund, meine Lippen
und selbst meine deformierte Zunge erst wieder dran gewöhnen, dass da plötzlich
wieder sowas wie ein Kiefer und ein Gebiss in meinem Mund ist. Und zwar im
Ober- und Unterkiefer.
Zweieinhalb Jahre Achterbahnfahrt sind vorbei. Bis gestern
hatte ich immer noch Restzweifel.
Aber der Prof. im Knappschaftskrankenhaus und die
Zahnarztpraxis in Herne, besonders deren Zahntechniker, haben ein gemeinsames
Meisterwerk hingelegt.
Und ich kann wieder kauen und mich mit Zähnen in die
Öffentlichkeit trauen.
Außerdem lenkt mich der ganze Ärger um meine vierte Zahnung
nicht mehr ab und ich kann mich wieder auf meine geliebte Frau, unseren Hund,
unsere Heimat, die Schwiegermutter, meine Freundschaften und die Schreiberei
konzentrieren.
Heute dann die Tumornachsorge und ich bin weiter tumorfrei
und die Krankenschwester sagte, „Mensch, sie haben bestimmt den Rekord an
Aufenthaltszeit in unserer Ambulanz geschafft, dementsprechend dick ist ihre
Akte.“ Und die Oberärztin freute sich mit mir über die neuen Zähne und am
Schluss wollte mich der Chefarzt auch nochmal sehen:
„Herr Borgerding ist ein Phänomen. Und steht immer wieder
auf…“.
Und ich bedankte mich für seine hervorragende Implantat-Setzung, die andere Ärzte und Krankenhäuser als unmöglich angesehen haben.
Und ich bedankte mich für seine hervorragende Implantat-Setzung, die andere Ärzte und Krankenhäuser als unmöglich angesehen haben.
Auf dem Heimweg war es dann, wie immer am Freitagnachmittag
im Ruhrgebiet. Helferlein, die Stimme aus dem Navi:
„Sie haben momentan 85 Minuten Verzögerung auf ihrer Route. Sie fahren immer noch auf der schnellsten Route.“
„Sie haben momentan 85 Minuten Verzögerung auf ihrer Route. Sie fahren immer noch auf der schnellsten Route.“
„Na toll, Helferlein! Wahrscheinlich Kreuz Recklinghausen
und A43… Leck mich!“
Ich fuhr die A40 (auch Staugefährdet) und über Wanne-Eickel
und Herten.
Manchmal ist es vom Vorteil, früher mal Taxifahrer in
Castrop-Rauxel und im ambulanten Krankendienst in Wanne-Eickel beschäftigt
gewesen zu sein.
So schaffte ich es mit 40 Minuten Verzögerung…
Montagmorgen noch mal zur Kontrolle nach Herne, dann habe
ich Ruhe bis ins nächste Jahr.
Zumindest, falls nichts mehr passiert…
Ich bin völlig platt, habe in letzter Zeit außer dem Garten
nicht wirklich was geregelt gekriegt. In zehn Tagen geht es für eine Woche in
den Urlaub (ohne Schwiegermutter, die dann in der Kurzzeitpflege ist…)!
Dann werde ich den Sommer mit Garten- und Hausbaustellen
verbringen.
Und mich nicht mehr mit meinen Zähnen zu beschäftigen.
Es wird super werden!
Die Artikulation wird nicht mehr klar werden, dazu ist neben
meiner Zunge auch der Mund zu deformiert. Aber es wird besser werden.
Kauen funktioniert seit gestern. Ich habe bisher zwei
Brötchen, ein Laugenbrezel, ein Putenhacksteak und Bratkartoffeln und massig
Erdnussflips gegessen. Alles Sachen, die zweieinhalb Jahre nicht möglich waren.
Bei der Curry-Wurst scheiterte ich. Da meine
Schluckfähigkeit auch eingeschränkt ist störte doch die Haut der Wurst. Und es
staute sich in der Speiseröhre.
Mit Curry-Wurst hatte ich aber auch schon nach der Krebs-OP
immer Schwierigkeiten.
Ich muss wieder probieren, ich muss lernen.
Bei manchen Sachen weiß ich selber nicht, warum es
funktioniert oder nicht geht.
Aber es ist mir scheißegal, solange ich wieder ne
Essensauswahl habe und wirklich wieder einige Sachen ordentlich kauen kann!
Leute!
Dieses beschissene Leben ist manchmal wunderbar!
Ich liebe es – auch wenn es weh tut…