Dienstag, 30. April 2013

Links ist morgen wieder angesagt...



Linksbündig wäre es vielleicht langweilig

Ich erinnere mich genau
Nachts
Nackt am Schreibtisch
mit Hölderlin und The Who
und ich schrieb eines meiner besten Gedichte
                                               in meinem Hungerturm

Heute lese ich Pablo
und er könnte rechnerisch mein Sohn sein
und schreibt vom Rock’n’Roll Suicide
und ich tauche ein
in Rhythmus und Wahrhaftigkeit
und dem erleichternden Gefühl
dass nicht alles endlich ist

Noch eine Zigarette
in einer Woche ist Schicht damit
mein Maul hat mir genug in die Fresse geschlagen

Wir sind keine Kids mehr
und zählen zu den Veteranen
von was auch immer
                                                           Clark Kent
                                                           ist nicht Batman
                                                           und Tommie und Annika
                                                           hatten ein inzestuöses Verhältnis

Die Welt und das Leben da draußen bilde ich mir aus Erinnerungen
Meine Gegenwart ist sicherer in meinen vier Wänden an meinem Schreibtisch
und manchmal finde ich das gut so

Im Moment nervt mich die deutsche Sprache
„Dichter“ klingt nach Inkontinenzlosigkeit
und „Gedicht“ nach hingerotztem Geschreibsel
“Schriftsteller” klingt nach purem Handwerk
und wenn ich das Wort „Liedermacher“ höre
                                    könnte ich weglaufen
                                                                       nur mal so zwischendurch bemerkt

Mir ist mal wieder so verdammt kalt
aber das Thermometer zeigt
dass ich spinne

Irgendwie sind wir alle im Hotel der gebrochenen Herzen
                                                                                  nur Elvis hat das Gebäude verlassen
und ich beschließe
demnächst
wieder linksbündig zu tippen



Sonntag, 28. April 2013

Küss!



Küss mich


So wie die langsamen Stücke meiner Teeniezeit
zu denen wir Klammerblues tanzten
und die ersten Tastversuche bei den Frauen starteten
bis das Licht wieder anging

Unsere Lieblingsnummern waren alle lang
(Mein Gott – Shine on you crazy diamond von Pink Floyd ersetzte zig Aufklärungsstunden)
genau wie die ersten Küsse
(Manchmal guckten wir dabei auf die Uhr
und mein Rekorder hatte Autoreverse)

Küss mich
so wie wir damals küssten
als Kuss noch mit ß geschrieben wurde
Küss mich
vorsichtig   forschend   abhebend   schwebend

Mach den Kuss zu dem
was er sein soll:
ein großes Abenteuer

Nicht im Disco-Takt
bloß kein Eins – Zwei – Tipp
dabei kommt es mir hoch
im schlechtestem Sinn

Auch kein Heavy-Metall
da dreht sich mir der Kopf
und zum headbanging bin ich nicht geboren
und zu alt

Küss mich
wie
eine sanfte Ballade
am besten so ein Meisterwerk von Nick Cave

Du wirst mich süchtig machen
und ich zerschmelze
vielleicht dann auch mit und in dir

Küss mich
wie ein Liebeslied
verdammt
dafür werden die doch geschrieben

Genau wie dieses Gedicht


hermann 01/04




nochmal 2004:



Ich gehe in ein anderes Schwarz


Keine Tageshöhepunkte
morgens unter der Dusche beim Wichsen
Nachrichten wieder als Wutauslöser
und nicht als lähmende Dauerfrustration

Und die Musik er-leben

Kaffeereduktion
und Liegestütze
oder so

Bei "Time is on my side"
laut mitsingen
Ignorieren
dass die Zeit langsam abläuft
und immer weniger auf der Zukunftsseite steht
Scheiß auf die 4!

Alarmsignale
ernst nehmen:
ich kann den persönlichen TÜV nicht aufschieben
es müssen ja nicht Ersatzteile sein
ne Wartung kann Wunder bewirken

Mein Lachen ist zu oft
angestrengte Grimasse
Nein, ich kann das nicht einüben
aber gerade dann
kann es ja wieder klappen

Schlafen und arbeiten ist
verdammt noch mal
nicht alles
Da gibt es noch
viele Lieder zu singen
viele Mädchen zu küssen
und
noch schmecken die Zigaretten

In Wirklichkeit sind wir alle
Pop- und Rockstars
Vielleicht
sollten wir mal wieder
an uns selber glauben

Ich gehe in ein anderes Schwarz
vielleicht wird das Rot


(Anmerkung: ein Gedicht von 2004. Erste Anzeichen für den Krebs (2007?) vorhanden? Überinterpretation? – Egal. Ich finde es gut…)

Aus einer Notitz von 2004:



Die Musik. Die Musik, Poesie, Träumereien und Liebe. Und dann der Fußball.
Sind das Ideale, auf denen sich ein Leben aufbauen lässt? 
Okay, nicht gerade das Idealbild eines Schwiegersohns. 
Aber verdammt oft einfach geil. Und immer eine Achterbahnfahrt und selten langweilig. Ich habe es aufgegeben, irgendwas zu bereuen.
Stehe zu jeder Minute, zu jedem Blödsinn, zu jedem Vollrausch. Genieße die Sonne und den Regen. That's me in the corner: ich habe keine Religion verloren, ich brauche bloß noch keine.

Rente, Iggy, Chuckamuck und n Sonderangebot



Freitag kam dann endlich mein Rentenbescheid.
Ich bin jetzt offiziell Rentner wegen voller Erwerbsminderung bis 2030. Dann werde ich (wenn ich das schaffe) Altersrentner.
Finanziell bringt mir das wenig. Zu wenig, um davon zu überleben. Aber ich bekomme noch ein Taschengeld von der kirchlichen Zusatzversicherung dazu.
Egal.
Ich habe einen festen Status.
Und das ist momentan das Wichtigste für mich.
Keine neuen Gutachten, keine Ämter-Rennerei. Ich weiß jetzt Bescheid.
Wird nach sechs Jahren ja eigentlich auch mal Zeit.

Ansonsten bin ich eben Dichter. Da verdiene ich (wenn überhaupt) Anerkennung und Achtung. Das ist ja auch schon was.

Mein Bauchschnitt schmerzt. Die Zunge tut weh und die Fäden nerven, aber die kommen morgen raus. Mein Tinnitus ist total heftig, das liegt daran, dass sich wieder Rotz und Schleim angesammelt hat und ich huste und niese, ohne die Scheiße richtig rauszukriegen.
Hauptsache, ich kann nächste Woche Donnerstag (Bastion) und Freitag (Wohnzimmerlesung) noch meinen Lesungspart erfüllen.
Ich bin tumorfrei, das Leben ist schön.
Ich habe meiner Frau versprochen, mit dem Rauchen aufzuhören.
Heute in einer Woche (und ich bin verrückt genug, das jetzt öffentlich zu machen…).

Aus den Boxen die neue Iggy and the Stooges.
Ich weiß noch nicht genau. Beim ersten Hören fand ich sie ziemlich klasse, aber da war ich auf Wolke Sieben.
Jetzt habe ich das Gefühl, sie könne sich doch schnell abnutzen.
Die Stimme von Iggy ist geil. Wie immer.
Aber das alles ist etwas gesetzter, älter und eingängiger (Kein Wunder!) als die alte Power der Stooges.
Trotzdem okay.
Und ich habe (für mich – die Band gibt es schon etwas länger) eine interessante neue deutsche Band entdeckt: Chuckamuck.
Schön schmutzig, bisschen Velvet Underground Touch. Witzig.
Ich höre sie jetzt richtig laut. Und wippe mit. Und noch zweimal hören, dann singe ich auch mit.
Und der Song „Der Laden an der Ecke“ ist absolut genial!

Bei mir ist Büchernachschub angekommen. Ich kann also wieder Bestellungen entgegen nehmen. Zur Feier des Tages und auf meinen Rentenbescheid und für alle, die diesen Blog lesen gibt es ein Angebotspaket:
„Extraball“ und „Mein Mittelfinger dem Krebs“ zusammen für 15,-€.
Wer will kann das per Mail bestellen: hermann.borgerding@gmail.com.
Gilt aber nur bis spätestens 06.05.

So.
Ich habe alte Datensicherungs-CDs rausgekramt.
Da sind bestimmt n paar witzige Fotos dabei, die ich auf Facebook hoch lade. Oder vielleicht das ein oder andere Gedicht, das ich dann wieder hervorhole.

Habt Euch lieb!