Ich hab ja sonst nichts zu tun und nicht genug andere
Baustellen.
Oder: Wie mir eine an sich bescheuerte Aktion beinahe
euphorische Gefühle bescherte:
Meine weltbeste und einzige Frau hat einen Pflegebruder, der
alkoholgeschädigt auf die Welt kam, unter ADHS leidet und mehrere Behinderungen
hat.
Ein absolut zuverlässiger Typ, der sein Leben trotz
Grundsicherung und Betreuung irgendwie immer geregelt kriegt und -soweit er
kann – immer hilfsbereit ist.
Ja klar, er kann nerven. Er ist anstrengend. Aber ich stehe
zu ihm. Man muss halt die Hälfte seiner Erzählungen relativieren und nicht
alles ernst nehmen.
Aber Uwe ist okay.
Vor ca. acht Jahren wurde eine Katze von einem Balkon
geworfen. Ein Baby. Und Uwe fand es. Später wurde daraus, dass er die Katze vor
dem Abflug aufgefangen hat. Egal.
Er nannte die Katze „Lilly“, ging sofort zum Tierarzt, ließ
sie impfen und adoptierte sie.
Mit Grundsicherung hat man kein luxuriöses Leben. Lilly
hatte es: Der beste Kratzbaum, das beste Katzenstreu, das beste Futter (und da
machte sich Uwe wirklich schlau) und ganz viel Liebe.
Uwe hatte sonst nicht viel in seinem Leben, aber seine Katze
immer.
Jetzt hatte Lilly Blut im Urin. Und Uwe ging sofort zum
Tierarzt, der einen Blasenstein feststellte, der sofort operativ entfernt
werden musste, sonst würde Lilly in naher Zeit sterben oder eingeschläfert
werden müssen.
Die OP sollte 420,-€ kosten, eigentlich nicht viel, aber für
Uwe unmöglich.
Sein Betreuer schüttelte den Kopf und sagte, dann müsse die
Katze halt eingeschläfert werden. Und Uwes Idee einer Spendenaktion hielt er
für blödsinnig, da käme nichts rum.
Uwe versuchte es trotzdem.
Vor vier Tagen bat er mich, seinen Spendenaufruf zu teilen.
Kopfschüttelnd und skeptisch machte ich das, gab ihn aber andere Tipps:
Tierhilfe, Tiertafeln, Ärzte, die faire Ratenzahlungen eingehen,
Obdachlosenhilfe (er hat eine Wohnung, aber vielleicht können die ja auch
anderen prekären Menschen helfen…). Auf die Schnelle funktionierte da nichts
von.
Vor zwei Tagen bat er mich dann die Organisation seiner
Spendenaktion zu übernehmen.
Ich hatte da keinen Bock drauf:
Ich mag keine Spendenaktionen und über Facebook finde ich
das grenzwertig und da auch nur mit Kreditkarte Zahlungen möglich waren hielt
ich das für Schwachsinn.
Uwe zuliebe machte ich es trotzdem.
Und auch für Lilly, obwohl ich eigentlich eher der Hundefan
bin.
Meine Frau und ich überlegten schon, die OP
vorzufinanzieren, aber wir sind nicht reich und haben zwei Hunde, für die wir
immer was in Hinterhand haben müssen. Irgendwie hätten wir da was hingekriegt,
aber unsere Überlegungen wurden sehr schnell überflüssig.
Meine Facebookfreunde haben in zwei Tagen den Betrag für die
OP gespendet, zur Hälfte über die Spendenaktion und zur Hälfte über mich, der
das Geld sofort weiterleitet.
Ich bin geplättet, dankbar, stolz auf die Community und
einfach nur happy.
Nächsten Mittwoch wird Lilly operiert. Alles wird gut.
Das gespendete Geld, was die OP-Kosten übersteigt, wird
einem Vertrauten von Uwe gegeben für anfallende Folgekosten (Uwe kann selber
nicht so gut mit Geld…).
Ich höre und lese immer wieder, dass man sich ein Tier nach
gründlicher Überlegung anschaffen soll und bin selbst auch so verfahren:
Meinen ersten „eigenen“ (ein Tier gehört mir ja niemals!)
Hund habe ich mir angeschafft, als ich offiziell in Rente ging und damit die
Zeit dafür hatte. Und ich habe auch die Finanzen überlegt.
Aber ich habe auch oft erlebt, dass gerade die Hunde von
Obdachlosen oder generell die Tiere von Menschen in ärmlichen Verhältnissen
mehr Liebe und Zuneigung bekommen, als zum Beispiel die Rassehunde in
Mittelschichtsfamilien.
Lilly ist gerettet. Eine achtjährige Katze hat schließlich noch
nicht die Hälfte ihrer Lebenserwartung hinter sich.
Und ich bin jetzt einfach mal tierisch gut drauf, dass das
funktioniert hat.
Und liebe plötzlich wieder Facbook.