Dienstag, 11. Dezember 2012

20 Jahre Rodneys Underground Press



Mal was anderes. Ich veröffentliche im Folgenden den letzten Rundbrief von Rodneys Underground Press.
Roland ist ein wackerer Streiter (Hey! Geile Formulierung!) des Underground und der Social Beat Szene. Und hat Plan. Ich hoffe, im nächsten Jahr seinen Roman in den Fingern zu halten und lesen zu dürfen:



„Liebe Leute!

20 Jahre Rodneys Underground Press – das wäre eigentlich ein Grund, um zu jubeln. Aber aus mehreren Gründen will uns der Jubelschrei nicht so recht aus der Kehle kommen. Da wäre zum einen die Tatsache, dass die Edition Paperone, bei der in den letzten zwei bis drei Jahren die interessantesten neuen Buchveröffentlichungen erschienen sind, mittlerweile Geschichte ist. Obwohl erst Ende des Jahres Schluss sein sollte, ist die Homepage mittlerweile abgeschaltet. R.I.P.! (An dieser Stelle sei auch an die vielen Toten der Underground-Literaturszene gedacht, die gerade in den letzten Jahren das Zeitliche gesegnet haben). Zum anderen sind abgesehen davon wirklich interessante Underground-Neuerscheinungen eine absolute Rarität geworden. Und zu guter Letzt ist das allgemeine Interesse an „kleiner“ und unkommerzieller“ Literatur auf einen Tiefpunkt angekommen. Das heißt letztendlich auch für RUP abspecken. Aber bevor wir weiter rumjammern ein kleiner Rückblick auf glorreichere Zeiten.

Angefangen hat ja alles mit einem (sic!) gefalteten DIN A4-Blatt im September 1992. Außer dem legendären „Downtown Deutschland“ gab es noch keine Bücher. Die meisten Kollegen und die wenigen Kolleginnen glaubten, ihre geistigen Ergüsse selbst für wenig Geld unter das Volk bringen zu müssen, wie es die Punks mit ihren Fanzine vorgelebt hatten, kamen ja die meisten der späteren Social-Beatniks  mehr oder weniger aus der Punkszene. Aus einer Bierlaune heraus, und die gab´s damals reichlich, glaubte ich, dass irgendein Idiot das „professionell“ betreiben sollte. Damit war Rodneys Underground Press geboren. Ich will nicht sagen, dass der Vertrieb wie eine Bombe einschlug, aber die Resonanz war schon von Anfang ziemlich groß, auch wenn ich letztendlich kaum was damit verdient habe, wenn überhaupt. Ich weiß es ehrlich gesagt nicht, aber bei der Gewinnspanne, die ich an den Heften hatte, kann es nicht viel gewesen sein. Darum ging es aber auch nicht. Die Idee war einfach, Literatur, die der Mainstream ablehnte unters Volk zu bringen. Durch Lesungen, Flyer und Direktverkauf. Und genau die selbst kopierten, getackerten Zeitschriften und Hefte, unter Sektenmitgliedern auch gerne Chapbooks genannt, haben dafür gesorgt, dass RUP so lange ausgehalten hat.

Absolute Bestseller unter den Zeitschriften waren der „Cocksucker“, von dem ich zusammen mehrere hundert Exemplare verkauft habe und damit die unumstrittene No 1 der Zeitschriften für immer bleibt, „Der Störer“ und „Kopfzerschmettern“. Untypische Szene-Magazine (ich hab lange überlegt, wie ich das beschreiben soll!) wie das „Inside“ haben sich interessanterweise eher schlecht über den Vertrieb vertreiben lassen. Dafür wurden sie mir auf Lesungen und Messen aus den Händen gerissen, sobald die Leute das Teil entdeckt hatten. Auf einem SB-Festival in Darmstadt (sic!) hab ich so vom „Inside“ bis auf ein Exemplar alles vertickert, bevor es überhaupt losgegangen ist. Das war schon echt verrückt. Aber damals gab es auch kaum Konkurrenz zum gedruckten Wort. Wo wir gerade dabei sind, in Bielefeld, ich sach ja – die Provinz, hat das Publikum uns, meine Wenigkeit und Hermann Borgerding, mit dem ich damals viele Touren zusammen durchgestanden habe, die Bücher in einer so genannten Zigarettenpause aus den Händen gerissen. Selbst die zwei äußerst teuren (schlappe 30 Mark) Anthologien, „Social Beat D“ und „German Trash“, die bei Galrev erschienen sind (gibt es übrigens noch zu einem mittlerweile fairen Kurs zu kaufen). Dabei muss ich sagen, dass ich sie auch zu meinen nicht unüblichen Dumpingpreisen angeboten habe, womit ich mich in Teufels Küche hätte bringen können. Et hätt abba noch mal jut jejange, Olli (du weißt was ich meine). Aber das Spannende daran war, dass die Leute damals dankbar und froh darüber waren, dass wir sie aus ihrem Alltagssumpf ein Stück weit herausgezogen haben. Ehrlich, die Leute freuten sich endlich was anderes hören und lesen zu können, als die übliche kommerzielle Kost, die mehr und mehr den Literaturbetrieb übernahm und heute absolut dominiert. Das hätten wir nie gedacht, als wir anfingen unseren Sermon zu kopieren.

Unter den so genannten Chapbooks ist natürlich Jan Off einer, der für berauschende Verkaufszahlen sorgte. Aber gerade bei den selbst produzierten Heften sind einige Kollegen weit vorne, die heute kaum noch in Erscheinung treten oder sogar längst vergessen sind. Allen voran Andie Z., bürgerlich Andreas Schulz, ein waschechter DDR-Punk, der mit seinem kopierten Heft „Was soll´s“ selbst Jan Off auf die Plätze verweist. Dann wäre da noch ein gewisser Tuberkel Knuppertz, vor über 10 Jahren Drummer der Punkband „1. Mai 1987“, von dem ich nie genug nachbestellen konnte (oft musste ich mich zur Überbrückung von Engpässen mit Exemplare aus meiner eigenen Sammlung behelfen, was auch der Grund ist, dass meine Sammlung heute einige Lücken aufweist). Und zu guter Letzt: Rudi Proske. Zu ihm muss ich euch eine kleine Geschichte erzählen. Vom Rudi erschien 1991 der Kurzgeschichtenband „Unverschämt“, der gerade mal 36 Seiten umfasste. Und zwar in Wolfgang Rügers ausgezeichneter* „Bitter Lemon“- Reihe. Die Auflage betrug unglaubliche 100 Stück, aber jetzt kommt´s: der Einzelpreis 18,00 DM, also für jede Seite 50 Pfennig. Für damalige Verhältnisse abnorm viel und wie ich fand schon recht „unverschämt“ (*abgesehen vom Preis), was ich auch so in der Beschreibung erwähnte. Ich war also von vornherein davon ausgegangen, dass ich nur wenige Exemplare, wenn überhaupt, verkaufe. Am Ende waren es aber sensationelle 18 Stück, oder anders ausgedrückt 18 % der Gesamtauflage, haha. Scherz beiseite. Obwohl Rudi damals zu den Rennern gehörte, fand ich das extrem viel. Das verdeutlicht wahrscheinlich ein wenig, was in den glorreichen Zeiten des Social Beat bei RUP los war.

Und gerade Jan Off und Andie Z. verdeutlichen auch das Dilemma von RUP. Konnte ich wie gesagt ihre Chapbooks nicht oft genug nachbestellen, verkaufte ich von ihren Büchern, die ab dem Jahr 2000 mehr und mehr die Publikationen dominierten, nur noch einzelne Exemplare. Bei Jan Off waren es natürlich ein paar mehr, aber auch er kam bei weitem nicht an die Verkaufszahlen seiner Hefte heran. Bücher an sich waren nicht das Problem. Wie viele Exemplare von z. B. dem eben erwähnten „Downtown Downtown“ und seinem Nachfolger „Asphalt Beat“ durch meine Hände gingen, kann ich beim besten Willen nicht sagen (die Gesamtauflagen beider Bücher liegen schließlich auch im vierstelligen Bereich). Auch mein erster Gedichtband „Blues im Morgenmantel“ hat sich ordentlich verkauft . Nur mit dem massenhaften Drucken von Büchern, auch dank der digitalen Billigvariante, und der einhergehenden Vermarktung gerade durch das Internet geriet RUP mehr und mehr ins Hintertreffen.

Mittlerweile haben mir die eingängigen Vertriebe, um sie mal so zu bezeichnen, und auch die mittlerweile gut ausgebauten Punkmailorders die Kundschaft weitestgehend weggeschnappt. Selbst bei den meisten Verlag gibt es die Möglichkeit, die verlagseigenen Publikationen portofrei zu bestellen. Gut, was soll ich sagen, so is dat Leben und jammern hilft da nicht. Nur leider macht es immer weniger Sinn, einen Vertrieb für Undergroundliteratur zu betreiben. Keine Angst, RUP hört nicht auf zu existieren. So lange ich lebe, gibt es auch RUP. Aber aufgrund der Tatsache, dass überall eine Professionalisierung bei der Herstellung der Publikationen eingetreten ist und kaum einer noch selbst kopiert, lohnt es sich einfach nicht mehr, jedes Buch bereitzuhalten. Bei Amazon kriegt man leider auch alles. Trotzdem bleibt RUP als Anlaufstelle erhalten, eben für die absoluten Freaks, die auch mal in den Old-School-Bereich der U-Lit eintauchen wollen. Ob und wann es noch einen Rundbrief geben wird, steht deshalb vollkommen offen. Auf jeden Fall wird RUP weiter DIY bzw. wirkliche Nischenprodukte vertreiben. Schaut einfach mal gelegentlich rein, ob sich was Neues getan hat. Wie gesagt, die Publikationen aus diesem Bereich sind äußerst selten geworden. Eine Perle daraus ist Urs Bökes neuer Gedichtband „Eine Hinrichtung irgendwo“. By the way, für mich gehört Böke zu den Top-Lyrikern weltweit (noch mal sic!) und ist nicht bei Amazon erhältlich!

Als kleines Dankeschön für Eure Treue, auch für alle, die den Rundbrief in den Spamordner verbannt haben, gibt es deshalb noch einmal auf alles 20 % Jubiläumsabschrottrabatt!

Also feiert mit, trinkt ein Bier auf mich bzw. RUP oder was oder auf wen auch immer, und wer Bock hat, tut wat für seinen Geist.

Bis irgendwann mal wieder und macht´s gut.

Euer Roland „Rodney“ Adelmann

P.S.: Weil ich anderweitig ziemlich eingespannt bin, hab ich das Chaos auf meiner Seite www.undergroundpress.de nicht wirklich beseitigt. Nächstes Jahr werd ich sie auf jeden Fall auf Vordermann bringen. Wer´s glaubt.

Wat muss, dat muss: "Rodneys Slam" - jetzt neu unter
www.undergroundpress.de
Es ist nie zu spät, mit dem Lesen anzufangen!“

Roland, ich werde heute Abend ein Bier auf dich trinken. Prost!

1 Kommentar:

  1. Hallo Roland,

    keine Bange, AnDie Z. gibt es noch, nur bin ich inzwischen anderweitig tätig. In den letzten 8 Jahren habe ich als Historiker in Deutschland und den USA 9 Bücher zum Thema Drittes Reich herausgebracht. Dazu kommt, dass ich seit 3 1/2 Jahren Vater bin. Da bleibt dann leider kaum noch Zeit für andere Sachen.
    Aber ich freue mich, dass es Leute wie Dich und Jan gibt, die bei der Fahne bleiben.
    Macht weiter.
    Grüße aus Berlin
    AnDie Z.

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