Der Gebrauch der Sprache war für mich eigentlich immer das
Wichtigste im Leben. So richtig deutlich wurde mir das erst, als ich einen
großen Teil meiner Sprachmöglichkeit durch eine heftige Krebsoperation verlor.
Als mein Mund im wahrsten Sinne des Wortes ausgehöhlt wurde und ich plötzlich
nicht mehr artikulieren konnte, erst langsam wieder das Artikulieren lernen
musste und mir klar wurde, dass ich für den Rest meines Lebens mit starken
Einschränkungen leben muss.
Ich sabbere, habe ein Taschentuch vor meinem Mund und
spreche trotzdem. Und betone dabei immer, wie sehr ich das Leben liebe. Und Sprache
macht einen großen Teil des Lebens aus.
Sprache?
Gestik, Mimik, Tonfall, Ehrlichkeit. Wunderbare Rhetorik,
wahre Sätze, Kraft.
All das. (Natürlich kann das auch demagogisch, verführend
und einfach nur blöd sein.)
Sprache?
Strahlende Augen, Kinderlachen, weinende Gesichter, Gemälde,
Lieder: all das spricht zu mir. Und natürlich Gedichte oder Prosa von
wunderbaren Schriftstellern.
Direkt nach meiner OP hatte ich ein Tracheostoma und eine
dermaßen geschwollene Zunge, dass Sprechen unmöglich war. Ich tippte auf meinem
Laptop. Satzfetzen, damit eine „Unterhaltung“ möglich wurde.
Später dann das Internet und soziale Netzwerke in denen ich
kommunizierte.
Irgendwann konnte ich wieder lernen zu sprechen. Das war
anstrengend und tat weh, aber das war auch einfach klasse.
Ich hatte keine Zähne mehr im Mund, eine deformierte Zunge
und einen nachgebauten Gaumen aus meinem linken Unterarm.
Damit bestritt ich dann auch meine erste Lesung. Nur kurz,
voller Panik und sehr anstrengend. Aber es wurde immer besser. Und dann wurde
mein Kiefer wieder aufgebaut und Zähne implantiert und das hatte zwar nicht die
Wirkung, die ich mir erhofft hatte, aber es war okay. Und das Leben ging
weiter.
Ich mag die deutsche Sprache. Was bleibt mir anderes übrig –
sie ist meine Heimatsprache, die einzige Sprache, die ich beherrsche und somit
mein Handwerkszeug.
In einer Kritik wurde mir mal „Herzlichkeit im Gossenjargon“
unterstellt.
Gossenjargon? Finde ich gut.
In der Gosse findest du die wahre Sprache. Ehrlichkeit.
Gefühl und Härte. Natürlich auch Lüge, ich will hier nichts glorifizieren, die
Gosse ist eben auch ein Spiegelbild der Gesellschaft und der Menschen. Und da
gibt es genug Scheiße.
Sprache sollte verbinden, nicht trennen. Fremdwörter und
hochgestochene Sprache können okay sein. Wird die Sprache hierbei aber nur für
eine Abgrenzung und zum Klugscheißern benutzt, so ist das dämlich.
Ich mag Anglizismen und Neologismen. Ich mag alles, was die
Sprache vielfältiger und bunter macht. Ich mag Gossenjargon und ich mag
Schimpfwörter.
Und ich mag gesungene Sprache oder gelesene Sprache.
Singen ist bei mir nicht mehr drin. Das mute ich mir und
niemanden sonst mehr zu. Aber ich lese meine Gedichte und meinen anderen Kram
mittlerweile wieder öffentlich vor. Das ist für die Zuhörer und für mich
anstrengend, aber auf alle Fälle authentisch und es funktioniert.
Und macht Spaß.
Okay. Hier sitze ich an meinem Schreibtisch und knalle mir
die Sprache von Neil Young in die Ohren: Seine Gitarre spricht zu mir, sein
Gesang spricht zu mir und ich tanze innerlich. Und beschäftige mich mal wieder
wie meistens mit meinem Lieblingsgebrauch der Sprache: Ich tippe Kram.
Vorgestern wurde an meiner Zunge rumgeschnippelt und das tut
immer noch weh und ist völlig blöd, wenn ich sprechen muss. Also schreibe ich
lieber. Meine Frau versteht das. Zumal meine Gedanken und Gefühle eh im
Krebschaos feststecke - ich ihr nicht so nah sein kann, wie ich möchte, wie sie
es verdient hätte. Ich bin ja nicht einmal mir nahe!
Olli bat mich, einen Blog über Sprache im Leben zu
schreiben.
„Könntest du dir vorstellen, eine Art kleinen Blog über die
Bedeutung der Sprache in deinem Leben zu verfassen? Würde deine Kraft gerne mit
vielen Lesern teilen..... Würdest du? Muss auch nicht so lang sein...“
Sprache gibt mir Kraft. Sprache bedeutet mir verdammt viel.
Kann man das teilen? Keine Ahnung.
Ich denke nur insofern, dass ich jeden Menschen ermutigen
kann, seine eigene Sprache auszuprobieren und zu finden.
Macht Euer Ding und steht dazu. Egal, ob Eure Sprache
hochgestochen oder plump erscheint. Hauptsache, es ist Eure.
Irgendwann ist es dann auch nicht mehr wichtig, ob Ihr Zähne
im Mund habt oder sabbert.
Vielleicht in der Art.
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