Montag, 16. Juli 2012

Jobs und andere Krankheiten


Jobs und andere Krankheiten

In meinen bisherigen Leben
habe ich massig Scheiße gebaut
und viel Scheiße erlebt
Meine Jobs gehörten eindeutig
zu den schlechteren Erfahrungen

In einem Auto teilweise über 14 Stunden zu sitzen
mit Defekten
die der TÜV nun wirklich nicht wissen darf
und dann mit Höchstgeschwindigkeit durch die Nächte rasen
und stupide, besoffene, kranke und sonstige Menschen
durch die Gegend kutschieren
für manchmal weniger als 100 Mark die Nacht
war kein reines Vergnügen
Und trotzdem war meine Zeit als Taxifahrer
oft spannend

In einem Container zu stehen
und Pakete bis zu 35 Kilo
im Akkordtempo zu stapeln
und dabei auch noch die Postleitzahlen zu kontrollieren
verschaffte mir nen muskulösen Körper
Der Lohn schien okay zu sein
Aber das amerikanische Management bei UPS war
Verarschung ohne Ende

Fotos wurden damals noch mit PH geschrieben
und am Fließband entwickelt
KODAK war dick im Geschäft
Menschen hatten zumindest im Bochumer Werk
eine untergeordnete Handlangerfunktion
und so
war das eine Art stumpfer Hölle
in der ich es nicht lange aushielt

Mein Chef bei der Medikamtenkurierfirma war ein Chaot
aber nett, solange man zuverlässig durch die Gegend fuhr
Selbst privat durfte ich die Autos benutzen
und – ich weiß nicht,
ob er es nicht bemerkte oder nur so tat –
oft ließ er mich halbbesoffen auf die Straße
Auch wenn es nicht allzu viel Kohle gab:
Ich hätte den Job mit Sicherheit noch länger gemacht
wenn mein Chef sich nicht
mit einem unseriösen Konkurs vom Acker gemacht hätte
und wir alle doof vor verschlossenen Toren gestanden hätten

Ich habe Reformhauskost transportiert
Müslis gemixt, Kartoffeln entkeimt
Bier gezapft und hinterm Tresen gestanden
Ich hab bei Chrysler im Autohaus gearbeitet
und ich hab Zeitungen und Prospekte verteilt
und kurzfristig Gartenarbeiten ausgeführt
Ich hab Jugendliche bewacht und betreut
Fußball und Billardturniere für sie organisiert
Freizeiten geleitet
und Kinder bespaßt
bis ich mich dazu nun wirklich zu alt fühlte

Ich hab dann über zehn Jahre lang
alte und kranke Menschen gepflegt und versorgt
Krankenpflegeschüler ausgebildet
und mir verdammt viel anhören dürfen
und das würde ich auch heute noch tun
wenn mir nicht
der doofe Krebs n Strich durch die Rechnung gemacht hätte

Langweilig war es selten
aber eine goldene Nase habe ich mir nicht wirklich verdient
und meine Rente wird mein Existenzminimum niemals gewährleisten
Na ja

Ich kann viele Geschichten erzählen
lustige und weniger lustige
Zum Beispiel die Hure
die mir zu Weihnachten ne Freinummer schenken wollte
als ich Taxifahrer war
Oder die verloren gegangenen Opiate als Medikamentenkurier
und die habe ich nicht genommen und das war nicht witzig
aber zum Glück entdeckten wir sie dann
unterm Fahrersitz beim Chef
sie waren einfach da runtergerutscht
kann passieren
wäre aber dumm gewesen
wenn es nicht gerade dem Chef passiert wäre
Mit Krankenpflegestories könnte ich n Buch füllen
aber nicht jetzt

Momentan ist es so
dass ich mich beim Schreiben dieses Textes fühle
wie einer dieser alten Männer
die von ihren Schützengrabenerlebnissen erzählen
Ich bin behindert und berentet
und habe meine Joberlebnisse nur noch als Erinnerungen
und gerate in Gefahr
die ganze Scheiße zu verherrlichen

Bevor das passiert
mache ich jetzt lieber n Punkt.

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