Dienstag, 24. Juli 2012

In eigener Krebs-Sache:



Ich hasse das!

Morgen ist mal wieder so ein besonders anstrengender und unerfreulicher Tag. Ich muss zum ärztlichen Gutachten wegen meiner Rente.

Egal, ob der/die Arzt/Ärztin nett, kompetent oder verständnisvoll ist, ich komme mir da immer doof vor. Wie ein Simulant, ein Drückeberger, ein Bittsteller.
Dabei bin ich das nicht.

Ich habe ständige Schmerzen im Nacken- und Schulterbereich, daraus resultieren oft heftige Kopfschmerzen.
Im Winter friere ich wie Sau und beginne schnell zu zittern, was massig Kraft kostet.
Überhaupt Kraft: Heben und Tragen geht nicht mehr, nach zwanzig Minuten am Schreibtisch brauche ich eine Pause. Ich schaffe gerade mal meine täglichen Hunderunden und fühle mich wie über 70.

Dazu kommt noch das Fatigue-Syndrom: ich schlafe oft ein, könnte fast immer schlafen.
Ach ja: ich wiege 53 Kilo bei 1,72 Meter Körpergröße…
Meine Konzentrationsfähigkeit lässt zu wünschen übrig. Und so weiter.

Schlimmer sind mein Mund- und Rachenbereich.
Ich habe Kau- und Schluckbeschwerden, das Essen ist äußerst anstrengend und unästhetisch. Immer kämpfe ich mit der Aspirationsgefahr. Und schmecken (und riechen) tue ich nur eingeschränkt.
Meine Artikulation ist schwankend, aber immer mies und verdammt anstrengend.
Und mein Mund fast immer viel zu trocken und wenn da mal Speichel vorhanden ist, dann sabbere ich wie Sau, weil meine rechte untere Lippe nahezu gelähmt ist.
Ach ja: den Lippenschluss kriege ich auch nicht hin und dadurch ist das Trinken mit Strohhalmen unmöglich und das Rauchen extrem erschwert.

Im Januar 2007 wurde mein Krebs erkannt. Plattenepithelkarzinom (Ich gestehe: das klingt nicht besonders poetisch). Mir wurden die Lymphknoten am Hals entfernt (Neck-Dissection heißt das), mein Gaumen und ein großer Teil des Oberkiefers wurden rausgenommen und durch Transplantate aus dem linken Handgelenk (Gaumen) und der rechten Hüfte (Oberkiefer) neu aufgebaut. Ne heftige Strahlentherapie folgte. Dann bekam ich Implantate und habe jetzt ein wunderschönes Gebiss, wenn auch der Biss nicht richtig stimmt und ich jeweils nur drei Stifte (statt mindestens vier, im Idealfall sechs) im Kiefer implantiert bekam.
Aber die Ärzte und der Zahntechniker haben Wunderwerke und Kunststücke bei mir erschaffen. Das war mehr als okay!

Jetzt ist das über fünf Jahre her.
Und wer den Krebs bis dahin überlebt, der ist wieder gesund.
Sorry, bin ich nicht, werde ich nie werden.
Ich lebe und bin da dankbar und froh. Aber ich bin auf dem Arbeitsmarkt nicht vermittelbar und ich bin schon gar nicht in der Lage einer Lohnarbeit nachzugehen.
Und deshalb will ich meine Rente.
Finanziell ist das minimal, liegt unter Hartz IV, aber mir geht es vor allem um den Status. Und darum, dass ich sie mir verdient habe. Schließlich habe ich eingezahlt. Und die Vermutung, dass auch meine Arbeit ein möglicher Krebsauslöser war (aber wer weiß das schon…).

Morgen muss ich also zu einem Gutachter der Rentenversicherungsanstalt.
Eigentlich müssten meine Krankengeschichte und die Berichte der behandelnden Ärzte reichen, tun sie aber nicht.
Egal: jeder vernünftige Mensch, der mich und meine Konstitution sieht sollte wissen, dass ich nicht simuliere.
Und sollte ich wider Erwarten arbeitsfähig begutachtet werden, dann werde ich halt einen Widerspruch einlegen.

Wer den Krebs überlebt ist nach fünf Jahren geheilt?
Sorry, das ist Blödsinn, auch wenn es schön wäre.
Den Krebs an sich gibt es gar nicht, jede Krankheit ist eigenständig, individuell. Und die chronischen Beschwerden werden mich mein Leben lang begleiten, so gerne ich sie loswerden würde.

Mir geht es gut. Den Umständen entsprechend.
Ich lebe. Und selbst das ist ein Wunder.

Ich wäre gerne arbeitsfähig, habe meine Arbeiten als Krankenpfleger, Praxisanleiter, Wundmanager und Altentherapeut geliebt und würde sie gerne wieder ausüben.
Okay. Ich bin es nicht.
Ich bin behindert.
Und ein frühzeitig gealterter Schreiber, der das Beste aus seiner Situation macht.

Und seine Rente will.

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