Dienstag, 27. Juni 2017

Miami 6: Schwere See




Stürmisches Meer heute.
Na gut, das ist übertrieben. Es ist windig und dementsprechend kommen auch ansprechende Wellen, durchaus mal zwei Meter hoch.
Und im Mittelmeer ein mutiger und übermütiger Hermann, diesmal alleine am Strand, da Claudia noch kränkelt und Gisela seit zwei Tagen völlig stressig ist.



Der Himmel ist bewölkt, es ist etwas kühler (nur noch 28°), aber dafür ziemlich schwül.
Und als wir am Nachmittag dann doch alle drei zum Strand gehen erwischt uns ein Gewitter. Schöner erfrischender Regen, der gerade herunterfließt.
Anders, als die stürmischen Gewitter bei uns im Münsterland.
Überhaupt ist hier einiges anders als erwartet: Kaum Sterne am Himmel, keine im Meer untergehende Sonne und kein Grillengezirpe.
Alles Sachen, die mir ein bisschen fehlen.

Fehlen tut uns auch unser Hund Aron (ein Satz mit „tut“ ist nur im Urlaub erlaubt!), aber in der Tierpension geht es ihm gut (natürlich haben wir auch schon nachgefragt...) und Sonntagnachmittag haben wir ihn ja wieder.


Darf man übrigens bei der Rückfahrt die Schwiegermutter einfach an einer Autobahnraststätte vergessen oder anleinen?
Manchmal plädieren wir beinahe für ja. Aber dann sind wir uns nicht sicher, ob sie nicht doch noch ihren Namen und ihren Heimatort sagen kann und doch zurückkommt.
Im Ernst: Seit zwei Tagen strapaziert sie unsere Nerven bis zum letzten.
37 Toilettengänge am Tag, 20 in der Nacht.
Die Teller werden schon während des Essens zusammengepackt, weil sie ja „nur helfen“ will.
Die zum Trocknen aufgehängten Handtücher werden noch total feucht gefaltet und - alles nur Kleinigkeiten, aber in der Gesamtheit nervt es tierisch - am Strand wälzt sie sich absichtlich (?) von ihrem Badelaken in den Sand, obwohl wir ihr vor zehn Sekunden gesagt haben, sie solle sich erstmal hinlegen und trocknen lassen.
Sowas zum Beispiel.
Und dann vorwurfsvolle Stöhnerei und krankhafter Zwang zu Leiden - gerade das kann ich gar nicht ab!
...
Genug ausgekotzt...

Wir wussten vor Urlaubsantritt, dass das Risiko verdammt groß war (ist) und dass gerade demente Menschen in neuer und unbekannter Umgebung oft eine Art Schub bekommen. Claudia und ich sind examinierte KrankenpflegerInnen und haben beide eine Zusatzausbildung zum Altentherapeuten/Altentherapeutin. In meiner Arbeitspraxis wurde ich damals oft gerade für schwer dementielle PatientInnen eingesetzt, da ich sehr gut mit ihnen umgehen konnte und es schaffte, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Außerdem begleitete ich (wenn auch aus der Distanz) meinen Vater in seiner Alzheimer-Erkrankung bis zum Tod.
Claudia als internistisch eingesetzte Krankenschwester und später als Sozialdienstleiterin im Altenheim hatte auch ihre Erfahrungen.
Wir dachten, wenn überhaupt, dann würden wir es schaffen.
Jetzt, wo es um die direkte Betreuung ihrer Mutter und ein gemeinsames Leben geht ist es schwieriger, manchmal erscheint es manchmal unmöglich.

Ich habe aber auch noch keinen dementen Menschen kennengelernt, der so schwierig wie Gisela ist. Bei jeder Anleitung oder jeder Anregung nickt sie, grinst dich an und macht genau das Gegenteil davon. Ein ständiger Machtkampf.
Und - wie die Tage schon erwähnt - da sind noch ganz andere Altlasten, die wir nicht kennen und nicht abschätzen können.

Momentan sind wir kurz vor der Kapitulation.
Andererseits: Wer nicht kämpft hat schon verloren!
Und wir wollen für Gisela da sein.

Bloß n bisschen eigenes Leben, das muss sie uns ermöglichen. Das müssen wir uns ermöglichen...


Ich sollte nicht schreiben, wenn ich hochgradig sauer bin.
Aber das gibt diesem Reisebericht ja auch ne gewisse Ehrlichkeit.

Keine Ahnung.

Es wird Nacht in Miami Platja.
Claudia versucht zu schlafen und sich zu erholen, ich schalte beim Tippen etwas runter, Gisela liegt im Bett und war schon eine halbe Stunde nicht auf Toilette.

Ich wünsche mal ne gute Nacht!



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