Freitag, 23. Juni 2017

Miami 3: Boden unter den Füßen




Ich war im Meer.
Ich schwimme dort und springe sogar in die Wellen.
Ich genieße.

In meinem früheren Leben war ich eine Wasserratte und sprang immer sofort hinein und tauchte und kraulte und schwamm. Nicht schnell, aber ausgiebig und lange.

Mein Handicap: Ich habe keinen Mundschluss mehr und schlucke massig Wasser, muss dann sofort aspirieren und das mindert den Spaß. Auch körperlich bin ich nicht mehr so fit, wie ich es früher war.
Also dachte ich bis zur Ankunft am Strand, ich lasse es einfach bleiben.

Manchmal läuft es anders als man denkt und manchmal ist das gut so.

Hier haben wir Außentemperaturen um die 30 Grad und eine Wassertemperatur um 22 Grad. Ideal! Dazu ein schön seichter Wellengang, der einfach nur Spaß macht und eine wunderschöne Badebucht, die nicht überfüllt ist.

Als Claudia ins Wasser sprang und Gisela geduldig hinterher zog dachte ich mir, ich könnte es ja probieren. Und ging auch ins Wasser.
Und war in den sechs Tagen, die wir hier sind, täglich mindestens eine halbe Stunde im Mittelmeer. Meistens über eine Stunde.
Ich tauche (wenig), ich kraule (wenig), ich springe in die Wellen (meistens hüpfe ich vom Meeresgrund) und ich schwimme wie ein Weichei und Rentner (bin ich schließlich ja auch) mit dem Kopf über dem Wasser.
Ich spucke, ich schleime, ich finde, jemand hat das Wasser verdammt nochmal versalzen - aber ich genieße.

Und ich werde weitermachen und werde auch schon besser in meiner Technik.

Und genieße die Momente, wenn ich für mich alleine hinausschwimme.
Und genieße die Momente, wenn Gisela im Wasser lacht.
Und genieße noch mehr die Momente, wenn Claudia und ich uns umarmen und endlich wieder ganz bei uns sind.

Ich gestehe, meine Sicherheit im Wasser ist im Laufe meiner Leben flöten gegangen: Ich will Boden unter meinen Füßen haben und schwimme nicht mehr so weit hinaus.



Ich gestehe, ich habe ein scheiß Gefühl, hier im Mittelmeer zu baden und den Luxus eines Urlaubes zu genießen während täglich andere Menschen hier um ihr Überleben kämpfen müssen und oft scheitern.

Ich habe schnell wieder Boden unter den Füßen und komme mit meinen Aspirationsanfällen klar.
Ich bin immer in Strandnähe.
Flüchtlinge nicht.

Ist es verwerflich, seinen Urlaub zu genießen?
Ich denke, nicht. Trotz all der Scheiße.



1 Kommentar:

  1. Großartig und berührend beschrieben, Hermann! Bin in Gedanken bei Euch...

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