Mittwoch, 21. Juni 2017

Miami 2: Herr Alzheimer ist immer dabei





Eigentlich sind wir mindestens zu viert unterwegs:
Der neue Lebensgefährte meiner Schwiegermutter ist immer dabei.
Und Giselas Herr Alzheimer ist ganz schön ätzend!

Wir sind noch mehr.
Claudia wird von der Gefolgschaft der Wechseljahre, einem Kreuzbandschaden und Endometriose begleitet, ich habe King Cancer und seinen Hofstaat immer bei mir. Eigentlich habe ich King Cancer schon längst mit einem Arschtritt vertrieben, aber der Hofstaat der Spätschäden ist hartnäckig und lässt sich nicht so leicht vertreiben.
Egal. Hier soll es um den nicht ganz so netten Herrn Alzheimer gehen.

Urlaub mit dementen Menschen ist ja immer ein Risiko, niemand weiß, wie sie auf neue Umgebungen und Lebenssituationen reagieren. Es bedeutet auf jeden Fall immer Stress für sie. Und die Reaktionen sind nicht planbar.

Wir wollten Gisela aber noch nicht in Kurzzeitpflege „abschieben“ und gönnten ihr vor allem diesen Urlaub, der wahrscheinlich ihr letzter sein könnte. Früher ist sie oft und gerne verreist.
Zusammen mit dem alten „Lebensgefährten“ dachten wir, es durchziehen zu können. Leider war Herr Alzheimer stärker und vertrieb den anderen.
Also blieben nur wir drei übrig. Und dachten uns, „Jetzt erst recht!“ Ein Break, der uns allen irgendwie gut tun sollte. Vor allem, nach dem Stress der Trennung.

Urlaub für Gisela, Urlaub für Claudia, den sie sich nach Jahren mehr als verdient hatte, Urlaub für mich, der ich einen Neuanfang brauche, Urlaub für unsere Ehe, die eine Liebesauffrischung nach all dem Stress, der auch an unserer Liebe nicht vorbeiging, benötigt.

Urlaub mit Herrn Alzheimer.

Herr Alzheimer ist tückisch. Manchmal wissen wir nicht, ob er sich zu Wort meldet, oder ob Gisela zu uns spricht.

Wir sind parteiisch: Positive Meldungen schreiben wir Gisela zu, Stress schieben wir auf Herrn Alzheimer. Das ist nicht immer so. Manche Boshaftigkeiten passen leider auch zur Geschichte von Claudias Mutter und zu Psychosen, die eindeutig vorhanden waren. Und Herr Alzheimer hat vielleicht sogar dazu beigetragen, dass sie liebevoller geworden ist. Leider teilweise sogar sowas wie devot Claudia gegenüber. Und das kann ich persönlich garnicht ab und - ich gestehe - da werde ich aggressiv.

Herr Alzheimer lässt Gisela auf jeden Fall nie alleine. Und sorgt dafür, dass sie sofort unruhig wird, wenn wir sie nicht beschäftigen. Sie nestelt an den zum Trocknen aufgehängten Handtüchern („Gisela, lass die bitte hängen, Claudia packt die weg, wenn sie trocken sind!“), will Geschirr sofort wegräumen (Gisela, wir sind noch nicht fertig mit Kaffeetrinken, lass unsere Tassen bitte noch stehen!“) und sie geht alle zehn Minuten zur Toilette.
Die Toilette ist besonders nervig.
Natürlich muss sie immer dann, wenn Claudia oder ich gerade duschen. Oder wenn wir unterwegs sind und keine Möglichkeit besteht.
Unsere Standardsätze: „Halt noch ein bisschen durch!“
Ihr Standardsatz: „Wollt ihr, dass ich in die Hose mache? Ihr werdet auch mal alt!“ Unsere Antwort: „Manchmal geht es nicht anders. Wenn du unbedingt jetzt musst, dann mach in die Hose! Aber mit Sicherheit nicht hier im Garten!“
Im Supermarkt geht sie uns immer stiften und findet eine Toilette. In Spanien! Und sie kann kein Wort Spanisch! Und wenn wir am Meer sind und sie im Wasser ist und Claudia ihr zuredet, sie könnte jetzt pinkeln, würde fast jede/r machen, macht sie es nicht.
Es nervt!

Wenn Claudia und ich alleine im Meer sind werfen wir immer einen Blick auf unseren Platz und auf Gisela, die dort anfangs friedlich liegt.
Nach spätestens fünf Minuten muss eine/r von und (meistens ich, ich bin schneller) zurück, weil sie alle Handtücher faltet und sich im Sand wälzt. Aber wir haben wenigstens fünf Minuten gehabt!

Momente für uns alleine können wir uns abschminken, vielleicht spät Abends, aber da ist Claudia (okay, teilweise auch ich) mittlerweile so genervt, dass wir uns sofort streiten.
Ist aber n anderes Thema, dass ich vielleicht später erwähne...

Ich habe Gisela mögen gelernt. Ich akzeptiere ihre Krankheit. Ich gebe mir Mühe. Und wir haben viele schöne Momente.
Aber es ist sauschwer.
Und Claudia und ich haben halt auch noch unsere Begleitungen dabei.








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