Freitag, 1. März 2013

The return of the K-Wort



Sorry, wenn da stilistische oder andere Fehler auftauchen. Das ist aktuell, direkt eingetippt und sowas von ehrlich, da ist mir alles andere egal. Ich hoffe, ihr könnt es schätzen:

The return of the K-Wort





Plötzlich taucht es wieder auf

deutlicher und bedrohlicher als in den letzten Jahren

das K-Wort



Die Ärztin erwähnt es nicht

braucht sie nicht

Gewisse Blutwerte kann ich auch einschätzen

ich war Krankenpfleger

Sie empfiehlt mir einen stationären Krankenhausaufenthalt

und hat auch Recht damit

Betroffen stimme ich zu

und lasse mich nach dem Wochenende einweisen



Es gibt Deja Vus

die braucht kein Mensch

Es ist wie vor sechs Jahren

als ich beinahe am Krebs krepiert wäre

und ich hätte nicht gedacht

dass sich die Scheiße so schnell wiederholt

und so sitze ich jetzt am Schreibtisch

und therapiere mich mit diesem Text



Meine geliebte Frau umsorgt mich

obwohl sie selber krank ist

Sie stellt mir Haferschleim an den Schreibtisch

und macht sich mindestens so viele Sorgen

wie ich

Das ist ein entscheidender Unterschied zu damals

auch wenn ich es heute nicht direkt genießen kann

Selbst das versteht sie

Ich liebe sie



Ich fülle eine Patientenverfügung aus

und regele ein paar Sachen

Morgen kommt der Andruck vom „Extraball“

und die Arbeit daran wird mich ablenken

Dieses Buch ist gerade zur richtigen Zeit fertig

und es passt

dass die Liebe mehr Raum als der Krebs darin einnimmt



Okay

bis April werde ich

das KrankMachendeHaus

mit Sicherheit verlassen haben

Ich gebe mir und denen eine Woche

Und jetzt noch ganz schnell das nächste Buch anfangen

das ich dann auch noch fertig machen muss

Und dann wird man sehen

Den Frühling und den Sommer lasse ich mir doch nicht vom Krebs versauen!

Und überhaupt:

noch ist ja gar nichts klar

Nur ein Gefühl und eine Vermutung und Befürchtung

vielleicht bin ich ja nur ein paranoider Ex-Krebs

mit einem Magengeschwür

Wer weiß



Eigentlich wollte ich keine Krebsgedichte mehr schreiben

jetzt hat es mich

doch wieder gepackt

Sorry



Leben ist Vieles

Es ist wunderschön

Es ist scheiße

Es ist endlich

Fuck

Was weiß denn ich



So sitze ich also jetzt an meinem Schreibtisch

eine Zigarette nach der anderen

rotierende Gedanken

sich füllender Aschenbecher

sich leerende Bierflaschen

Sprachlose Gespräche mit Freunden

und Angst



Ich fröstele

mir ist kalt

mir tuen alle Knochen weh

und Dauermüde bin ich eh seit Wochen

In mir kriecht eine Gewissheit hoch

die ja noch gar nicht gewiss ist

Noch besteht ja Hoffnung

Nur

Dass ich diesen ganzen Scheiß halt schon mal durchlebt und überlebt habe

und nicht weiß

ob ich diesen Kampf nochmal schaffen würde



Der Papst ist mir egal

Italiens Clowns und die Fettnäpfchen des SPD-Clowns –

da scheiße ich drauf

Selbst die wahrscheinliche Schlappe des VfL Bochums morgen in Klautern

ist mir so was von egal



Im Schlafzimmer liegt meine Frau mit Fieber und Erkältung

die Hündin auf dem Teppich schläft zufrieden,

sie ist etwas unausgeglichen

und ich glaube

ihr fehlen die Spaziergänge mit mir

- Mir fehlen sie

verdammt, wie sie mir fehlen

aber

ich kann momentan nicht -

Meine Schwester mit Sprunggelenkbruch

das ist ein anderes Krankenhaus

Meine Mutter mit Zusammenbruch

und ab nächster Woche dann in Kurzzeitpflege

Verdammt, ich kann ihr nicht helfen

Meine Freundin

nach dem Entzug wartet sie auf eine stationäre Therapie

und ich sollte bei ihr sein



Ich kann

              nicht

                        mehr



Ich weiß

wieder wird für mich gebetet,

werden Kerzen angezündet,

denken Menschen an mich

Diesmal sogar frühzeitig

wo noch gar nichts fest steht

Wie soll da was schief gehen?



Ich weiß

ich habe meine Frau

für immer

egal, wie lange das sein wird

Und sie hat mich

Das gibt Kraft

ist aber auch Verpflichtung

Egal

was passiert

Sie ist meine Lebensversicherung

und unsere Auszahlungen genießen wir

jeden Tag – Jetzt



Mir ist kalt

Ich fröstele von innen

bei 24° in der Wohnung

Der Versuch

meine Schmerzen mit Bier abzutöten scheitert

aber das überrascht mich nicht

Claudia schläft

Immerhin konnte ich ihr eine Kamille-Inhalation,

einen Zitronentee

und einen frischen Erdbeerquark zubereiten

Mehr konnte ich nicht



Ich durchlebe meine Albträume

von vor sechs Jahren

und das ist nicht lustig

Egal

was passieren wird

Ich stelle fest

dass mich der Krebs nie verlassen wird

das tut irgendwie weh

Ich glaube

ich sollte von Bier auf Schnaps umsteigen

aber die Zeiten sind für mich vorbei

(Nee: Schnapstrinker war ich eigentlich nie)

und das finde ich gut

Ich glaube

ich sollte mich einfach zu meiner kranken Frau ins Bett legen

und versuchen zu schlafen

aber

Ich bin noch nicht soweit



Manche Gedichte tauchen immer wieder auf

bei den Guten wäre das okay

dies hier ist ehrlich

aber – ich glaube – nicht besonders gut

Immerhin:

Es ist nicht geklaut

Manche Sachen kann man nicht klauen

nur selber erleben



Vor sechs Jahren habe ich ähnliche Texte geschrieben

Ich würde es gerne

nicht mehr wiederholen

aber hier muss ich – und ihr – wiedermal durch



Ich habe Krebs

und wahrscheinlich einen neuen Tumor

deshalb darf ich wiederholen:

dieses grausame beschissene Leben ist wundervoll



Und verdammt nochmal:

Es ist noch nicht vorbei!







1 Kommentar:

  1. Aloha mein Freund,
    es ist gut, Dein Gedicht. Es ist hart, Dein Gedicht. Es ist ehrlich, Dein Gedicht. Es tut weh, Dein Gedicht. Es macht betroffen, Dein Gedicht. Es wühlt mich auf, Dein Gedicht. Und trotzdem wäre es besser, es wäre nie geschrieben worden, Dein Gedicht.
    Nie geschrieben worden, weil es nicht notwendig wäre. Weil es nicht passiert wäre, nicht passieren würde.
    Aber es passiert. Es hört offensichtlich nicht auf zu passieren.
    Es tut mir so leid, Hermann.
    Und ich fühle ..., nein, ich fühle nicht mit Dir - weil ich das nicht kann. Was Du erlebst, liegt außerhalb meines Vorstellungsvermögens.
    Ich möchte was tun. Weiß aber nicht was. Beten? Hat das jemals schon geholfen? Das mit der Kerze. Bringt das was?
    Ich weiß es nicht, werde es aber trotzdem tun. Heute. Morgen. Die anderen Tage. Wegen der Hoffnung, weißt Du.
    Mensch Hermann ...

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