Endspurt!
Donnerstag geht es dann also endlich nach Hause.
Mit dem Programm der Verlängerungswoche wird mir eindeutig
bewusst, dass die Reha mir nichts bringt, aber egal, ich will jetzt nicht
meckern.
Vielleicht bringt mir die Reha ja doch mal irgendwann
irgendwas.
Aktuell hat sie mich eher etwas zurückgeworfen und ich werde
wohl ein paar Tage brauchen, um mich von der Reha zu erholen.
Und dann werde ich sehen – und dann starte ich durch.
Ich rauche hier weniger als zu Hause. Insofern funktioniert
das „rauchfrei“- Konzept des Gesundheitsministeriums:
Für eine Zigarette muss ich zwei Stockwerke runter, aus dem
Haus und über den Innenhof in einen Raucherpavillon.
Und es ist bitterkalt.
Die Luft im Raucherpavillon ist zum Schneiden. Eklig kalter
Rauch, der selbst mir fürchterlich stinkt.
Vier wacklige Stehtische, kalter Beton und überfüllte
Aschenbecher.
Es macht einfach keinen Spaß.
Und das ist ja auch Sinn der Sache.
Ansonsten funktioniert das Nichtraucherprogramm nicht bei
mir. Therapierestistenz. Ich rauche einfach zu gerne. Vielleicht irgendwann
mal, aber noch ist das nicht der richtige Zeitpunkt für mich…
Auch wenn der Tabak schon wieder teurer geworden ist.
Mittlerweile sind von der ursprünglichen Tischgruppe nur
noch zwei Menschen da. Eine Berlinerin und ich. Der Spaß hat deutlich
nachgelassen. Und mit den drei Nachrückern (ein Ehepaar über 70 ohne spürbare
Wärme füreinander und eine leicht verwirrte alte Dame, die einfach nur leidet)
werden wir einfach nicht warm.
Okay, ich werde mit fast allen MitpatientInnen nicht
besonders warm. Muss ich ja auch nicht. Ich habe meine Freunde und meine Liebe
zuhause. Und da wird mir schon alleine beim Gedanken daran warm.
So viel zur Reha.
„Wir müssen einfach
mit dem Erschlagen und so loslegen“.
Johnny Depp in Tim Burtons „Alice“.
Da fällt mir die Niedersachsenwahl morgen ein. Fragt mich
nicht, manchmal habe ich solche Assoziationen…
Warum ich Wahlen immer noch voller Spannung und Hoffnung
verfolge weiß ich nicht. Nein. Ich weiß es wirklich nicht. Aber ich kann
zumindest nicht mehr enttäuscht werden…
Enttäuscht haben mich in letzter Zeit zwei meiner Idole.
Ich fang mal mit Gerard Depardieu ein. Die gemütliche dicke
Knollennase hat super Filme gedreht. Und ich mochte ihn in seinen Filmrollen.
Fand es gut, dass er Weingüter und genussvolles Leben symbolisierte.
Okay. Mittlerweile scheint er seinen Rest Verstand
weggesoffen zu haben.
Sich als Franzose mit Putin zu verbrüdern und aus
Steuergründen und Protest gegen die aktuelle Politik die russische
Staatsangehörigkeit anzunehmen ist blamabel. Und dann noch Putin als Demokraten
zu bezeichnen und im gleichen Atemzug die Pussy Riot Frauen zu verhöhnen ist
einfach völlig daneben und arschig.
Ich hoffe, er säuft sich zusammen mit Putin einen Korsakov
im Endstadium an…
Und dann Kinski.
Ich habe ihn und sein Schauspiel vergöttert.
Die Biografie seiner Tochter Pola scheint nun aufzuzeigen,
dass er nicht geschauspielert hat. Klaus Kinski war immer jähzornig, pädophil,
psychotisch, asozial und einfach nur ein
Arschloch.
Und missbrauchte seine Tochter über Jahre hinweg.
Man fragt sich, wie viele andere Mädchen, Frauen, Jungen und
Männer noch.
Denkmäler können stürzen.
Für mich ist Klaus Kinski gestürzt.
Jedes Mal wenn ich ihn jetzt sehe oder höre habe ich das
Bild eines Kinderfickers vor Augen. So was kann ich überhaupt nicht ertragen.
Stattdessen werde ich die Biografie von Pola Kinski lesen.
Die katholische Kirche entblößt sich weiter.
Nach Mißbrauchsbeweisen, unsozialen Arbeitsverträgen,
historisch gesicherten Massakern, Hexenverbrennungen, Kreuzzügen, teilweise
Billigung des Nationalsozialismus, Segnungen von Militärwaffen, einer
Vatikanbank, die am Waffenhandel Milliarden verdient, Opus Dei, verlogene
Moral, Mord, Haushälterinnenheuchelei, Lügen über Lügen und und und… nun ein
neuer Skandal:
Da verweigern zwei (!) katholische Krankenhäuser in Köln (na
klar!) die Behandlung einer vergewaltigten Frau.
Mit der Begründung, dass sie keine Beratung über einen
Schwangerschaftsabbruch oder die Pille danach (die das Opfer schon von der
Notfallmedizinerin bekommen hatte) durchführen dürften.
Mittelalter. Unterlassene Hilfsleistung. Unfassbare
Unmenschlichkeit.
Eben katholische Kirche.
Zwei Helden künden neue Taten an. Ich glaube und hoffe, dass
die beiden auch immer Helden bleiben werden.
Aah! Nick Cave bringt ne neue Scheibe raus! Da bin ich immer
geil drauf und die Vorab-Single ist wunderschön und angeblich soll das ganze
Album sehr balladesk werden und ich liebe einfach die Nick Cave – Balladen.
Freu! Must have!
David Bowie bringt auch ein neues Album raus. Ich bin leicht
skeptisch, mag Bowie aber auch schon immer.
Könnte das Jahr besser starten?
Was soll ich zu der Verblödung der Kinderbücher von Lindgren
und Preußler sagen? Die Worte „Neger“, „wichsen“, „Eskimo“, etc. seien
politisch nicht mehr korrekt und werden deshalb ausgetauscht. Ich finde das
albern. Sprachbereinigung hat was von Zensur. Orwells Neusprech aus 1984.
Die Worte „Neger“ oder „Zigeuner“ sind ja nicht
diskriminierend. Sie sind es vielleicht in einem rassistischen Kontext, aber
nicht in einem Kinderbuch mit deutlich humanistischen Ansprüchen.
Also ich will weiterhin ein Krüppel oder Behinderter sein,
das finde ich besser als „Mensch mit anderen Bedürfnissen“ oder so.
Und ein Flüchtling ist für mich ein Flüchtling, dadurch
behandele ich ihn nicht so beschissen, wie die Mächtigen, die ihre Politik
durch niedlich politisch-korrekte Ausdrucksweise verschleiern.
Und sonst?
Nix sonst.
Der Countdown läuft.
Mein RehA-Countdown. Der Durchstart-Countdown.
Vielleicht auch der Revolutions- oder Erneuerungscountdown,
aber der fängt von Unendlich an runterzuzählen.
Ach. Fuck.
Gute Nacht!
Durchhalten, Hermann! Bald bist du wieder zuhause bei Frau und Hund!
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