Donnerstag, 3. Januar 2013

Eine meiner schönsten Silvesternächte



Eine meiner schönsten Silvesternächte


Eine Tapete aus den siebziger Jahren
Ein gefliester Kellerboden
Leicht muffiger Geruch
Ein ungenügender Fernsehempfang
Ein Doppelbett wie vom Sperrmüll
Ein beiges Kunstledersofa
Und ein schräg hängendes Bild an der Wand
für das die Beschreibung Gelsenkirchener Barock voll zutrifft.

Eine Flasche Champagner
Selbstgekochter Vanillepudding mit Erdbeeren
Und Claudia und ich im Bett und neben uns Maya
die uns mit großen Augen anguckt
Im Hintergrund irgendeine Silvesterberieselung aus der Glotze
die uns völlig egal ist

Uns ist Vieles egal
In dieser Nacht
die in ein neues und besseres Jahr führen soll
Wir vergessen Jobs, Geld und Gesundheit
Wir haben uns
Und vergessen die Parkklinik und meine Reha
Versuchen unsere Schmerzen und Ängste zu verdrängen
Und schaffen es
So was wie Zuversicht zu entwickeln

In unseren Augen sehen wir
Uns
Das reicht

In der Geisterstunde knallt es dann kurz
Das ist Draußen
Wir haben Wunderkerzen dabei
die wir nicht anzünden
Sie brennen und glühen in unseren Herzen
Und das ist mehr als genug

Wir haben nicht die Kohle
für Claudias Besuch bei mir
und ich habe keine Genehmigung
für diese Nacht außerhalb der Klinik
aber wir scheißen drauf und das ist gut so

Am Neujahrstag muss ich zurück in die Rehabilitationsmaßnahme
und das ist so schrecklich
wie dieses Wort klingt
Claudia reißt die Kilometer bis nach Essen ab
um wieder die Alltagswirren zu bewältigen
während Maya auf dem Rücksitz des Autos liegt
und sich wundert

All das ist doof
aber vergeht
Was bleibt
sind unsere Gefühle füreinander
die in dieser Nacht noch mehr gestiegen sind
Nee – das ist nicht wahr
Sie können sich nicht mehr steigern
aber
wir werden uns ihrer wieder bewusster
und das ist der wahre Sinn und Erfolg meiner Reha-Maßnahme

Auch wenn die Rentenversicherungsanstalt wohl was anderes wollte


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