Freitag, 25. Oktober 2013

U.s Geschichte, Teil 1



Jeder Mensch hat seine Geschichte. Und jede Geschichte hat es verdient erzählt zu werden. Manche Geschichten gehen unter die Haut und tuen weh. Dies ist eine davon.
Ich kenne und schätze U. seit vier Jahren und irgendwann fragte er mich, was ich davon halten würde, wenn er seine Geschichte aufschreiben würde. Ich ermunterte ihn und versprach, wenn nötig zu helfen.
U. ist einer der Menschen, die nie Gehör finden. Einer über den die anderen die Nase rümpfen und den sie auslachen.
Gerade die Geschichten solcher Menschen sollte man wahrnehmen.
U. liest keine Bücher und hat wohl noch nie zuvor in seinem Leben einen so langen Text geschrieben. Ich habe nur die Rechtschreibung und (so wenig, wie möglich) den Satzbau korrigiert. Er berichtet in seiner Sprache und ich finde das sowohl passend als auch toll. Und diese Seiten sind der Beweis, dass er alles andere als dumm ist!
Ich hoffe, dies ist nur der Anfang und ich kann euch noch öfters Seiten aus U.s Geschichte hier präsentieren:

Ich wollte gern wissen, wer meine Eltern sind und wollte sie als Kind nur allzu gerne mal kennenlernen,
was allerdings nicht leicht war da ich zu der Zeit bei einer Pflegefamilie aufgewachsen bin.
Ich kann mich nicht an viel erinnern,
ich weiß nur das,
was mir vom Jungendamt erzählt worden ist.
Mit ca.8 Jahren wurde ich in ein Wohnheim gesteckt,
in dem ich bis zu meinem 16ten Lebensjahr wahr.
dann nach langem Warten lernte ich durch die Hilfe des Jungenamtes meinen leiblichen Vater kennen.
Ich hatte viele Fragen an ihn.
Was ich als erstes wissen wollte
war, warum ich nicht bei ihnen bin, sondern in einem Wohnheim leben und aufwachsen musste.
Mein Vater sagte mir darauf schweren Herzens,
dass er wie auch meine Mutter ein starkes Alkoholproblem habe
und ich ihnen vom Jugendamt weggenommen worden bin
weil er mich immer geschlagen hat als ich noch zwischen 1-3 Jahre alt war.
Das war ein großer Schock für mich, dass meine Eltern so schlecht mit ihren Kindern umgegangen sind.
Ja.
Ich habe vom Jungendamt da erfahren, dass ich noch 1ne Schwester und noch 2 weitere Brüder habe. Diese wollte ich daraufhin verständlicherweise auch kennenlernen, was leider nicht geklappt hat.
Dann fragte ich meinen Vater, warum er uns immer so schlecht behandelt hat.
Er wusste darauf keine Antwort und sagte mir, „Mein Junge, ich weiß, ich habe viele Fehler gemacht aber danke Gott dafür, dass du lebst.
Ich war darüber so schockiert, dass ich blitzschnell das Jungendamt verlassen habe, ich hatte das Gefühl, als würde man mir die Luft zum Atmen nehmen.
Als ich mich nach ca einer halben Stunde wieder beruhigt hatte, wollte ich wissen, was mit meiner Mutter ist. Man sagte mir, sie sei immer noch stark Alkoholabhängig. Was ich nicht verstehen konnte, war, wie konnte meine Mutter mit mir als sie schwanger war so stark Alkohol trinken! Jeder weiß doch, dass Alkohol in einer Schwangerschaft schädlich ist! Nicht nur für einen selber -  nein es schadet dem Kind ebenfalls!!
Mein Vater sagte darauf hin zu mir, „Ich sage es, wie es ist. Du warst kein Wunschkind. Sie wollte dafür sorgen, dass sie dich verliert.“
Als ich das hörte brach für mich alles zusammen. Ich wollte nichts mehr hören. Der Schmerz saß zu tief und das ist auch heute noch so - und das mit 29 Jahren.

Durch den ständigen Missbrauch von Alkohol während der Schwangerschaft habe ich verständlicherweise körperliche wie gedankliche Schäden davon getragen.
Ich bin gerade mal 167 groß und schaffe es nur mit viel Glück und Anstrengung, durch ständiges Essen mein Gewicht bei  50-55 kg zu halten.
Da ich nicht gerade der normalste Mensch war, hatte ich dementsprechend nicht viele Freunde, was auch noch heute so ist.
Ich war sehr froh, als ich damals einen wirklichen Freund gefunden hatte, mit dem ich auch sehr viel durchgemacht habe. Aber er war immer für mich da, wenn ich Hilfe oder Trost brauchte. Das war mir das schönste Gefühl, dass ich je erlebt habe. Dass jemand für mich da ist.
Durch den Alkoholkonsum meiner Mutter wäre ich vielleicht nicht so dünn denn ich kann einfach nicht zunehme, da der Alkohol meinen Stoffwechsel geschädigt hat wie man mir sagte(Arzt).
In meinem Leben hatte ich auch bloß 1ne große Liebe, die leider nur 2einhalb Jahre angehalten hat.
Nun lebe ich in meiner eigenen Wohnung alleine mit meiner Katze und arbeite manchmal auf einem Reiterhof. Ich liebe es, mich um Pferde zu kümmern und dadurch ab und an mal gratis reiten zu dürfen, dieses Gefühl, auf einem Pferd zu sitzen ist einfach unbeschreiblich schön.
Ich gebe jedem Tier jede Menge Liebe. Die ich nicht bekommen habe. Die Tiere scheinen es wirklich zu spüren und sie geben mir Wärme, Geborgenheit und das Gefühl der Sicherheit, was ich als Kind nie bekommen habe.

Als ich 20 Jahre alt war, wollte ich gerne mal meine Mutter sehen und ging zum Jugendamt, die dann nach kurzer Zeit ein Treffen hinbekamen. Ich war sehr aufgeregt, als ich dann an ihrer Türe stand, denn ich wusste nicht, wie sieht meine Mutter aus und würde sie mich überhaupt erkennen? Mein Herz raste so sehr, dass ich dachte, dass es mir aus der Brust springt. Ich drückte nach kurzem Zögern die Klingel. Als sie die Türe öffnete, erschrak mich: Das, was ich zu sehen bekam, dort stand eine Frau, die gerade mal vielleicht 1.60 groß wahr und noch dünner war als ich. Manchmal hasse ich meinen Körper und auch meine Gedanken, die ich habe und dann sehe ich wieder, dass es auch Vorteile hat, dünn zu sein.
Leider denke ich auch sehr oft nur an Sex, was ich nicht so toll finde und wenn ich dann mal eine Freundin habe kommt es oft vor, dass ich ihr meine Liebe zeigen möchte, indem ich mit ihr schlafe. Ich habe leider nie wirklich gelernt, wie man einer Frau zeigt, was man für sie empfindet. Daher glaubte ich, immer wenn ich mit dieser Frau schlafe weiß sie, er liebt mich. Heute weiß ich, dass es leider nicht immer so ist. Ich war schon bei einem Arzt und fragte ihm, ob mit mir etwas nicht stimmt, weil ich immer nur an Sex denken kann, wenn ich eine hübsche Frau sehe. Er sah mich an und sagte nur, „Du bist ein Kerl. Das ist normal.“ Ich hoffe es und denke mir darauf hin direkt wieder, warum lebe ich eigentlich? Was habe ich davon, dass ich lebe, während jeder Andere eine Frau bekommt und ich alleine bleibe.
Tja. Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich nur selten raus gehe, da ich es nicht so mag, wenn man mich ansieht. Dann kommen immer solche Sprüche wie: „Guckt euch mal den Dünnspachtel an!“ oder „Tapezierte Fahrradspeiche". Und Lachen. Dass sie damit andere verletzen ist den Menschen total egal.
Das Leben ist nicht gerade leicht wenn man weiß, das man von der eigenen Familie nicht gewünscht ist.
In meinem Leben gibt es nur 3 Menschen, denen ich 100%ig vertraue und für die ich alles tun würde und das ist mein einziger bester Freund, meine liebe Claudia, ihr Ehemann und auch ihr Hund.
Diese 3 Leute waren immer für mich da und haben mich immer wieder aufgebaut, wenn ich mal Sorgen oder Kummer hatte. Und das ist einfach unbezahlbar für mich. Das was mir diese Leute geben kann man durch nichts ausgleichen und ich genieße jede Minute mit allen 3 Leuten und auch dem Hund und meiner Katze, die sich am liebsten gegenseitig die Augen auskratzen würden.


U. ist einverstanden mit der Veröffentlichung in diesem Blog und gespannt auf Reaktionen und Kommentare.
Ich hoffe, dies ermutigt ihn, weiter zu schreiben.
Ich persönlich bin schon scharf auf die nächsten Seiten…

4 Kommentare:

  1. Lieber U.,
    bitte schreibe weiter. Ich möchte noch mehr über dich erfahren.
    Wie heißt deine Katze und welche Farbe hat sie?
    Schönes Wochenende!

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  2. Lieber U.,
    ich finde es sehr mutig von dir, deine bewegende Geschichte hier öffentlich zu machen.
    Hoffentlich hilft das Schreiben dir, dich und deine Biografie besser anzunehmen und zu verstehen. Aus eigener Erfahrung kann ich dir sagen: Mir hilft es!
    Einen lieben Gruß, Eckhard

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  3. auch ich würde dir raten, weiter zu schreiben, damit du deine Geschichte irgendwann aus der Ferne betrachten kannst. Alles, das man aufschreibt wird meiner Erfahrung nach irgendwann zu etwas, das genauso jemand Anderes erlebt haben kann, und es erleichtert den Weg aus dem Gestern ins Heute, und... noch viel wichtiger: ins Morgen! Denn jeden Tag ist ein neuer Beginn, jeden Tag kann man Dinge anders fühlen und anders machen, als zuvor.

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  4. ich freue mich sehr das euch es gefallen hat was ich geschrieben habe.hätte nicht gedacht das es so gut ankommen würde und wahr sehr erstaunt ich werde weiter meine gedanken und gefühle aufschreiben und sie dann weiter veröffentlichen freue mich auch weiterhin über eure meinungen und kommentare

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