The Who und Bob Dylan über die Anlage. Stauder und Van Nelle
Zware. Neben mir die Hündin und im Wohnzimmer Claudia.
Das Paradies auf Erden, ihr habt das schon öfters von mir zu
lesen bekommen.
Wie so oft in diesem Jahr hatte (oder hat) mich der Krebs in
seinen Zwängen.
Dauermüdigkeit und Beschwerden, die als Alarmsignale bei mir ankommen, mich zu gehassten Arztbesuchen zwingen.
Dauermüdigkeit und Beschwerden, die als Alarmsignale bei mir ankommen, mich zu gehassten Arztbesuchen zwingen.
Der HNO-Arzt heute (und Claudia immer neben mir, schließlich
hat sie mich sanft zu dem Besuch gezwungen) war nett und hat mir ein
Sorgenpaket abgenommen, zumindest kurzfristig.
Andererseits war er doof: Er sagte, ich hätte eine
außergewöhnliche Nase (okay: hat er ja auch Recht mit…).
Jetzt könnte sich meine angsterfüllte und gelähmte Phase
langsam lösen. Als Dokument dieses Gedichtfragment, ich hoffe, ich werde es nie
fertig schreiben:
Das x-te Krebsgedicht
Diese unendliche Geschichte
vom endlichen Leben
Langsam sollte ich durchstarten
die Zeit wird knapp
Jedes Wiedersehen
beinhaltet den möglichen Abschied
für immer
Aber wer weiß das schon
Da sind Bücher
zu lesen und zu schreiben
Da warten noch unzählige Songs darauf
gehört zu werden
Ich habe
lange nicht mehr gemalt
oder meine Gitarren bespielt
Leben endet
immer
Das steht fest
Ich habe das Gefühl
ich sollte mich beeilen
Mit allem
Ach Freunde
Das ist Krebs:
Bei jedem Wehwechen
und bei jedem Arztbesuch
diese lähmende Angst vor Rezidiven
Und dann die Frage
ob ich meine Sorgen lieber für mich behalte
oder teile
Früher oder später kommt es dann doch immer raus
Ach Freunde
Auch das ist Krebs:
Ständige Müdigkeit
und fast alles ist zu viel
und dieses Sabbern kotzt mich an
auf Essen habe ich schon keinerlei Lust
Und dann das Wissen
dass Zigaretten, Bier und Koffein
nicht die beste Medizin sind
aber eben am besten schmecken
Irgendwie will ich nicht mehr
und kriege nicht die Kurve
Obwohl:
die habe ich in den sechs Jahren
immer wieder gekriegt
Also kein Grund zur Panik
2007 war das Jahr des Krebses
2009 war das Jahr des Mittelfingers für den Krebs
2010 wurde geheiratet
und alles war gut
2013 fickt mich
und der Krebs ist zurück
Klammheimlich steht er irgendwie hinter mir
und tritt mir andauernd in den Arsch
wahrscheinlich aus Rache für den Mittelfinger
Momentan ist es mir
beinahe scheißegal
und das sollte es nicht sein
Claudia kommt an meinem Schreibtisch und umarmt mich.
Eigentlich tritt sie mir auch in den Arsch und mahnt, ich solle nicht so viel
rauchen. Außerdem sollte ich mal wieder was Lustiges schreiben, ihretwegen
sogar über sie.
Ich halte mich ja zurück bei meiner Schreiberei über meine
Frau. Sie hat es nicht leicht: Sie hat mich, sie hat Wechseljahresbeschwerden,
ein kaputtes Bein und eine ausklingende Depression. Ich glaube, ich bin ihre
schwerste Last, aber sie widerspricht mir da sofort.
Claudia ist voller Liebe, Herzlichkeit und
Hilfsbereitschaft. Dafür liebe ich sie.
Manche Menschen machen sich gerade darüber lustig und nutzen
sie aus. Das sind die Menschen, die ich wirklich hasse.
Jetzt sagt sie gerade, dass 2013 zwar Scheiße sei, ich aber
nicht die guten Jahre davor vergessen sollte und einfach sagen solle, dass es
wieder besser wird. Und würde ich von der Brücke springen, dann könne sie das
nicht ertragen. Sie ist zwar Krankenschwester, aber bei Blut und Matsche müsse
sie kotzen. Das will ich natürlich nicht!
Habe ich schon erwähnt, dass ich sie liebe?
Ich plane meine Geburtstagsfeier.
50. Das an sich ist schon ein Grund zu feiern. Und dass ich
den Krebs und alle Statistiken besiegt habe auch. Zumindest vorerst.
Meine ehemalige Band wird spielen (auch wenn es weh tut, dass
ich nur als Gast für n paar Minuten dazu stoße).
Ich hoffe, dass viele Freunde kommen werden, auch
auswärtige. Und diese grandiosen Dichterkollegen (Flenter und Hard haben schon
unter Vorbehalt zugesagt…). Mann! Das wird groß!
Ich wollte ja schreiben, dass ich das noch erleben will.
Claudia überzeugt mich, dass ich schreiben solle, dass ich das erleben WERDE
und danach ALLES GUT WIRD und wir gerade DIE ZUKUNFT FEIERN werden! Und sie hat
Recht. Wie so oft.
Also gibt es Ende Dezember eine Feier auf die Zukunft. Und
auf das Leben.
Und natürlich auf die Liebe.
Ab jetzt benutze ich meine Blogeinträge für ein neues Buch.
Das habe ich mir gestern Nacht bei einer Zigarette in einer Schlafpause
überlegt. Also werde ich chronologischer als bisher meinen Senf abgeben und
versuchen, einen Zusammenhang bei den einzelnen Beiträgen herzustellen. Und
irgendwann kommt das dann in Buchform (oder auch nicht, so ist das bei Ideen
nun mal…).
Gestern Nacht plante ich das als Abgesang und Krebskampf, so
wie Schlingensief das gemacht hat.
Heute plane ich das als Dokument eines müden, alten Mannes,
der immer noch zornig und sentimental und romantisch ist und leben will.
Und leben wird!
So schnell kann sich das ändern…
Aber nebenbei (und hauptsächlich) muss ich erst mal meine
Rock’n’Roll Notizen beenden. Und das ist massig Kram.
Und Gedichte will ich ja auch nicht vernachlässigen.
Und meine Freunde und Freundinnen will ich wieder verstärkt
sehen. Es wird Zeit. Und ich weiß nicht, wie viel Zeit ich noch habe.
Das weiß kein Mensch und das ist okay so. Ich werde
versuchen, nicht mehr in die Zukunft zu verschieben, sondern JETZT zu leben.
So.
Claudia kommt und bittet mich, ihren Rücken zu kratzen und
nach Pickeln zu untersuchen.
Ich mag das. Sie auch. Obwohl da schon fast eine Manie raus
geworden ist. Ihr Rücken ist meistens glatthäutig, trotzdem juckt er sie.
Und der Absatz über ihre Pickel wurde jetzt zensiert.
Leben:
Gestern dachte ich noch einen Abgang, jetzt denke ich an
eine Wiedergeburt oder an eine Neuaufnahme des Kampfes gegen den Krebs, den ich
ja eigentlich schon besiegt habe.
Und ich denke an meine Liebe.
Nicht mehr, wie ich sie am besten alleine lasse, sondern wie
wir gemeinsam weiterhin das Leben meistern.
Und das bleibt und wird spannend.
Und wahrscheinlich werde ich euch dran teilhaben lassen.
Glück auf & volle Kraft voraus Richtung 50. Geburtstag!
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