Montag, 19. März 2012

Leipzig. Merseburger Straße.


Leipzig. Merseburger Straße. Fälschlicherweise (bin ja auch Ausländer) habe ich das als Lindenau bezeichnet, dabei ist das wohl eher Plagwitz. Eigentlich auch egal. Ein äußerst liebenswerter Stadtteil, mit leichtem Schmuddelcharme (das ist jetzt Ruhrpottüberheblichkeit), netten Kneipen und kleinen Läden. Kopfsteinpflaster und sehr breite Straßen. Alles ziemlich ruhig, obwohl die Leipziger behaupteten, dass gerade zur Buchmesse es sehr trubelig wäre. Häuserreihen, die nicht zu hoch ragen und einfach nett und schön wirken. Das ist der Leipziger Westen. Und spätestens seit Extrabreit wissen wir ja: Im Westen ist s am besten!
Ich bin zuversichtlich, treffe ich doch auf der Straße Volly Tanner, einen wunderbaren Menschen, der im Quartiersmanagement Leipziger Westen auch ein wachsames Auge auf diesen Stadtteil richtet. Und dabei die Kultur und die Menschlichkeit mit Sicherheit im Auge behält (zweimal „Auge“ – ich bin  noch zu platt für anspruchsvolle Formulierungen). Aber ich muss da auch vorsichtig sein, habe ich doch keinen Schimmer davon, was wirklich in Leipzig abläuft (ich weiß ja nicht mal, was in meiner Heimat Bochum passiert…).
Mir gefällt Leipzig soweit.

Der Leipziger Rhein (ich könnte ja jetzt nachgucken, wie der Fluss oder der Kanal heißt, der da fließt, ist mir aber egal…) bietet so was wie die grüne Lunge der Stadt. Soweit ich das überblicken kann. Sieht schon schön aus, ist mir aber n bisschen wenig Natur (Remember: Ruhrpottüberheblichkeit). Straßenbahnfahrten habe ich zur Büchermesse hin und zurück genießen müssen. Und es war der Horror: übervoll und ruckelig und stickig. Natürlich ist das bei uns im Pott auch nicht anders, aber da kann ich dem meistens entgehen und mit unserem Auto fahren oder zu Hause bleiben.

Sonst sehe ich nicht viel von Leipzig. Ich bin nur zwei Tage da und habe volles Programm. Die geschichtlichen Denkmäler und Touri-Attraktionen bleiben mir bis aufs Messegelände erspart. Von einer früheren Lesung kenne ich allerdings noch die wunderschöne Moritzbastei und das abgefahrene Flower-Power.
Das Messegelände ist ein Messegelände. Und die Messe ist eine Messe. Also rappelvoll. Und für Besucher eigentlich wenig erbauend, bis auf ein paar Lichtblicke und Lesungen eben nur Gewusel. Und warm und stickig und anstrengend. Ein irritierender aber netter Lichtblick sind die Manga-Freaks und Emos, allerdings wirken einige der Kids einfach nur billig. Da können die sich noch einiges von den Grufties lernen. Denke ich. Die Leipziger Autorin Nicky Fee macht den Messebesuch erträglich und nett, die Lesung von Oliver Uschmann ist witzig, mehr kann ich da nicht berichten.

In der Merseburger Straße befindet sich die Verlagsbuchhandlung der Edition PaperOne. Und es lohnt sich wirklich, dort reinzuschauen: tolle Bücher, liebevoll in Regalen angeordnet, an den Wänden Bilder der Autoren des Verlags und eine einladende Sitzecke, wo man sich niederlassen kann und (wenn sie Zeit haben) den Verlegern der Edition quatschen kann. Ein Wohnzimmer zum Wohlfühlen im besten Sinne des Wortes.
Wenn Ihr in Leipzig seid und da vorbeischaut, dann achtet auf die Veranstaltungen in der Edition PaperOne! Lohnt sich auf alle Fälle!
Die drei Verlagsbetreiber machen die Edition PaperOne aus und mit vollstem Herzen. Sie glauben an die Bücher, die sie herausbringen und sie haben Spaß an der Sache. Viel Geld verdienen kann man so nicht, also müssen alle drei weiterhin der Lohnarbeit nachgehen, sind der Sklaverei ausgesetzt. Aber sie haben die Freiheit, selber zu entscheiden sich zu großem Druck zu widersetzen und genießen das. Und im harten Verlagsgeschäft sind in fünf Jahren schon viele Verlage untergegangen – die Edition PaperOne nicht: sie lebt!
Zusätzlich zur Edition haben die drei noch ihre eigenen Projekte. Ihre Lesebühnen, ihre Fotografien, ihre eigene Literatur. Und alles, was sonst noch zum Leben gehört.  Es ist mir völlig unbegreiflich, wie man all das unter einem Hut kriegen kann. Leben auf der Überholspur. Aber Hauke von Grimm, Michael Schwessinger und Oliver Baglieri wirken zufrieden. Sie lieben ihren Verlag und sind berechtigterweise stolz auf das, was sie aufgebaut haben. Und ich kann nur Daumen drücken. Und froh darüber sein, als Autor irgendwie zur Familie dazu zu gehören.

Ach, ich könnte schwärmen! Ich werde äußerst liebevoll aufgenommen, spüre Wärme und so was wie Seelenverwandtschaft. Schön.
Michael und Olli kamen erst einen Tag vorher aus Äthiopien zurück. Jet-Lag und die Strapazen der Reise würden mich mindestens eine Woche aus Gefecht setzen, aber Michael und Olli waren pünktlich zur Buchmesse wieder zurück und begleiten die vielen Veranstaltungen des Verlags. Und arbeiten und feiern. Und Michael stellt mir über alle Maßen gastfreundlich seine schöne Dachwohnung zur Verfügung. Und Hauke verhält sich wie mein persönlicher Bodyguard. Der große Mann mit dem Riesenherz erkundigt sich andauernd, ob mit mir alles in Ordnung ist und ob er mir irgendwie helfen könne, dabei genieße ich nur und fühle mich wohl (und versuche einen Hustenanfall zu unterbinden…).
Ich denke, die Chemie stimmt einfach. Und dann hat man zusammen Spaß. Und dann ist das schon klasse.

Die Lesungen in der Edition PaperOne sind dann erfolgreich und eine runde Sache. Ich schätze, ich kann zufrieden sein. Der Laden ist jeweils gut gefüllt und ich habe den Eindruck, dass die Zuhörer sich wohl fühlen und von den Lesungen angetan sind. Insbesondere die Lesenacht in der Verlagsbuchhandlung ist toll und präsentiert die Vielfältigkeit des Verlagsprogramms. Völlig ungeplant (die Bücher wollte ich gar nicht kaufen) und überraschend begeistern mich zwei Autoren dabei besonders:
Diane Hielscher hat einen Reisebericht über Russland geschrieben. Langweilig, dachte ich vorab, da ich keinerlei Bezug zu Reiseberichten habe. Was die Journalistin und Bloggerin dann vorträgt haut mich um. Witzig, persönlich und aus der Sicht einer offenen und begleitenden Frau, die nicht überheblich, sondern neugierig auf die Menschen zugeht. Äußerst spannend und unterhaltsam. Das Buch liegt auf meinem Schreibtisch und ich hoffe (und bin da ziemlich sicher), ich habe mich nicht nur von der klasse Lesung blenden lassen.
Dann Hannibal von Instetten. Klamauk dachte ich vorab. Witzig und eher Comedy. Sorry, aber meistens kann ich da nicht mitlachen. Die (viel zu kurze) nächtliche Lesung von Hannibal führt dazu, dass sein Buch dann auch auf dem eh schon zu dicken Stapel der Bücher landet, die ich kaufe. Die Lesung ist witzig, dabei aber auch abgefahren und spannend. Humor, der selbst mich begeistert. Und von Instetten ein sehr sympathischer Autor.

Ich schwafele und schwelge (Hey Uschmann – ich kann auch Alliterationen!). Also muss ich langsam mal zum Schluss kommen.

Baseballschläger, CS-Gas und andere Verteidigungsmittel habe ich nicht dabei. Die braucht man auch nicht in den Ecken Leipzigs, in denen ich mich aufhalte. Die meisten Menschen sind sehr freundlich und aufgeschlossen. Im Vergleich zum Ruhrpott wird in Leipzig wesentlich mehr geraucht und man trifft des Öfteren Menschen mit einer Bierflasche auf der Straße an. Das finde ich gut.

Nochmals ne herzliche Umarmung an Olli, Michael und Hauke!
Und auf ein baldiges Wiedersehen!

Jetzt gilt es, meine müden Knochen zu pflegen und mich von meiner Frau verwöhnen und lieben zu lassen. Sie war das Einzige (okay, auch noch unsere Hündin und meine Freunde), was mir dort fehlte. Am schönsten is ja doch zu Hause, woll…

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