Sonntag, 11. März 2012

Drecksack, Leipzig, Kiwanuka, Der König aller Krankheiten und zum letzten Mal Wulff


Drecksack, Leipzig, Kiwanuka, Der König aller Krankheiten und zum letzten Mal Wulff


Es gibt keinen falschen Dampfer im richtigen Wasser. Schreibhemmung ist nichts Unanständiges. Man muss es aber zugeben.“
Carl Weissner, „Manhattan Muffdiver“.
Noch so ein Buch, das ich nur empfehlen kann. Ich könnte massig Zitate finden, die als kurzes Statement einfach stimmig und geil sind.
Von diesem Buch keine Inhaltsangabe. Ich sag einfach nur: Das rockt.
Schade, dass Carl von uns gegangen ist und uns so wenig eigene Bücher und Texte hinterlassen hat.
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Zum Tod von Carl Weissner gibt es auch eine umfangreiche Würdigung im gerade erschienenen „Drecksack“.
Der DRECKSACK ist eine „Lesbare Zeitschrift für Literatur und erscheint ca. vierteljährlich. Herausgegeben wird sie von dem wirklich großen Dichter Florian Günther.
12 Din A3 Seiten auf festem Zeitungspapier. Romanauszüge, Rezensionen, ein interessantes Interview mit einer Reinigungskraft eines Kreuzberger Clubs.
Zwei Seiten in Memoriam Carl Weissner: Erinnerungen und Briefauszüge von u.A. Matthias Penzel, William Cody Maher, Jürgen Ploog und Franz Dobler. Und einem Gedicht von Florian Günther, an dem C.W. seinen Spaß gehabt hätte.
Gedichte von Jerk Götterwind, den ich sehr schätze und die mich wieder einmal umhauen.
Gedichte von Florian Günther himself, die mich immer wieder begeistern.
Dazu noch Urs Böke, Max Pfeifer, Roland Adelmann und weitere Dichter, die ich jetzt mal alle irgendwie der Elite des Underground zuordnen würde. Was immer das sein mag.
Und zwei Seiten mit den ersten zwei gekürzten Kapiteln meines Romans „Ausgehöhlt“, mit warmen Worten von Florian Günther eingeleitet.
Danke Florian!
Du kannst Dir nicht vorstellen, wie stolz ich bin, dass Dir mein Kram gefällt!
Und so viel Platz in Deiner Zeitschrift ist eine Riesenehre für mich. So was wie ein Orden, das UndergroundVerdienstkreuz, obwohl ich auf Orden und Pokale sonst nicht abfahre. 




DER DRECKSACK IST HIER ERHÄLTLICH:

edition.ln@web.de oder
www.edition-luekk-noesens.de
Preis: 2 Euro + 2,50 Euro (Versand)


Webseite


Und dann ist ja nächste Woche auch schon die Buchmesse.
Zweieinhalb Tage Leipzig, zwei Lesungen in der Verlagsbuchhandlung der Edition PaperONE und einen Tag bummeln auf der Messe. Langsam sollte ich anfangen, zu planen (Gonzo-Verlag, Milena, Ventil, Nautilus,…), was und wen ich unbedingt sehen möchte. Und auf mein Geld aufpassen, schließlich bin ich dann im gefährlichen Osten und die Langfinger sind überallJ. Und ich selber muss mich natürlich auf der Messe beim Bücherkauf extrem zurückhalten.
Was ich mitnehme: CS-Gas, Baseballschläger, Springmesser, Notizbuch, Lesekram, Handy, Schmerzmittel, Beruhigungs- und Aufputschmittel, Kleingeld, Deo, Unterhose und dicke Scheuklappen für die Bücher an den Verlagsständen und ne Sonnenbrille, die mir Dunkeldeutschland bunt machen soll.
Hat jemand sonst noch Tipps für mich?
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Ich hab es ja befürchtet. Gestern kam die von mir mit Spannung erwartete Scheibe von Michael Kiwanuka raus. Dieser junge Mann könnte das Soul-Potential von Marvin Gaye (der „Inner City Blues“ schwebt durch „Tell me a tale“) oder Bill Withers haben. Feeling, Stimme und auch die Songs stimmen. Durch die Bank herzergreifende Lieder mit passenden Melodien. Aber dann kommt eine Produktion, die einfach zu viel glattbügelt und platt macht. Vielleicht ist das kommerziell erfolgreicher, der Charme schwindet.
Warum haben die Produzenten nur beim ersten und letzten Stück Mut bewiesen? Warum musste alles andere auf Mainstream gebügelt werden?
Ich kann mir Kiwanuka anhören, finde das Album auch nicht schlecht. Aber ich kann nicht dauerhaft schweben, weil Bläser, Streicher und Background-Chor mich auf den Boden runterziehen.
Kiwanuka hätte mir den Soul zurück bringen können. Die gesamte CD ist der gleiche Mist, der uns in den letzten Jahren als Soul verkauft wurde und der meine Seele nicht berühren kann. Und damit eben kein Soul ist.


"Der König aller Krankheiten" von Siddartha Mukherjee:
Ich lese eigentlich keine Fachliteratur, keine Geschichtsbücher und schon gar nicht medizinische Bücher. Die Werbungen und euphorischen Kritiken (und der Pulitzer-Preis sagt ja auch einiges aus...) zu diesem Buch verleiteten mich, tief in meine Tasche zu greifen und es mir blind zu kaufen und ich bin begeistert.
Es ist keine Biografie der Krankheit Krebs (die ja auch viel zu unterschiedliche Formen und Arten aufweist), es ist eher eine Geschichte des Kampfes gegen den Krebs. Und damit ist es ein Kriegsbericht geworden.
Selbst betroffen weiß ich, dass der Kampf gegen Krebs viele militärische Bilder braucht. Mukherjee benutzt diese Bilder und das erschreckt schon manchmal. Da er aber immer wieder die Menschen, die den Krebs bekämpfen, ausführlich beschreibt wird der Schrecken gebrochen und es wird Menschlichkeit vermittelt. Die Helden sind dabei teilweise die Ärzte, deren Fehler und persönlicher Ehrgeiz schonungslos aufgedeckt werden - die wahren Helden sind aber immer wieder die erkrankten Menschen und ihre Kraft und ihr Kampf.
"Der König aller Krankheiten" ist ein schweres Buch. Teilweise musste ich es beim Lesen aus der Hand nehmen, da mir mein Arm schwer wurde, noch öfter musste ich es allerdings zur Seite legen, weil meine Gefühle mit mir durchgingen. Ich hätte nicht gedacht, dies je von einem Sachbuch sagen zu können.
Dieses Buch fesselt wie ein Krimi. Ich denke, es ist schon jetzt ein Klassiker.



So. Jetzt ist aber auch mal Schluss mit Wulff! Und es wird dauern, bis ich „Over the rainbow“ wieder unbelastet hören kann. Immerhin: ne Bundeswehrkapelle übertönt von Trillerpfeifen und Vuvuzuelas ist ne interessante Instrumentierung…

Zitat Spiegel-Online:
„In "Over the Rainbow", das vom Stabsmusikkorps auf Wulffs Wunsch an diesem Abend gespielt wird, lautet eine Zeile: "Irgendwann werde ich mir wünschen auf einem Stern zu sein, und aufzuwachen, wo die Wolken ganz nah hinter mir sind. Wo die Probleme hinweg schmelzen wie Zitronenbonbons."
Das Lied wurde, zum Glück an diesem lauten Abend, nur gespielt, nicht gesungen. Denn was sich die Sängerin Judy Garland in ihrem Klassiker so inbrünstig wünschte, ist für Wulff noch lange unerreichbar.“
So isses.

Büchermesse, Lesungen, Schreiben, Konzerte: Leben.
Geldkram, Rentenverlängerungsantrag, TÜV, all so was: Überleben.
Ich glaube, ein Viertel der bundesdeutschen Bevölkerung ist im Moment richtig krank. Meine Frau lag letzte Woche flach, ich eine Woche zuvor, ein Freund hat es an der Leiste, ein anderer nahm aus Versehen die doppelte Ration seiner Herzmedikamente. Unsere Hündin ist fit.
Vorfrühling. Vergänglichkeitsjahreszeit, genau wie der Herbst oder der Frühwinter.
Aber jetzt haben wir Sonntagvormittag. Claudia backt einen Kuchen und bürstet in der Zwischenzeit unsere Hündin Maya. Ich sitze am Schreibtisch. Leonard Cohen und jetzt Mark Lanegan bilden die Klangkulisse.
Der Himmel ist nah. Momentan ist er für mich in unserem gemütlichen Heim in Bochum.






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