Donnerstag, 24. November 2016

Erinnerung an das Tramper-Monats-Ticket



„Auf einem Trip zu ficken ist göttlich. Aber noch göttlicher ist es, auf einem Trip zu kotzen.“

Begeistert nickten wir. Und hörten ihr zu.

Wir saßen in einem Zug von München nach Hamburg und waren zwischen sechszehn und achtzehn Jahre jung, sie war wohl in den Zwanzigern. Und schön.

Damals gab es das Tramper-Monats-Ticket, damit konnte man einen Monat lang durch Deutschland, beziehungsweise damals die BRD, reisen. Einmal für wenig Geld kaufen, einen Monat nicht mehr schwarzfahren. So verbrachten wir unsere Sommerurlaube. Mit Rucksack, Zelten und chaotischen Fahrplänen, die wir nach Lust und Laune eh änderten.

Damals gab es noch Raucherabteile in den Zügen. Und gemütliche 6-8 Personen-Kabinen. Wenn möglich suchten wir uns ein freies Abteil, drehten unsere Zigaretten und öffneten unsere Bierdosen. Selten kamen andere Passagiere in unsere Abteile.

Ich glaube, insgesamt waren wir zu acht unterwegs. Das wechselte, je nach Vorliebe, wo man hinwollte. Zu zweit waren wir immer: sonst hätte es mit den Zelten nicht gereicht. Und alleine wollte auch niemand von uns fahren.

Von München nach Hamburg.
Wir waren in Kiel, in Flensburg, in Bremen, in Heidelberg, Bielefeld, Münster, Cochem, am Bodensee, Frankfurt, in Lüneburg, in Bodenmais, in Miesbach und in St. Peter Ording und was weiß ich jetzt noch, wo überall.
Überall. wo uns unsere Lust und Laune gerade hintrieb.
N paar Jahre später Rio Reiser auf seinem ersten Solo-Album „Oh es ist ein schönes Land – Bei Nacht“.
Wir fanden es damals spannend.
Das Land, die Zugfahrten, die Zeltplätze.
Das Leben.
Und das Gefühl von Freiheit und dem alleine unterwegs sein.


„Auf einem Trip zu ficken ist göttlich“.

Ich hatte noch nie einen Trip genommen, hatte auch noch nie gefickt.
Ich war in der Phase meiner Petting-Erfahrungen. Und beim Kiffen konnten mir Billig-Dealer alles Mögliche anbieten, aber immerhin funktionierte der Patschuli getränkte Maggi-Würfel nicht mehr.
Ich hatte keinerlei Ahnung von Drogen, außer vom Bier.
Und von Apfelschnaps und Persiko – da wusste ich schon, dass man da die Finger von lassen musste!


„Noch göttlicher ist es, auf einem Trip zu kotzen.“

Ich war verwirrt. Natürlich war ficken göttlich. Hätte ich doch bloß diese Erfahrung schon gehabt!
Gekotzt hatte ich schon öfters. Pubertäre und postpubertäre Alkohol-Exzesse. Gehörten einfach zum Erwachsenwerden dazu. Fand ich aber nie reizvoll und ließ die Alkoholika, die mich zum Kotzen brachten in der Regel dann auch einfach weg. Und jetzt sollte es Momente geben, wo kotzen göttlich wäre?


Ich sah die Titten unter ihrem Top (nee, sah ich nicht, malte mir das aber aus) und ihre langen Beine unter dem Mini-Rock. Für meinen Geschmack war sie zu stark geschminkt und roch zu sehr nach irgendeinem Parfum (wahrscheinlich teuer, aber da hatte ich nun wirklich keinerlei Ahnung). Aber wenn schon Ficken und Kotzen göttlich wäre, dann war sie es auf alle Fälle.

Der Beweis dafür war mein Ständer, der gegen den Reißverschluss meiner Jeans drückte. Mehr Beweise brauchte ich nicht.

Jürgen und ich hatten zuerst dieses Abteil für uns alleine gefunden, reserviert ab Bremen, ab da würden wir uns andere Plätze suchen. So öffneten wir uns eine Dose Karlsquell und sahen relaxed der langen Fahrt (ausnahmsweise ohne Umsteigen) entgegen. Irgendwo stieg sie zu und kam in unser Abteil und da wir gut erzogen waren, boten wir ihr natürlich auch ein Bier an.

„Ich steige eh in Bremen aus. Und ich bin lieber bei euch Jungens, als bei irgendwelchen Spießern im Abteil.“

Und damit hatte sie schon nach ein paar Sekunden unsere Herzen gewonnen.

Natürlich hatten wir unsere Christiane F. gelesen. Und jetzt saß die Luxus-Ausgabe von ihr in unserem Abteil.
Und erzählte von Drogenräuschen und Ficks und unsere Augen wurden immer größer.

Klugerweise ließen wir es diesmal bleiben, Angeberstories zu erzählen, sie hätte uns sofort durchschaut.



Über 35 Jahre später finde ich Kotzen noch immer nicht göttlich. Egal, in welchem Zustand.
Und Ficken ist für mich im klaren Zustand am göttlichsten.
Meine Drogenerfahrungen sind im Laufe der Jahre gewachsen, meine sexuellen Erfahrungen ebenfalls.

Aber ich glaube, sie hat uns damals auch einfach nur tierisch verarscht:
Zwei grüne Jungs, denen sie irgendeinen Scheiß erzählen konnte und die auf alles abfuhren, was sie sagte. Und es hat ihr Spaß gemacht und sie bekam mehrere Bierdosen geschenkt. Und wir glaubten ihr jedes Wort.


Immerhin:
Ein halbes Jahr war sie in meinen Träumen meine Wichs-Vorlage.

35 Jahre später kann ich mich ja auch mal dafür bedanken.


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