Dienstag, 22. Mai 2012

Passt bloß auf, wo der Pfaffe seine Finger hat!


Passt bloß auf, wo der Pfaffe seine Finger hat!

Das Ganze nennt sich „Heilige Erstkommunion“. Und ist ein Versprechen und erneuter Eintritt der Kinder in die Glaubensgemeinschaft und religiösen Riten der katholischen Kirche. Sie müssen ne Glaubenswäsche und Schulung über sich ergehen lassen und bekommen dann zum ersten Mal die Hostie (ein Symbol für den „Leib Gottes“ oder so) und – das ist für die Kinder wichtig – massig Geschenke. Bei den Evangelischen heißt das Konfirmation und passiert ein paar Jahre später, dementsprechend sind die Geschenke größer. In der DDR hieß das Jugendweihe und war das gleiche Brimborium, bloß ohne Kirche.
Ausnahmsweise sind die katholischen Kirchen an solchen Sonntagen voll. Das ist sonst selten und immer seltener der Fall in unserem Land.
Die Jungen tragen Anzüge oder zumindest Sakkos und die Mädchen weiße Kleider und Lackschuhe. Teuer das Ganze, genau wie die anschließenden Familienfeiern. Aber es gibt ja auch genug zurück…

Letzten  Sonntag war ich dann reif und war Besucher oder Gast einer solchen Veranstaltung.

Ich habe es über fünfzehn Jahre geschafft, keine Kirche mehr zu betreten. Außer bei Beerdigungen und das zählt nicht, da ich da mit meinen Gedanken eh immer ganz woanders bin.
Ich gestehe, ich bin immer noch zahlendes Mitglied im Verein der römisch-katholischen Kirche. Früher war das Jobbedingt, als Krankenpfleger und Altentherapeut finden sich die meisten Arbeitsplätze in kirchlicher Trägerschaft und da macht sich ein Kirchenaustritt nicht so gut. Jetzt sind es einfach Schusseligkeit und Bequemlichkeit, die mich bisher an einen Kirchenaustritt hinderten.
Dabei bin ich kein überzeugter Katholik, ich würde mich ja noch nicht mal als Christ bezeichnen. Ich weiß nicht, ob es einen Gott gibt und es ist mir egal. Manchmal wünschte ich mir, an etwas glauben zu können. Aber irgendwie funktioniert das bei mir nicht. An einen autokratischen, strafenden Herrscher glaube ich aber auf keinen Fall!
Und die straffe und undemokratische Struktur der katholischen Kirche verabscheue ich.



Wir Katholikenkinder

„Er lachte viel und spielte Tischtennis mit uns
er sang zur Gitarre
und war unser aller Freund
als er mich überall streichelte
und dann meine Hand nahm und um sein Glied legte
dachte ich nur
ich kann ihm nichts verweigern
und dass es unser Geheimnis sei
und ich nichts sagen dürfte
Nur
dass ich an diesem Geheimnis zerbrochen bin
und
dass ich jetzt erfahre
wie viele von uns zerbrochen und geschändet wurden
-
Er ist dann in eine andere Gemeinde versetzt worden
…“



Mit der Muttermilch wurde uns die Sünde eingetrichtert
Wir konnten noch nicht laufen
aber waren schon schuldig
Und lernten beichten bevor wir sündigen konnten
Reue überdeckte Spaß
Statt aufrechter Gang wurde uns das Knien beigebracht
Sonntags ging es in die Kirche
und was die Nachbarn dachten
war wichtiger als eine glückliche Kindheit
Unsere Eltern wollten stolz auf uns sein
statt uns zu lieben
Komischerweise wuchsen wir trotzdem auf

Kommunionskleidung und Messdienergewand
und beim Weihrauch kippten wir schon mal um
Wenn wir Glück hatten und schlau waren
hörten wir weg
während die Pfaffen vom Himmelreich sprachen
und uns Duckmäusertum predigten
Die Nächstenliebe durften wir praktizieren
aber bloß nicht zu sehr
Die Scheinheiligkeit und der Zölibat
ließ viele von uns zu Opfern werden
In Berufsgruppenzugehörigkeit stehen Geistliche ganz vorne
in Kindermissbrauchstatistiken

Als Katholikenkind fällt es schwer
an einen Gott zu glauben
Hexenverbrennungen, Kreuzzüge, geweihte Panzer,
dogmatische Unfehlbarkeitsansprüche von Tattergreisen
Heuchelei und Lüge
Gold, Prunk und Macht
verhungernde Kinder, ermordete Kinder, geschändete Kinder
und ein großes Nein zur Sexualität und Verhütung
Die Kirche als Verbündeter der Aidsverbreitung
Homosexualität ist Krankheit
Evolution beinahe Teufelswerk
und die Erde am liebsten noch immer eine Scheibe

Ich habe nichts gegen Religionen
manchmal würde ich selber gerne glauben und beten
Der Katholizismus hat es mir verdorben
das ist aber auch das einzig Gute, was mir dazu einfällt


Das Gedicht habe ich 2008 geschrieben. Es bleibt aktuell.
Mittlerweile sind noch wesentlich mehr Fälle von Kindesmissbrauch an die Öffentlichkeit gekommen. Und ich befürchte eine sehr hohe Dunkelziffer.
Für mich liegt es auf der Hand, warum gerade der Katholizismus einen Nährboden für Übergriffe bietet:
- Die sexualfeindliche Scheinmoral.
- Die vorgegebene Enthaltsamkeit der Priester.
- Die traditionelle Machthörigkeit und Machtgeilheit der katholischen Kirche.
Wenn es schon Sünde ist, nur an Sex zu denken, dann sündigt jeder Pfaffe. Und wenn er das Gefühl hat, eh schon zu sündigen, dann ist die Schwere der Sünde irgendwann fast egal.
Scheinheiligkeit. Seit Jahrhunderten. Mir kommt da etwas hoch…

Ich war als Kind Messdiener. Das war damals jeder gute Junge aus der Nachbarschaft. Und im Gemeindesaal konnten wir Tischtennis und Billard spielen. Außerdem war ich Pfadfinder bei der DPSG. Die waren okay und mittlerweile glaube ich, dass die Pfadfinderei einen guten Teil meiner Sozialisation ausmachte. Wir wurden abenteuerpädagogisch betreut bevor es dieses Wort überhaupt gab. Und wir lernten Solidarität und kritisches Hinterfragen und Einsatz für die Schwächeren. Mit Katholizismus hatte das wenig zu tun, mit Christentum vielleicht wesentlich mehr. Ich denke, dass es immer noch viele fortschrittlich denkende Menschen in den Gemeinden gibt. „Kirche von unten“ und so was. Aber die meisten denkenden Menschen haben wohl irgendwann die Schnauze voll und treten aus der Kirche aus. Und das machen sie nicht wegen der Kirchensteuer.

Religionen an sich sind ja nicht nur schlecht. Der Islam, der Buddhismus, das Judentum, das Christentum, Naturreligionen,…:
In allen Religionen finden sich schöne Geschichten und sinnvolle Verhaltensregeln.
Aber irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass alle religiösen Brauchtümer von irgendwelchen Menschen erfunden wurden, um andere Menschen besser führen und regieren zu können.
Und da regt sich ein sehr starker Widerwille bei mir.
By the way: „Religion ist Opium des Volkes!“ oder “Religion ist Opium für das Volk!”?
Ich könnte ja nachschlagen, finde es aber einfach spannend, beide Sätze erst mal stehen zu lassen…

Ich weiß, ich schwafele und schweife ab.
Also: Letzten Sonntag fand ich mich dann also plötzlich in einer Kirche wieder. Meine Frau neben mir mokierte meine verschränkten Arme und meine Abwehrhaltung, aber ich blieb recht brav und ließ das Ganze über mich ergehen. Ich machte sogar die Turnübungen mit Aufstehen und Hinsetzen mit, weigerte mich bloß, zu knien. Die Bänke waren natürlich total ungemütlich, das haben wohl alle Kirchen gemeinsam.
Es war eine dieser neumodischen Kirchen aus den Siebziger oder Achtziger Jahren. Irgendwie wirkte der Raum recht nüchtern, aber ich fand das in Ordnung: dieser Prunk und dieses Gold der alten Gotteshäuser erinnerte mich stets an die Ausbeutung der Menschen, die diese Kirchen errichtet hatten.
Die Orgel klang scheiße aber ich weiß nicht, ob das vielleicht nur an dem wirklich schlechten Organisten lag (Doch! Das kann ich beurteilen!). Das wurde aber an Peinlichkeit noch von den Musikern des Kirchenchores überboten: In Zeiten des Sakro-Pops (Heißt das so?) spielte (wohl als Anlehnung an die Moderne) eine Gruppe aus Schlagzeug, Gitarre und drei falsch gestimmten Querflöten die neuen Kirchenlieder, die von einem akzeptablen Chor gesungen wurden. Tapfer stimmten die Frauen und Männer ihren Gesang gegen die fürchterlichen Flöten an, sie hatten keine Chance, da die Lieder zusätzlich noch aus fürchterlichen Melodien und albernen Texten zusammengesetzt waren.
Wenn selbst ich mir die alten Melodien und Lieder herbeisehnte, dann muss das wirklich sehr schlecht gewesen sein!
Die Liturgie war beinahe wie früher. Und der Pfaffe schaffte es nicht, die Kinder, um die es ja eigentlich ging, glaubwürdig einzubinden. Er versuchte es auch gar nicht und zog lieblos sein Ding durch. Aber ich glaube, dass das nicht überall so ist. Ich kenne nette Pfaffen, sogar nette katholische Pfaffen.
Und anderthalb Stunden ist für ein Rockkonzert zu kurz – aber für eine Messe viel zu lang!
Es schrie am Ende auch niemand nach einer Zugabe.

Nach der Kirche wurde es dann wirklich schön. Und das Kommunionskind wünschte sich von uns ein Fußballtrikot, dass sie dann auch bekam (Nee - noch bekommt: die Lieferung verzögert sich…). Das find ich klasse. Ich schenke Mädchen gerne Fußballkram. Und ich brauche ja niemanden zu verraten, dass es sich um ein Bayern-Trikot handelt…





1 Kommentar:

  1. Ich fands immer grausam Sonntagmorgens zur Kirche latschen und die "Familienehre" hochhalten zu müssen, während meine Mutter den Braten schmorte und Kartoffeln schälte und mein Vater beim Frühschoppen in der Kneipe saß. Messdiener war ich wohl auch mal, wenn auch nur kurz. Einmal standen wir nach der Messe in der Sakristei und ich fragte den Pfaffen nach irgendwas aus seiner Predigt, was ich nicht verstanden hatte, was mich aber interessierte. Seine Antwort war: "Geh nach Hause und frag deine Mutter." Tscha, Fragen zu stellen ist in der Kirche eben nicht oportun. Damals nicht, und heute auch nicht. Und deshalb bin ich auch ausgetreten und setze voller Überzeugung ein dickes AUSRUFEZEICHEN hinter Dein Gedicht!

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