Freitag, 15. Juli 2016

Space Cadet, folglich nochmal ein Extraball



Okay, jemand, der einen Gedichtband mit dem Titel „ExtraBall“ veröffentlicht, muss wohl Flipper-verrückt sein.
Geboren, um ein Pinball Wizard zu werden.
Oder so.

Heute ist einer dieser Abende.
Ich habe den guten alten „Space Cadet Pinball“ wieder entdeckt und auf meinen Compi gepackt.
Ein einfaches, aber wirklich Flipper-nahes Computerspiel.
Und ich zocke mir die Gedanken aus dem Kopf.

Was soll ich auch anhand Nizza und all der Scheiße und überhaupt machen?
Zu allem Überfluss hat Claudia ne Sommergrippe.
Also flippere ich.
Schreiben oder malen oder Gitarre spielen wäre zwar kreativer, aber nicht so dumpf.
Und dumpf kommt gut.

„Paul ist Tod. Kein Freispiel drin.“
Ich bin noch ungeübt. Aber ich befürchte, dass wird noch…

Und jetzt bin ich wirklich und endlich in den HighScore reingerutscht (den ich vor über zehn Jahren selber erstellt habe…)!

Natürlich ersetzt ein Compi keinen richtigen Flipper, aber den kann ich mir nicht leisten (der „Eight Ball“ und der erste „Star Trek“ waren geile Dinger!). Und habe auch nicht den technischen Plan, um so ein Gerät aufzumöbeln.
Am Compi geht halt auch, bloß die „y“ und die „.“ Taste werden etwas leiden…

Und zur Feier des Tages (trotz Nizza) hänge ich jetzt zumxten Mal das Gedicht „ExtraBall“ hinter diesen Text:

Extraball

Ich weiß noch
wie wir uns abrackerten
am Star Treck oder am Eight Ball
das waren uns die liebsten Flipper
und wir hauten mit unseren Fingern auf die Knöpfe
spielten mit ganzem Körpereinsatz
und waren immer an der Grenze
zum Tilt
oder zum Game Over

Locker aus der Hüfte raus
war das Erfolgsgeheimnis
Es galt auch für andere Sachen

Auf der schmierigen Glasplatte stand der Aschenbecher
und das Bier auf einem Barhocker neben dem Flipper
und wir wechselten uns immer ab
auf der Jagd nach neuen High-Scores
Wir spielten zusammen
gegen den Kasten
und jubelten über jeden Extraball
der das Spiel verlängerte
und ein weiteres Freispiel
in realistische Nähe brachte

Die Kneipe war damals rauchverhangen
und es fanden sich Mitspieler
Immer
Zur Abwechslung maßen wir uns auch
am schmutzigen Billardtisch oder am Kicker
um letztendlich bei den Würfeln zu landen und Tequilas auszuspielen

Harte Nächte
harte Zeiten
und ich habe wirklich keinerlei Ahnung mehr
wie ich das damals finanziert gekriegt habe
mein Deckel war oft beängstigend voll
aber irgendwie am Ende des Monats immer bezahlt

Laute Musik aus den Boxen
Gespräche und Baggereien am Tresen
Joints vor der Tür um die Ecke
und wenn ich Glück hatte
ein geiler One-Night-Stand
aber den nahm ich nur mit
darum ging es nicht
Eigentlich ging es
um das Leben
und eigentlich
war dass das Leben:
Möglichst viele Extrabälle
und Freispiele und High-Scores
und legendäre Siege am Kicker
bei Zigaretten, Bier und Musik
Ich brauchte nicht mehr

Wir verabredeten uns nicht
wir waren eh immer da
Irgendeinen traf man jeden Abend
Das Leben war ein Spiel
und das fertige Inventar am Tresen die Schattenseite
zu der wir natürlich nie gehören würden
da waren wir uns sicher

Jetzt
30 Jahre später
kenne ich keine Kneipe mehr
die ähnliche Anziehungskraft
wie meine damalige Stammkneipe auf mich hat
Die Kneipen meiner Jugend haben alle dicht gemacht
Statt am Flipper
haue ich mit meinen Fingern auf die Tastatur meines Laps
zu Hause am nächtlichen Schreibtisch
Und es ist nix mehr mit
aus der Hüfte heraus
während mein Nacken schmerzt
und ich ganz andere High-Scores probiere

Nein
ich vermisse es nicht
Nein
ich bereue gar nichts
Ich erinnere mich gerne
mit einem Grinsen im Gesicht
das ist es aber auch schon

Mein heutiger Extraball ist mein geschenktes Leben
Ich genieße jede Sekunde und kämpfe
um ein weiteres Freispiel zu erreichen
Nicht aus der Hüfte
dafür aber aus tiefstem Herzen
oder so ähnlich


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