Sonntag, 4. Dezember 2016

Ich hasse alles - ich liebe euch und das Leben



Ich hasse euch alle.
Ich hasse die Menschen in Dland, in meinem Dorf, meine Familie, meine Freunde, unseren Hund, meine Frau und mich.
Ich hasse alle.
Ich höre auf, zu rauchen.
Nicht, weil ich will. Ich will nämlich gar nicht.
Aber ich muss.


Und das hasse ich auch, obwohl ich es einsehe.


Und jetzt habe ich das meiner Frau und den Ärzten (ja, die hasse ich auch) versprochen und ziehe das durch, weil ich die Notwendigkeit halbwegs nachvollziehen kann.

Noch n paar letzte Kippen heute Abend und dann ist Schicht.
Ich werde mein Arbeitszimmer durchlüften, die Vorhänge und Decken waschen, den Boden wischen und alle Tabak- und Nikotinreste entfernen. Danach mache ich drei Räucherstäbchen an und lüfte extrem. Dann kommen meine 19 Zippos und 2 Tabakboxen in eine Kiste, die Aschenbecher in den Schrank und ich behalte nur noch zwei Einwegfeuerzeuge für die Kerzen.
Ich bin damit nicht zufrieden und auch nicht zuversichtlich:
Ich liebe es, zu rauchen und es gehört irgendwie zu mir und ich kann mir nicht vorstellen, dass das ab Morgen Geschichte ist.
Und natürlich scheiße ich auf alle Tipps, die mir das Aufhören erleichtern.
Ich habe relativ spät angefangen zu rauchen. In meiner Teenie Zeit hatte ich noch ein Anti-Raucher-Poster in meinem Zimmer hängen. Aber mit 16/17 hat es mich dann gepackt. Und ich wurde zum Kettenraucher. Bleiben 38 Jahre an der Kippe, nein: 37, denn nach meiner Krebs-OP hatte ich schon mal beinahe ein Jahr aufgehört.
Und jetzt muss Schicht sein.

Gerade nach einem Mundhöhlenkrebs mit all seiner Scheiße und gerade mit einer COPD ist es eigentlich selbstverständlich, dass der Kinderkram der Kippen irgendwann mal vorbei sein muss.
Verstehe ich voll und ganz.
Und die Abneigung meiner Frau und ihre körperlichen Intoleranzen gegen Rauch sind überzeugende Argumente.
Auch Hunde sollen ja negativ auf rauchende Herrchen reagieren (naja…).
Und meine gelben Finger und der Gestank in den Gardinen, Decken und meiner Kleidung.
Ganz zu schweigen von der wahnsinnigen Kohle, die ich in Rauch aufgehen lasse!
Trotzdem.

Irgendwie will ich nicht aufhören.

2016 hat mich gefickt.
Und ich weiß nicht, ob ich unbedingt noch die Kraft habe, weiterzumachen.
Meine Entscheidung, mit dem Rauchen aufzuhören, die erneuten OPs und ihre Risiken auf mich zu nehmen ist ein JA zum Leben.
Ich mache das Claudia zu Liebe. Und bin selber nur halb (aber immerhin!) überzeugt.
Eigentlich reicht mir die Scheiße auch. Und ich kann nicht mehr.
Anyway: Ich habe jetzt entschieden, dass es weitergeht.
Ohne Tabak. Mit weniger Kaffee, wenig Bier und ganz viel Liebe.
Und vielleicht dann irgendwann auch wieder mit Zähnen und ner Lebensprognose, die über Jahre und nicht über Monate geht.
Wer weiß, vielleicht sogar mal nit nem Besuch und ner Lesung bei euch – wo immer ihr auch wohnt.
Und mit neuen Büchern von mir.

Auch wenn ich keine Ahnung habe, wie ich die ohne meine Zigaretten am Schreibtisch schreiben kann.

Ich hasse euch alle.
Mein Vorgriff auf nikotinfreie Aggressionen.
Ich liebe euch alle.

Sonst hätte es eh keinen Sinn…




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