In 12 Tagen geht es los.
Und ich freue mich drauf und werde wahrscheinlich wieder die
meisten Spiele gucken (und dabei die Nacht zum Tag machen, aber ich kann es mir
leisten…).
Alle vier Jahre gucke ich ne Masse Fußballländerspiele,
verliebe mich in die Underdogs, die plötzlich geilen Fußball zeigen, fiebere
manchmal sogar heimlich mit der deutschen Mannschaft mit.
Nein: Nicht aus einem platten Patriotismus heraus, auch
nicht, weil ich „Schland“ liebe.
Ich werde auf gar keinen Fall irgendetwas schwarzrotgoldenes
in meiner Wohnung, an meinem Auto oder gar an mir dulden!
Aber das ist halt die Mannschaft, zu der ich den größten
Bezug habe, weil ich die meisten Spieler aus der Bundesliga kenne. Und mich
über die Bayern ärgere, mich über die Doofmunder freue und Christoph Kramer
absolut geil finde (irgendwie immer noch n Bochumer…).
Fußball-WM in Brasilien?
Geil. Da gehört sie hin!
Das Mutterland des Fußballs (Sorry, England…). Party. Samba.
Oder so.
Oder vielleicht auch ganz anders?
Mir ist durchaus bewusst, dass es in Brasilien extreme Armut
gibt. Soweit ich weiß findet in diesem Land ein langsamer
Demokratisierungsprozess statt. Und ein ziemlich starker wirtschaftlicher
Aufschwung, der aber wieder einmal nicht der Bevölkerung zugute kommt.
Brasilien ist bekannt für enorme Korruption, für eine starke
Drogenmafia, die beinahe alleine in den Favelas herrscht. Brasilien ist bekannt
für paramilitärische Mörderschwadronen und eine äußerst brutale und zutiefst
verlogene Polizeigewalt.
Brasilien ist Sinnbild für Kapitalismus in seiner
menschenfeindlichsten Form.
Brasilien hat ein katastrophales Bildungs- und
Gesundheitssystem.
Da is nix mit Samba und Viva Brazil!
Die FIFA ist mindestens so korrupt wie das brasilianische
System, da brauche ich nicht mal Katar als Beispiel nennen. Zwei haben sich gesucht
und gefunden.
Für die Fußball-WM wurden Stadien gebaut, die niemand
braucht. Unsummen Geld wurden ausgegeben, das in anderen Bereichen – vor allem
im Sozialwesen – nötig gewesen wäre. Favelas wurden geräumt und gesäubert. Mit
brutaler Gewalt der Polizei und Todesschwadronen. Die Straßenkinder wurden
deportiert und ermordet (auch wenn die Belege für Massenerschießungen fraglich
sind – jedes Opfer ist eines zu viel!).
All das vergesse ich nicht wenn der Ball rollt!
All das darf nie in den Hintergrund geraten!
Ich freue mich auf die Fußball-WM. Die Brasilianer freuen
sich nicht.
Statt Fußballfieber ist das Straßenfieber in Brasilien
ausgebrochen.
Die Ungerechtigkeiten und die sozialen Missstände führen nun
zu Protesten, die gewaltsam niedergeprügelt werden.
Nein: Da nutzen nicht irgendwelche Krawallmacher die WM, um
auf sich aufmerksam zu machen.
Ja: Da wird die korrupte und unsagbar ungerechte
brasilianische Wirklichkeit durch die Praktiken der WM-Vorbereitung noch
verstärkt. Und das führt zu Krawall.
Ja: Ich finde den Straßenkampf gut und unausweichlich und
die Demonstranten haben meine vollste Solidarität!
Die Brasilianer sind fußballverrückt. Sie freuen sich nicht
auf die WM, weil ihnen die Scheiße bis zum Hals steht.
Brot und Spiele funktioniert hier endlich mal nicht mehr.
Trotz all dem freue ich mich auf die Balltreterei.
Weil ich Fußball liebe.
Das heißt ja nicht, dass ich die ganze Scheiße ignoriere.
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