Donnerstag, 14. Februar 2013

Zum gestrigen Geburtstag von Peter Gabriel



Zum Geburtstag von Peter Gabriel stelle ich mal nen Auszug aus meinen Roman „Ausgehöhlt“ in diesen Blog.
So habe ich Peter erlebt und ich würde ihn gerne auf seiner diesjährigen Tour wieder erleben, aber die Konzertpreise sind unerschwinglich und ich finde, irgendwann muss man sich dieser Wahnsinnspreise auch verweigern:

Es ist Mitte Juni im Jahr des Krebses. Thomas, Anne, Jürgen und Susanne holen mich ab. Ich habe eine lange Unterhose an, drei Sweat-Shirts übereinander und noch meine Lederjacke. Dazu meinen schwarzen Stetson, den mir Anne vor zwei Monaten geschenkt hat, da ich eigentlich keine Sonnenbestrahlung haben darf. Es ist 18.00 Uhr und wir fahren nach Gelsenkirchen zum Amphitheater. Peter Gabriel gibt sich die Ehre.
Ich verfolge Peters Meisterwerke seit seiner Zeit als Frontmann bei Genesis, damals, als sie noch Musik machten. Mehrere Konzerte von ihm bleiben mir in ewiger Erinnerung. Zusammen mit Tony Levine und David Rhodes beschert  er uns wahnsinnig geile Songs und Rhythmen, die mich seit langem schweben lassen. So war mir klar, als ich zum ersten Mal von diesem Konzert in Gelsenkirchen las, dass ich hier mein Konzertbesucher-Comeback probieren werde.
Auf dem Weg zum Amphitheater bewölkt es sich bedrohlich. Als wir den Bulli von Thomas parken, beginnt es zu donnern und die ersten Tropfen fallen. Die Schlange vor dem Einlass ist lang, es beginnt ein tierischer Gewitterschauer. Ich bekomme Angst, entschuldige mich und verkrieche mich erstmal wieder in den trockenen Bulli. Nach einer halben Stunde hört das Gewitter auf und ich begebe mich zu meinen Freunden, die in der Schlange schon weit nach vorne gekommen sind. Kurze Zeit später können wir das Gelände betreten.
Das Amphitheater Gelsenkirchen liegt direkt am Rhein-Herne Kanal. Auf den Betonstufen (und fürsorglich, wie ich momentan manchmal bin, habe ich ein Kissen dabei…) sitzt man im Halbkreis und blickt auf die Bühne und den Kanal. Äußerst idyllisch das Ganze.
Ich zittere, mir ist wie immer kalt. Ich bin nervös: Werde ich angestarrt? Kann ich durchhalten?  Meine Freunde geben mir Sicherheit und Geborgenheit und schließen mich in ihrer Mitte ein. Natürlich ist gerade heute mein Kopfrauschen wieder extrem. Scheiß drauf!
Die Vorgruppe fließt an mir vorbei. Spürbar steigt die Erwartung des Publikums. Und dann kommt endlich Peter.
Die Konzerte von ihm, die ich bisher erleben durfte, waren alle von technischen Spielereien und Gimmicks umgeben. Peter Gabriel spielt nicht nur seine Lieder, er bietet eine visuelle Show der Extraklasse. Auf dieser Tour, die er selber als „Warm-Up-Tour“ bezeichnet, ist dies eingeschränkt. Blaues, tiefes Laserlicht in einer Art Lichtgitter: That’s all.
Und das ist verdammt gut und passend in dieser Umgebung. Die ersten fünf Lieder bin ich nicht hundert Prozent bei der Sache. Mein Tinnitus nervt mich doch extrem und ich habe das Gefühl, dass der Sound nicht ganz stimmt. Die Gitarren von David und der Bass von Tony dringen nicht voll zu mir durch, das Schlagzeugspiel überzeugt mich nicht. Ich erinnere mich an die Konzerte mit Manu Katche am Schlagzeug und das war unschlagbar. Die ersten Gänsehäute beschert mir Peter dann mit „Washing of the water“. Ein Stück, wie extra für dieses Gelände und mein Feeling geschrieben. Und die Stimme von Peter Gabriel erreicht die Höhen, spielt mit der Melodie und lässt mich schweben.
Ab jetzt wird es einfach wunderbar. Bei „Blood of Eden“ meine ersten Tränen. Und Gabriel spielt wahrhaftig „Moribund The Burgermaster“ von seiner ersten Soloplatte! „Family Snapshot“ singt er auf Deutsch und natürlich verstehe ich kein einziges Wort, was aber völlig egal ist.
Kurze Atempause, während seine Tochter Melanie singt. Okay, das ist seine Tochter. Aber trotzdem hat sie nicht sein Format. Aber dann: „I Grieve“!

“it was only one hour ago
it was all so different then
nothing yet has really sunk in
looks like it always did
this flesh and bone
its just the way that we are tied in
but there’s no-one home

i grieve for you
you leave me
'so hard to move on
still loving what’s gone
they say life carries on
carries on and on and on

the news that truly shocks is the empty empty page
while the final rattle rocks its empty empty cage
and i can’t handle this

i grieve for you
you leave me

let it out and move on
missing what’s gone
they say life carries on
they say life carries on and on and on

life carries on
in the people i meet
in everyone that's out on the street
in all the dogs and cats
in the flies and rats
in the rot and the rust
in the ashes and the dust
life carries on and on and on and on
life carries on and on and on

it’s just the car that we ride in
the home we reside in
the face that we hide in
the way we are tied in
life carries on and on and on and on
life carries on and on and on

did i dream this belief?
or did i believe this dream?
now i will find relief
i grieve“

Ich habe das Gefühl, als würde Peter Gabriel für mich singen. Ich habe das Gefühl, als würde Peter über mich singen. Natürlich völliger Blödsinn. Aber schön.
Innerlich singe ich mit. „I grieve“ – ich trauere. Ich trauere um meine Gesundheit, ich trauere um meinen Oberkiefer, ich trauere um meine Zähne. Ich trauere, weil ich nie mehr laut singen kann. Ich trauere, weil ich kaum noch tanzen kann. Ich trauere, weil ich wahrscheinlich nie mehr unbeschwerte Körperlichkeit erleben werde. Ja. Ich meine Sex.  Aber: „Live carries on and on…“
Ich weine. Die Tränen fließen und ich versuche, dass zu verbergen. Anne nickt mir zu, zwinkert mit den Augen.
Es ist okay. Es ist wunderschön. Das Leben geht weiter.

Melanie Gabriel, Angie Port, Richard Evans, Jed Linch, vor allem David Rhodes und Tony Levine begleiten den Meister perfekt. Klar, man merkt, dass dieses Programm, das die Zuschauer selbst auswählen durften, noch nicht hundertprozentig eingespielt ist, aber das ist völlig Wurst. Und dann als letztes Stück und als Höhepunkt „Lay your hands on me“ und nach dem Stück singen wir das alle und holen Peter zu den obligatorischen Zugaben wieder auf die Bühne. Natürlich „Solsbury Hill“, natürlich „Sledge Hammer“ und ganz am Ende dann mein Highlight „In your eyes“. Das Publikum steht und tanzt und wahrhaftig: Es ist ungelenk und tut weh, aber ich tanze auch.
Nach über zwei Stunden habe ich es überlebt und falle völlig kaputt in Thomas Bulli.

Ich bin wieder einen Schritt weiter zurück im Leben. Musik und Konzerte sind mein Salz des Lebens. Unverzichtbar. Und wenn auch schwerlich, es geht. Und Peter Gabriel ist ein absolut würdiger Mensch und Musiker für mein Comeback. Danke Peter! Ich lebe! Und das Leben ist wunderbar.
______________________________________________________

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen