Nach 16 Tagen Urlaub inklusive Fahrt sind wir wieder
zu Hause angekommen.
Miami Platje an der Costa Dorada in Katalonien. Wunderschön!
Hin- und Rückfahrt im Auto dauerten jeweils 23 Stunden, mit
unzähligen Toilettenpausen und einigen Nervereien, aber wir schafften beide
Touren jeweils in einem durch. Ich werde körperlich wieder fitter, erkenne
trotzdem meine Grenzen und habe mich immer von Claudia ablösen lassen, wenn ich
nicht mehr konnte oder ein Risiko durch meine Müdigkeit befürchtete. So
vernünftig war ich früher nicht immer, trotzdem: Ich bin völlig platt.
Dass ich das überhaupt geschafft habe liegt auch an der
wunderbaren Strecke.
Die direkte Strecke über Trier, Luxemburg, Nantes, Barcelona
und so weiter ist einfach klasse zu fahren, scheiß auf die Maut-Gebühren (n
Lesegerät von toll erleichtert die Mautstellen in Frankreich extrem!): Es ist
entspannt und einfach schön. Macht Spaß (außer Luxemburg, aber da machen die
Benzinpreise Spaß).
Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen machen durchaus
Sinn: Durch Frankreich (130km/h) zu fahren war entspannt, durch Spananien
(110km/h, oft 90 km/h) zu langsam und nervig. Aber die 170 km/h, die ich
teilweise dann am Ende in Dland fahren dufte, machten auch Spaß. Zumal der
Geschwindigkeitskick mich wach hielt und mich zusätzlich an meine Zeit als
Taxifahrer erinnerte.
Trotzdem: Die französische Begrenzung erscheint mir durchaus
sinnvoll.
Und (fast) alle Autos hielten sich daran.
Zu uns.
Es war Giselas letzter Urlaub. Und Claudia und ich wissen
nicht genau, ob wir ihr einen Gefallen damit getan haben. In der ersten Woche
schon, da genoss sie das Meer und kam klar. In der zweiten Woche allerdings
merkten wir verstärkte Unruhe, Unsicherheiten und Bösartigkeiten. Und Gisela
konnte es überhaupt nicht ab, wenn Claudia und ich uns umarmten.
Ihr fehlte ihre gewohnte Umgebung und ihr fehlten gezielte
Abläufe und ihr fehlten Aufgaben.
Aufgaben erfüllt sie nur bedingt, selbst abtrocknen klappt
nicht mehr, und wir können unmöglich so viele Kartoffeln essen, wie sie schälen
mag.
Und auch wieder zuhause in ihrer gewohnten Umgebung werden
uns diese Probleme begleiten.
Herr Alzheimer ist ein Arschloch. Und als Lebensgefährte
einfach scheiße.
Und wenn die Person, an die er sich hängt, eh schon immer
psychische Auffälligkeiten mit Bösartigkeit gepaart zeigte, dann kann er sich
völlig ausleben.
Ich denke, so ist die Situation, mit der wir leben müssen.
Heute, wieder zuhause, wusste Gisela nichts mehr von einem Spanien-Urlaub.
Wir zeigten ihr Fotos.
Und sie sagte: „Da war ich wohl glücklich.“
War sie nicht immer. Wird sie auch nicht mehr werden. Aber
wir versuchen, ihr glückliche Momente zu schenken.
Vergangene Zeiten und Sünden können wir nicht ändern. Und
außer Claudia und mich hat sie eben alle Menschen um sich vertrieben und die
letzten gingen, als sie mit Herrn Alzheimer nicht klarkamen.
Jetzt sind wir die letzten, die zu Gisela halten.
Und kommen an unsere Grenzen.
Claudia ist in letzter Zeit – auch schon vor dem Urlaub –
natürlich oft gereizt. Und hat (und muss auch, anders geht das gar nicht) sich
Gisela gegenüber einen bestimmenden Kommandoton angewöhnt.
Manchmal klappt das Umschalten nicht. Und ich reagiere auf
solche Ansagen mir gegenüber extrem negativ, nenne sie dann ironisch und
bösartig „Chefin“, obwohl ich weiß, dass sie das ja eigentlich nicht sein will.
Und dann ziehe ich mich zurück und mache mein Ding.
Da werden wir dran arbeiten müssen.
Meine vierte Zahnung steht bevor.
Ich wollte aufhören zu rauchen und weniger Bier trinken.
Beides funktionierte im Urlaub halbwegs, ich muss es bloß noch konsequenter
jetzt danach durchziehen.
Leider nervt immer noch so viel, dass ich mir denke, scheiß
drauf. Und rückfällig werde.
Leben eben.
Wir brauchen ein Leben neben Gisela. Mit ihr, aber nicht
durch sie bestimmt.
Gerade Claudia braucht Wasser und Schwimmen. Und schöne
Sachen, ohne ununterbrochen Verantwortung zu übernehmen.
Meine Zahnung ist
verdammt wichtig. Und wird schmerzhaft und nervenaufreibend. Meine Bücher und
meine Schreiberei sind Lebenselixier für mich, da muss ich auch wieder
ernsthaft arbeiten. Und der Verkauf meiner Bücher gehört da auch zu.
Und meine Liebe zu Claudia.
Die ist eh das Wichtigste von allem.
Ich hatte mir durch den Urlaub ein Break erhofft.
Sowas, dass danach alles gut wird und wir viel Kraft haben.
Ein Neuanfang für Gisela, für Claudia und für mich.
Hat nicht geklappt.
War aber auch eine zu hohe Erwartungshaltung.
Was geklappt hat war das Meer.
Und (teilweise gar nicht so wenig) Entspannung.
Und Urlaubsbräune und wenigstens n bisschen Kraft tanken.
Und Erinnerung – und jetzt schon Sehnsucht – nach Miami
Platja und unsere wunderbare Bucht.
Finanziell, physisch und psychisch war dieser Urlaub ja eh
schon ein Drahtseilakt. Wir haben die Schlucht mit dem Drahtseil überquert.
Jetzt wieder zuhause.
Und endlich wieder mit Aron vereint.
Der freute sich total und wir auch. Dass er dann am Sonntag
einmal in den Flur gepinkelt und am Montag einmal in Giselas Wohnzimmer
geschissen hat verzeihen wir ihm. Stressabbau und Umstellung eben.
Ab heute (Dienstag) ist er wieder der alte Rüpelrüde, den wir so
lieben.
Und sabotiert meine Gartenarbeit.
Ich habe alte Blumenbeete eingeebnet und platt gemacht,
Rasen eingesät und ordentlich gegossen und unser Rüpelrüde will natürlich genau
dort buddeln und graben. Geht nicht! Ich bin der Chef! Hoffe ich zumindest…
Die restliche Rasenfläche musste auch unbedingt gemäht
werden (und das ist anstrengend, wenn man es seit Wochen immer wieder
verschoben hat…) und Unkraut (gibt es für mich eigentlich nicht, aber es nahm
überhand) musste entfernt werden und ich gab Gas.
Diese Woche bin ich Extrem-Gärtner. Als Hausmeister habe ich
auch noch genug Baustellen, zum Beispiel hat sich das Rollo in der Küche
verabschiedet und das zu reparieren ist nicht so einfach, ich muss erstmal den
Rollokasten freilegen und dann nach der Reparatur neu tapezieren und all das
nervt.
Und dann wieder Finanzexperte. Und Versicherungsfachmann.
Und MDK-Gegner (der Verschlimmerungsantrag steht an).
Irgendwie bin ich ja auch noch Dichter und Schreiber und
sowas. Aber das steht hinten an…
Der Urlaub hat n bisschen Kraft gegeben. Andererseits auch Kraft
gekostet.
Jetzt geht es eben weiter und mein Entschluss, nach dem
Urlaub richtig durchzustarten, bleibt.
Ich will wieder nach Miami Platja.
Ich will auch mal nach Griechenland.
Vielleicht in ein, zwei Jahren. Ohne Gisela, entweder mit
Freunden oder nur mit Claudia.
Wir werden irgendwann wieder einen Urlaub haben, das muss
einfach sein.
Jetzt sind wir wieder hier.
Und meistern unser Leben und unseren Alltag.
Und ab jetzt möchte ich auch wieder mehr über Musik (Beth
Ditto! Arcade Fire! Queens of The Stoneage!), Literatur und meine Bücher
(demnächst erscheinen zwei Anthologien, in denen ich dabei bin, außerdem habe
ich lange nicht mit Werbung für meine Bücher genervt…) schreiben.
Wenn ich denn dazu komme…
Habe ich schon erwähnt, dass ich ein schlechtes Gewissen
habe, weil ich mich bei meinen liebsten FreundInnen viel zu selten melde?
Geht momentan nicht anders…
Gute Nacht!
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