Mittwoch, 18. Januar 2012

Mal ein konfuses Gedicht direkt nach der Tumornachsorge

So. Wie immer nervig und frustig, aber - auch wie immer - erleichtert nach der optimistischen Diagnose. Eigentlich darf ich solche unfertigen Textideen ja nicht veröffentlichen. Das ist alles andere, aber kein fertiges Gedicht. Egal, es beschreibt meine momentane Gefühlslage:



Mal ein konfuses Gedicht direkt nach der Tumornachsorge

5 Jahre Krebs – 485 Tage verheiratet
Mein Leben zwischen Horrorfilm
und Liebeskomödie
Die Hauptrolle
in einem undurchsichtigen Drehbuch
Blutiger Splatterkram und Hochglanzkitsch in einem
aber immer Hoffnung auf ein Happy End
in einem Streifen mit Überlänge

Natürlich sprenge ich jeglichen statistischen Durchschnittswert
statistisch müsste ich längst tot sein
aber die Rentenversicherungsanstalt
wird noch lange für mich zahlen müssen
Ich bin da zuversichtlich
Meine Liebe wird währen
auch da bin ich sicher
besser spät als nie
haben wir uns für die zweite Hälfte unserer Leben gefunden
und werden gemeinsam irgendwann
alt, senil, dement und glücklich
oder so

Vor fünf Jahren überschwemmte ich
den Operationssaal
mit meinem Blut
und sorgte für Überstunden der Chirurgen
Meine Träume während der endlosen Stunden
lassen sich nicht in Worte fassen
Vor vierhunderfünfundachtzig Tagen
stand ich vor einem Standesbeamten
und war nervös und glücklich
wie ich so etwas für mich nicht mehr für möglich gehalten hätte
Und so viele glückliche Gesichter
die sich mit mir und Claudia freuten
- Mann, war das geil!

Jetzt sitze ich am Schreibtisch
voller Liebe und Lebensmut
und eine Kerze brennt und Bob Dylan aus der Anlage und
auf dem Sofa meine Frau und meine Hündin und
damit will ich keine Besitzansprüche ausdrücken
sondern einfach scheiß viel Glück und

So viele Freunde und Freundinnen drücken mir die Daumen
und ich spüre das
und sauge Kraft auf und
selbst die Gebete die für mich gesprochen werden
(doch, ich weiß von meiner Mutter, einer Tante und meiner Frau, dass
  sie für mich beten – mir ist das eher peinlich, aber ich nehme alles mit,
  was irgendwie helfen könnte und bin auch irgendwie gerührt…)
tun mir gut
Habe ich mich dafür eigentlich schon bedankt?

Zurück aus dem krankmachenden Haus
mit weiterer optimistischer Diagnose
Ich bin nicht klein zu kriegen
Und dem Mann auf der kalten Wartebank neben mir
„und täglich diese Angst und jedes Wehwechen löst Panik aus
und vor diesen Krankenhausterminen drehe ich regelmäßig durch“
wünsche ich noch
„Viel Glück und alles Gute“
und Mann,
ich meine das Ernst
Er kann es gebrauchen
Wir können es alle gebrauchen

Und jetzt ist es Zeit
das Leben zu feiern

Und damit fange ich direkt an

2 Kommentare:

  1. Antworten
    1. Hi und danke! Danke, dass es Dich gibt und dass Du schreibst. Es hilft nicht nur Dir... auch uns...besser zu verstehen. Kraft für Maja, Schmitti und Dich...Ulli O.

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