Freitag, 6. Januar 2012

Früher war alles besser

Früher war alles besser. Das Wetter, die Preise, die Moral und so. Früher war alles besser. Vor allem das Rauchen, das war früher eindeutig besser.
Mir fehlen die Rauchschwaden bei den Konzerten. Die Wolke am Hallendach, der süßliche Dopegeruch und die Zigaretten. Mir fehlt die verrauchte Kneipe. Und die Kippe in der Hand am Tresen. Mir fehlt die Geselligkeit der Raucher in den Rauchpausen bei Seminaren oder Vorträgen, es gibt immer weniger von uns.
Ich hasse es, wenn bei Konzerten statt Feuerzeugen oder meinetwegen Wunderkerzen plötzlich leuchtende Handys hochgehalten werden. Und spätestens dann ertappe ich mich bei einem „Früher war alles besser!“

Mittlerweile sind wir Raucher eine störende Minderheit. Ich weiß nicht genau, vielleicht ist das ja auch gut so. Rauchen macht gelbe Finger, gelbe Tapeten und gelbe Gardinen. Manchmal erzeugt es auch fiese Krankheiten wie zum Beispiel Krebs, aber da kann mir nichts passieren: den habe ich schon (gehabt(?)).
Nichtraucher fühlen sich durch uns extrem gestört und sie haben Recht. Aber manchmal gehen mir die Hatz auf uns Raucher und die um sich greifenden Verbote tierisch auf die Nerven. Und dann muss ich mir erst Mal eine rauchen. Zur Beruhigung.
Früher war es einfacher. Und besser. Früher war ja alles besser.

Ich habe letztens einen Ausschnitt aus einem alten „Internationalen Frühschoppen“ gesehen. Da wurde gepafft bis zum Lungenkollaps. Da wurde gesoffen. Da wurde gestritten und gelacht. Heutzutage ist das seriöser. Und Furztrocken. Ich glaube, das heißt jetzt auch anders. Egal – warum sollte ich mir das noch angucken?!

Früher waren wir Männer einfach Egomanen. Jetzt sind wir politisch und menschlich korrekt.
Chauvinistische Witze sind nicht lustig, meistens schreiben wir in der männlichen und weiblichen Schreibweise, auch wenn es den Satzfluss und Rhythmus extrem stört. Und wenn ich mich als Frauenversteher oute, dann kratzt es auch niemanden, wenn ich meine Privatfrau zu Hause zum Sex und zur Hausarbeit zwinge!
Wir nennen die Krüppel jetzt Behinderte oder Menschen mit Handicap. Deshalb müssen wir sie ja noch lange nicht ernst nehmen oder ihnen sogar einen Job geben!
Wir sagen nicht mehr Neger, nicht einmal mehr Negerküsse sind erlaubt. Wir sind korrekt. Wenn ich den Menschen mit Migrationshintergrund und afroafrikanischer Abstammung und dunkler Hautpigmentierung akzeptiere, dann kann ich ihm auch die Drecksarbeiten geben und weniger Lohn zahlen!
Nein. Das war früher nicht besser. Aber es war weniger scheinheilig.

Die Politiker von damals? Franz-Josef Strauß war ein dermaßen überzeugendes Feindbild:
Er war Reaktionär, er war zum Kotzen. Und natürlich war er bestechlich. Helmut Kohl hat uns 13 Jahre lang die Kunst des Aussitzens beigebracht. Und er war bestechlich. Helmut Schmidt hatte und hat immer eine Kippe an. Er war stolz darauf, sich nicht von der Straße regieren zu lassen. Die Straße hatte keine Wirtschaftsinteressen, die wollte Frieden, möglichst viel Freiheit und eine Demokratie. Aber die Straße wollte auch einen Helmut Schmidt. Es gibt keine Beweise, dass er bestechlich war.
Herbert Wehner war ein umstrittener Streiter. Darin war er einfach klasse. Er hat wohl mal die Kasse einer anarchistischen Vereinigung geplündert, ansonsten weiß ich nicht, wie weit seine Bestechlichkeit ging.
Früher waren die Politiker besser: alle oben genannten Politiker (ich nehme Birne jetzt mal raus) hatten zumindest Profil.
Die Profillosigkeit nahm mit Schröder ihren Anfang. Schröder hatte das Profil eines JR Evings: Grinsen und Skrupellosigkeit und absolute Macht- und Geldgeilheit. Damit traf er den Zeitgeist. Die Frage nach Bestechlichkeit wurde erst gar nicht gestellt.
Und heute: Wulff, Guttenberg und so weiter. Rösler. Westerwelle, dessen einzig positives Profil seine Homosexualität wäre, aber nur weil er schwul ist muss er ja kein fähiger Politiker sein!
Bestechlichkeit, Vetternwirtschaft und Lügen werden denen verziehen. Und das Merkel krönt über allem und lächelt. Und macht uns den weiblichen Kohl.
Und Profil haben vielleicht noch Lafontaine, Gysi (oh ja!) und Wagenknecht (oh la la!). Ist das Zufall, dass die alle in der linken Opposition sitzen? Ich gestehe einem Heiner Geißler durchaus Profil ein, leider hat der sich aus der Politik rausgezogen.
Früher war alles besser?
Man kann es ja auch positiv sehen: selten wurde die Farce der parlamentarischen Demokratie deutlicher als heutzutage!

Philippe Djian war früher eindeutig besser. Betty Blue war ein Meisterwerk! Und heute habe ich Angst vor jeder Neuveröffentlichung von ihm, die mir zeigt, dass er seinen Biss und Rhythmus verloren hat, auch wenn sein letzter Roman wieder Anlass zur Hoffnung gibt. By the way, ein Zitat von ihm, das jetzt passt:
"Die Leute um mich herum waren aufgekratzt und quatschten ohne Unterlass, aber es passierte nichts aufregendes, das Problem dieser Epoche schien darin zu liegen, wie man sich kleidet oder die Haare schneiden ließ, drinnen nach etwas zu fragen, was man nicht im Schaufenster fand, hatte keinen Sinn. Oh du meine arme Generation, die du noch nichts zur Welt gebracht hast, du kennst weder den Eifer noch die Revolte und verzehrst dich innerlich, ohne einen Ausweg zu finden."
P.P. Zahl schreibt jamaikanische Krimis, damals, bei „Die Glücklichen“ bin ich vom Sofa gesunken vor Ehrfurcht.
Bukowski ist tot. Seine zahlreichen Epigonen lösen Kotzreiz aus.
Und meine letzte Hoffnung, Karen Duve, schreibt keine guten Romane mehr, sondern glänzt in Talkshows mit moralingetränktem Veganer Geschwätz.
Früher war alles besser.

Selbst bei der Musik. Mann, war das einfach: Gitarre, Bass, Schlagzeug und ein intensiver, ehrlicher Gesang. Am besten mit intelligenten Texten, Hauptsache war aber, dass das Feeling stimmte. Und ich war intolerant und hatte meine Feindbilder.
Die Gitarre von Brian May? Noch schwuler als der Gesang von Freddie Mercury und ein absolutes Feindbild! Synthesizer? Kotz! Mainstream-Pop? Hölle!
Heute ist der Mainstream-Pop oft ehrlicher als die Punk- oder Rockmusik. Und ich bin so verdammt tolerant geworden, dass ich fast alles hören kann, solange es mich berührt. Und da das so viel ist habe ich total den Überblick verloren und bin überschüttet mit Melodien. Ich komme mir vor wie im Schlaraffenland. Einfach überfressen. Und habe Angst, die absoluten Perlen in dem großen Brei zu übersehen.
Die Musik damals war nicht unbedingt besser. Aber es war einfacher.

Ich schweife ab. Ich wollte über das Rauchen schreiben. Und dass da früher alles besser war. Meine Frau ist Nichtraucherin. Ist nichts mehr mit der Zigarette danach. Mittlerweile versuche ich sogar aus Rücksicht auf eine E-Zigarette umzuschwenken. Das ist halbwegs okay, aber nicht so toll wie eine selbstgedrehte Halfzware-Zigarette, die ich voller Genuss inhaliere. The times they are a changing, aber Dylan meinte da was Anderes. Der hat übrigens mittlerweile noch weniger Stimmvolumen, als er eh schon damals hatte.

Früher war alles besser. Und wenn ich früher diesen Satz gehört habe bin ich weggerannt und habe mir geschworen, nie so zu werden, wie die Leute, die solche Sätze sagen.

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