Sonntag, 15. Januar 2012

Fünf Jahre... mit der Bitte, mir die Daumen zu drücken...

Am kommenden Mittwoch ist es dann genau fünf Jahre her, dass ich über 13 Stunden in einem OP in Bochum-Langendreer lag und mir mein Krebs entfernt wurde.
Krebs weg, Lymphknoten weg, Zähne weg, Gaumen weg, Oberkiefer weg. Gaumen durch Haut und Fleisch meines linken Unterarms ersetzt und neu modelliert. Es floss mehr Blut als in Kill Bill, aber das könnte jetzt auch Übertreibung sein, auf jeden Fall ist es egal.
Ich lebe immer noch. Und da hätten nur äußerst wagemutige Optimisten drauf gesetzt. Nach einem Jahr (oder so, mit Zeiten werfe ich da einiges durcheinander) wurde aus meinem Hüftknochen ein neuer Oberkiefer modelliert, nach zwei Jahren (ebenso) wurden mir Implantate gesetzt und ein neues Gebiss gebildet. Für die Chirurgen und Zahntechniker war es alles andere als Fließbandarbeit und irgendwie haben sie ein Meisterwerk bei mir abgeliefert.

Ich habe überlebt, ich lebe.
Und irgendwie hat mich der Krebs nicht besiegt. In der Regel spricht man nach fünf Jahren bei den meisten Krebssorten von ausgeheilt und überstanden. Ich weiß, dass das bei Mundhöhlenkrebs nicht der Fall ist und die engmaschigen Kontrollen und die Angst mich ein Leben lang begleiten werden. Aber lasst mich doch mal träumen:
ICH HABE ÜBERLEBT UND DIE SCHEISSE IST VORBEI!

Wie es der Zufall so will ist Mittwoch also einer meiner Geburtstage und gleichzeitig der nächste zermürbende Termin im Krankmachenden Haus. Die Woche vor der Untersuchung ist psychisch der reinste Horror für mich. Vielleicht sollte ich mich nicht so anstellen, ich kann aber nicht anders.
Ich komme in diese Röhre, mir wird das Maul aufgerissen und jeder Millimeter in meinem Mundraum inspiziert, ich bekomme wahrscheinlich eine Ultraschalluntersuchung meines Hals- und Rachenraums. Eigentlich Kleinkram.
Ich denke, dass die Ärztin oder der Arzt mich dann freundlich verabschieden, mir einen neuen Termin geben wird und sagt, dass alles in Ordnung sei.

Alles in Ordnung ist genauso witzig wie die Frage, wie es mir geht (und meine standardmäßige Antwort…).

Fünf Jahre. Mann, wie die Zeit vergeht!
Ich werde nach zwanzig Minuten schlapp und unkonzentriert. Ich sabbere wie Sau. Ich verschlucke mich bei der Nahrungsaufnahme (von Essen oder gar vergnüglichem Essen kann ich leider nicht schreiben). Die Dauer und Intensität meiner Zungenküsse entsprechen in keinster Weise mehr meinen früheren Vorlieben. Ich schlafe immer wieder tagsüber kurzfristig ein. Ich artikuliere unklar. Ich sehe aus wie Gollum.
Ich bin viel zu früh gezwungen in Rente zu gehen und ich kann nicht so lange und intensiv schreiben, wie ich es eigentlich wollte und müsste.
Trotzdem waren die letzten fünf Jahre eine verdammt schöne und gute Zeit in meinem Leben, vielleicht sogar die beste.
Ich liebe, ich fühle, ich lebe, ich schreibe. So ähnlich.

Die zwei Bücher des letzten Jahres und viele Lesungen brachten mir positives Feedback.
Ich werde da weitermachen, schreibe dieses Jahr an der Fortsetzung des Romans „Ausgehöhlt“ (mit dem Arbeitstitel „Aufgefüllt“) und werde natürlich mit Gedichten und Blogs nerven.
Der Roman wird positiver ausfallen, eine lange Liebesgeschichte mit Happy End beinhalten und die nächsten Jahre meines Krebskampfes beschreiben. Und danach ist mit diesem Thema auch Schluss.

Jetzt geht es erst Mal wieder ins Krankmachende Haus. Ich habe da keinen Bock drauf. Ich hasse das. Aber es muss halt sein.
Bis Mittwoch bin ich für das wahre Leben außer Gefecht gesetzt. Am meisten muss da meine Frau drunter leiden. Aber ich bin mir sicher, dass alles gut ausgehen wird und ich nach der Untersuchung wieder einen Höhenflug erleben werde.

Liebe Leute:
Trotzdem kann bis dahin n bisschen Daumendrücken für mich nicht schaden…

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