Donnerstag, 17. Oktober 2013

Mond über der Veltins-Gasse



Da ist ein dicker fetter Mond
über der Veltins-Gasse
die es so nicht gibt
aber jetzt einfach passt

Die Brücke über der S-Bahn-Linie
ist nicht hoch genug
Zumindest nicht unbedingt
Und eine S-Bahn direkt abzupassen
ist gemein gegenüber dem Schaffner
und nicht mein Ding

Heute betrachte ich das nüchtern
ohne Absicht
und mit der Gewissheit
gleich in ein kuscheliges Zuhause einzukehren

Mein Hund
bekommt nach der Gassi-Runde sein letztes Leckerchen
und meine Frau
nimmt mich in den Arm
und plötzlich ist das Leben wieder wunderbar

Sie guckt einen Kitschfilm
und ich tippe noch ein Gedicht
und gönne mir dabei
diesen Kitsch
Mit der Gewissheit
dass es weitergeht

Da ist ein dicker fetter Mond
über der Veltins-Gasse
Wo immer die auch sein mag

Hier
ist er auch

Vergessen, verzweifelt zu sein






Wo zur Hölle sind die Geigen hin?
Ich erinnere mich an Seifenblasen
und an die Regenbogenfarben in ihnen
Ich erinnere mich an Pusteblumen
und an Sonnen -auf und –untergänge
aber ich spüre sie nicht mehr

Wie immer will ich ein Happy-End
aber mein Ende dauert wohl noch n bisschen
und eigentlich
ist das ja auch ganz gut so

Warum dringt die Musik so selten in mein Herz ein?
Ich erinnere mich
da tanzte ich durch meine Bude
- manchmal zumindest innerlich –
hatte Gänsehäute und sang mit
Das passiert mir nur noch selten
viel zu selten

Ich will wieder mein Herz spüren
und
auf alles andere scheißen

Ich glaube
mein Schutzengel hängt irgendwo stockbesoffen in einer Ecke
und macht Pause
Keine Frage – hat er oder sie sich verdient –
- fehlt mir aber trotzdem

Ich will fliegen
ohne Flugzeug und ohne Rettungsschirm
nur in mir
Ich will tanzen
egal
ob auf glühenden Kohlen
oder den Scheiterhaufen der Freiheit in diesem Land
Ich will küssen
und Kraft aus deinem Atem ziehen
Ich will leben

Ich will
leben


Beim Hören von Deutschrock:






„ich fühl mich so
 überall“
singt es in mein herz
„ich leb doch
 immer noch“
und Rio wird ewig weiterleben
in uns und seinen liedern

leben ist endlich
eine unendliche wahrheit
die ich tröstend finde
manchmal beinahe ersehne
nur mal so bemerkt

liebeslieder aus der anlage
werden mich immer packen
ich hoffnungsloser „bruder
der romantischen verlierer“

ich finde, es kann nie genug herzchen und herzen geben in dieser herzlosen welt
(obere zeile in liebe an torsten und christine)
lang lebe der kitsch!

ans meer fahren
wie tom singt
um allen zu entfliehen
was man nicht mehr erträgt

die blätter fallen wieder
werden auch wieder neu sprießen
wahrscheinlich
auch für mich

große koalitionen sind mir egal
ich tu zumindest so
illusionslos in einem land ohne zukunft

„soll das alles gewesen sein?“
die frage stelle ich mir nicht mehr
wenn das alles war                                   
ist es schon okay                         
es war genug
und es war geil
und damit habe ich eindeutig gewonnen
und keinen grund zur klage und
mehr zu erwarten
wäre zu viel verlangt

                                                         und wenn da noch was kommt
                                                         nehme ich es gerne mit

                                                                                              nur wunder:
                                                                                              die erwarte ich nicht mehr

ich bin müde
und friere
altbekannte sätze
von mir

„irgendwo in deutschland“
kriege ich meinen arsch nur langsam hoch
aber ich weiß
dass ich gewinnen kann

Wieder einmal stelle ich mir die Frage, wie ich so einen Text beenden soll. Ich weiß es nicht, ich werde es wohl nie lernen und mache deshalb jetzt einfach mal Schluss hiermit.


Montag, 14. Oktober 2013

Bischof, Lesungen, Herbst, Rhenania Bottrop, Musiklaberei und das Krankmachendehaus






Die Aufregungen über diesen Limburger Bischof finde ich niedlich.
Was wollt ihr?
Er ist Bischof. Und macht seinen Job.
Die Finanzgebaren und der Führungsstil der katholischen Kirche sind so.
Seit hunderten von Jahren.



Ich kann es ja nicht lassen.
So lese ich in diesem Jahr noch dreimal vor Publikum:

Am 23.10. um 20.00 Uhr im Cafe Antic in Castrop-Rauxel. Zusammen mit Klaus Märkert und Michael Schweßinger.

Immer wieder schön, in meiner Geburtsstadt zu sein. Und Klaus und Michael sind toll (Michael verdanke ich zudem auch meine ersten Buchveröffentlichungen).


Und:

Donnerstag, 14. November 2013, 20 Uhr
Literatur-Raststätte zum Goldenen Hahn, Oranienstraße 14a, 10999 Berlin (Kreuzberg)

Freitag, 15. November 2013, 20 Uhr
Kulturspelunke Rumbalotte Continua, Metzer Str. 9, 10405 Berlin (Prenzlauer Berg)

Zwei Lesungen in Berlin mit Marvin Chlada (Duisburg), Gerd Dembowski (Berlin), Florian Günther (Berlin), Pablo Haller (Luzern), Susann Klossek (Zürich) & Erik Steffen (Berlin)

Der großartige Florian Günther aus Berlin organisiert diese Lesungen zur Präsentation des neuen Drecksacks.

Ich freue mich auf Florian, Susann und Marvin, bin gespannt drauf, Gerd Dembowski und Erik Steffen kennenzulernen.
Und bin neugierig auf Pablo Haller: Sein „Südwestwärts 1&2“ hat mich vom Hocker gehauen. Ist die Fortsetzung der Werke der Beat-Generation. Ist einfach stark. Und dabei könnte dieser junge Dichter mein Sohn sein (nur vom Alter her, versteht mich nicht falsch!).


Meine lieben Berliner Freunde – kommt vorbei!
Allzu oft bin ich ja nicht bei Euch. Und wer weiß: So Scheiße 2013 war, vielleicht wird es ja noch schlimmer…



Das soll es dann dieses Jahr auch an Lesungen gewesen sein. Die Wohnzimmerlesung mit Ron Hard und Arnd Dünnebacke ist auf 2014 verschoben worden. Insgesamt sind dann 2013 ja doch einige Lesungen zusammengekommen.
Und jede einzelne war anstrengend, hat aber Spaß gemacht.
Für 2014 stehen auch schon zwei Termine halbwegs fest. In Ludwigsburg und oben erwähnte Wohnzimmerlesung. Ansonsten lasse ich mich überraschen und bin buchbar.
Bloß halt selber kein Veranstalter mehr!
Das sollen andere Menschen machen…



Nein. Es wird nicht Herbst. Der Herbst ist volle Kanne da!
Die Blätter fliegen von den Bäumen oder werden erst mal bunt, der Nieselregen zieht durch die Kleidung und in meine morschen Knochen und der Nebel ist zwar noch hoch, aber permanent vorhanden.
Letztes Wochenende schob ich meine Skrupel zur Seite und leitete die Lange-Unterhosen-Zeit ein.
Okay, heute konnte ich damit wieder pausieren. Trotzdem.

Ich mag den Herbst.
Eigentlich.
Dieses Jahr verleitet er mich zum Probeliegen auf den Gleisen.
Keine Panik! Das ist nur bildlich gemeint!



Dann war da noch ein Fußballspiel.
Die Mädchenmannschaft (!) der D-Jugend von Rhenania Bottrop gegen Duisburg. Eigentlich war Bottrop total überlegen, hat aber unglücklich verloren. Und ich gestehe: es hat mir mehr Spaß gemacht, als der VfL Bochum in den meisten Spielen der letzten sieben Jahre.

Ach ja:
Ich bin übrigens Bochum-Fan. Weil das Tabellenbild und die Spielkultur ideale Metaphern für meinen physischen und psychischen Zustand sind.
Abstiegskampf. Leider muss man momentan sogar den Kampf streichen…



Ich mag „Erdmöbel“ nicht.
Habe sie vor ca. zwanzig Jahren mal als absolut arrogante Arschlöcher bei einem Jugendzentrumskonzert backstage kennenlernen müssen. So ein Eindruck bleibt.
Aus Neugier habe ich mir die neue Scheibe angehört, aber ich kann da nicht objektiv urteilen. Sie bleiben arrogante Arschlöcher für mich. Und ich höre das zwischen jedem Ton ihrer Platte. Das ist einfach so. Scheiß auf „Erdmöbel“!


Bei „Backstage“ fällt mir Roger Chapman ein.
Den mochte ich mal. Und seine Hamburger Konzertaufnahme ist groß.
Als ich beim Jugendamt in Hattingen arbeitete überforderte er uns mir einer Catering-Liste, auf der unter anderem eine BADEWANNE VOLL MUNDEIS stand. Und lieferte ein lustloses, viel zu kurzes Set ab.
Seitdem mag ich ihn auch nicht mehr.


Pearl Jam mag ich. Die mag ich sehr.
Und dank eines Facebookfreundes (Hallo Arne!) habe ich gerade Popa Chubby wiederentdeckt.
Bevor ich also morgen ein Dylan-Tag einlege, höre ich mich heute durch den Blues des dickfingrigen Chubbys.
Und grinse vor mich hin.
Meine Favoriten: Sein „The Future“-Cover von Cohen. Und eine absolut geile Fassung von ebenfalls Cohens “Halleluja”!
Geil!



So.
Und jetzt ist wieder einmal und zum – hoffentlich – letzten Mal dieses Jahres das KrankmachendeHaus angesagt.
Mittwoch um 8.30 Uhr.
Und dann erst wieder im nächsten Jahr (Hope!).
Und angenehmer, als generell 2013.
Leute, gönnt mir einen entspannten Herbst und Winter!



Und damit sage ich mal wieder Gute Nacht!
Ich denke an euch, auch wenn es manchmal anders erscheint!

Freitag, 11. Oktober 2013

Absolute Empfehlung: "Wo du bist" von Sven-André Dreyer!



Ich kann normalerweise wenig mit Kurzgeschichten anfangen. So kenne ich die Munro auch nur flüchtig aus einer Anthologie. Hemingway, der hatte es drauf, ansonsten hat mich Klaus Märkert positiv überrascht und seine Geschichte „Schlagt sie tot in den Wäldern“ ist mir äußerst lieb geworden.

Und natürlich Sven-André Dreyer.

Schon sein letzter Band „Die Luft anhalten bis zum Meer“ haute mich um: Was für eine sprachliche Meisterleistung! Was für lyrische Prosa!
So war ich mehr als gespannt auf sein aktuelles Werk „Wo du bist“ ( frisch erschienen bei michason&may). Und die Begeisterung steigt nochmal.

Ja. So können Kurzgeschichten wirklich Nobelpreiswürdig sein. Und hat die Munro eine ähnliche Klasse, dann hat sie den Preis verdient.

Die aktuelle deutsche Kurzgeschichtenszene (wenn es überhaupt so was gibt) krankt ja an dem Lesebühnenfieber. Immer was Neues, immer einen Lacher und kurzfristig das Publikum fesseln. Darunter leidet die Tiefe.
Dreyer widersetzt sich dem und das ist löblich.
Er schreibt nicht für den direkten Beifall, mir erscheint es, als würde er für die Ewigkeit schreiben.

Auf dem Rückumschlag des Buches steht, dass Dreyer ein „Virtuose des verdichteten Prosa-Pop“ sei. Das ist Blödsinn. Sven-André Dreyer ist viel mehr:
Er ist ein Virtuose, seine Sprache ist verdichtet und reduziert, aber er hat viel zu viel Tiefe für Prosa-Pop.
Jedes Wort sitzt, jeder Satz dringt in dich ein. Und zwischen den Zeilen muss ich durchatmen und genießen. Dann lese ich weiter, verschlinge das Buch in einem Zug, um es am nächsten Tag ein zweites Mal zu lesen. Das passiert mir sonst nur bei außerordentlichen Lyrikbänden. Und eigentlich ist die Kurzprosa von Dreyer ja auch äußerst lyrisch.

Für die erste Geschichte („Wo du bist“) müsste ich vor Dreyer niederknien, aber das wäre dann doch überzogen.
Dreyer schreibt über Demenz eines Vaters. Und besser kann man das nicht schreiben – glaubt es mir, mein Vater litt an Demenz und ich bin tief ergriffen, über die Gänsehautverbreitende Schilderung von Dreyer.

Fast alle Geschichten handeln von Abschied und sind von Traurigkeit durchzogen. Trotzdem habe ich nach dem Lesen ein Lächeln im Gesicht.

„Wo du bist“ ist ein Meisterwerk. Und jetzt schon tief in meinem Herzen.