11 Jahre nach Kyrill beehrt uns Friederike.
Und ich kann da nur drüber lachen.
Anders, als Aron, unser Rüpelrüde, der heute nur zwei Tobe-Runden
im Garten hatte und seine geliebten Wälder auch morgen aus Sicherheitsgründen
noch nicht sehen wird.
Aber dafür geht es gleich über die Felder und morgen lasse
ich ihn auch ein bisschen stromern, wenn ich von der Blutentnahme komme.
Der 18.01.2007 war ein Donnerstag. Genau wie jetzt, 11 Jahre
danach.
Es war der Tag, an dem der Sturm Kyrill über NRW und Dland
hinwegfegte.
Davon bekam ich nichts mit.
Es war der Tag, an dem ich wegen meines
Plattenepithelkarzinoms operiert wurde. Auf dem OP-Tisch massig Blut ließ.
Starb. Wiederbelebt wurde. Und seitdem ein anderes Leben führe.
Ich wusste vor der OP, dass meine Überlebenschancen nicht
allzu groß waren. Ich wusste nach der OP, dass meine weitere Lebenserwartungen
relativ gering angesetzt waren.
Mit den Worten eines Arztes (ein Jahr später): „Warum noch
neue Zähne? Das lohnt sich bei Ihnen doch nicht!“
Es hat sich gelohnt. Und mein jetziger Kampf um erneut neue
Zähne ist sauwichtig und im Endspurt. Und ich scheine auch da wieder zu
gewinnen.
Ich habe vor elf Jahren eine heftige Strahlentherapie
überstanden. Da waren die Schmerzen und die Verzweiflung oft so groß, dass der
Suizid sich als guter Freund anbot.
Den ich aber nicht wollte, da ich viel bessere FreundInnen
hatte, die mir den Arsch retteten.
Die Chefärztin machte mich auf die Risiken der
Strahlentherapie aufmerksam:
„Wahrscheinlich bekommen Sie nach zwanzig Jahren als
Spätfolge eine Krebserkrankung. Aber ohne die Bestrahlung bekommen Sie diese
höchstwahrscheinlich schon nach einem Jahr. Und ich bin ehrlich: Eine
zwanzigjährige Lebenserwartung ist bei Ihnen unwahrscheinlich.“
Ich habe jetzt elf Jahre den miesen fiesen Krebs überlebt.
Statistisch wäre ich seit mindestens sechs Jahren nicht mehr dabei.
„So eine dicke Akte wie bei Ihnen haben wir selten…“
Zitat einer anderen Ärztin.
Ich lebe im Bonusprogramm. Bin der Extraball.
Als ich meiner geliebten Frau den Hochzeitsantrag machte
sagte ich, dass ich keine Garantie geben könnte.
Sie hat das akzeptiert und ging das Risiko ein.
Und ich hätte nie gedacht, dass ich acht Jahre mit ihr leben
dürfte.
Und jetzt denke ich nicht mehr an ein Ende.
Es kommt irgendwann.
Aber nicht jetzt.
Und da ich ja angeblich schon lange keine Zukunft mehr habe
kann ich das JETZT noch mehr genießen und leben.
Mit 80%iger Wahrscheinlichkeit wäre ich seit mindestens 6
Jahren tot.
Aber mein Mittelfinger gegen den Krebs hebt sich immer noch.
Obwohl ich mich gesundheitlich leider nicht an die
sinnvollen Lebensgewohnheiten halte: Ich rauche noch immer. Ich trinke Bier. Ich
übernehme mich bei Renovierungsarbeiten körperlich.
Aber ich lebe.
Ich kann über Friederike nur lachen. Auch wenn ich das Chaos
schon schlimm finde und mit jedem/jeder Mitleid habe, die durch den Sturm
Stress bekamen.
Aron würde Friederike beißen, da habe ich vollstes
Verständnis für.
Ich gestehe: Ich fand es sogar teilweise recht spannend.
N paar kaputte Ziegel vom Nachbarn, n bisschen Dreck im
Garten, die Pumpen in den Kellerschächten leisteten Schwerstarbeit aber außer,
dass sich der Efeu von der Hauswand verabschiedete, ist hier nichts passiert.
So richtig kommen Claudia und ich im Moment nicht zu unserer
verdienten Ruhe.
Aber die ersten Schritte sind gemacht. Eine Woche Urlaub
Anfang Juli (alleine! Nur wir zwei!), ein -demnächst zwei – Tage Tagespflege
für Gisela, die demente Schwiegermutter. Es geht aufwärts.
Vielleicht machen wir im Frühsommer ne große Garten- und
Grillfete.
Da freue ich mich drauf.
Und natürlich auf neue Zähne…
Kyrill hat mich nicht platt gemacht. Auch mein
Plattenepithelkarzinom nicht.
Manchmal denke ich, ich bin unkaputtbar.
So werde ich auch nächste Woche das nervige Kontroll-CT
überstehen und danach wieder ordentlich schlafen können.
Friederike ist vorbeigezogen.
Ein unangenehmer Gast.
Aber da kenne ich Schlimmeres…
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