Freitag, 31. August 2012

Wont forget these days



Ich kann momentan einfach nicht kürzer:


Wont forget these days


Nur in der Erinnerung leben
wäre traurig
so schön man sich die Vergangenheit auch immer bastelt
Die Gegenwart kann klasse sein
und unschlagbare Momente beherbergen
und die Zukunft
ich weiß
es besteht keinerlei vernünftiger Grund
trotzdem sehe ich ihr zuversichtlich entgegen
Was bleibt mir anderes übrig

Unschlagbare Momente
Ich bin reichlich beschenkt worden
in meinen vielen unschlagbaren Leben
(Eine Katze soll ja sieben haben, ich kann das locker toppen)


Ich erinnere mich noch genau
an meinen ersten bewussten Samenerguss
der meine Onanierphase auslöste
Ich erinnere mich
an meinen ersten Fick
Er war bewegend
aber ich werde das nicht weiter ausführen
Ich erinnere mich an meinen ersten Besuch beim VfL Bochum
es war im alten Stadion an der Castroper Straße
und wir gewannen gegen Kickers Offenbach
und ich war endgültig gefangen und Fan


Oder auch:
Ich muss noch sehr klein gewesen sein
keine Ahnung
vielleicht vier oder fünf Jahre – höchstens
Einmal im Jahr fand auf der Naturrennbahn in Castrop-Rauxel
ein Pferderennen statt
und mein Vater nahm mich mit
und setzte mich auf seine Schultern
Ich glaub
es war Frühling
aber das ist egal
Auch das Pferderennen ist egal
Was zählt
und was bleibt
das ist dieses Gefühl auf der Schulter:
ich war unangreifbar
sicher
und geborgen
und thronte über all den Leuten
Irgendwie so:
Mein Vater
war stolz auf seinen Sohn
Und da war so was wie Liebe
Ein kurzer Moment
aber da er so selten war
spüre ich ihn noch heute in mir
und ziehe Kraft daraus

Nochmal mein Vater:
Es war sein 65ter Geburtstag
und da er eine höhere Beamtenlaufbahn
und eine lange CDU-Mitgliedschaft vorzuweisen hatte
waren sie alle da
die Bonzen und Möchtegern-Bonzen der Verwaltung
und der Partei und
ich kam mittags ziemlich abgerissen in die Feier geplatzt
„Das ist mein Sohn
 der hat verweigert und macht gerade Zivildienst.
 Ich war da ja entsetzt und völlig dagegen.
 Aber er hat seinen eigenen Kopf und sich durchgesetzt.
 Ich bin stolz auf meinen Sohn!“
Naja
er blieb nicht lange stolz
Ich brachte ihn immer wieder zur Verzweiflung
aber in diesem Moment
da war ich wirklich stolz auf meinen Vater
da liebte ich ihn
Und das wird ewig Bestand haben


Manche Konzerte schenkten mir göttliche Momente
Keith Richards in Düsseldorf
und als er „Gimme shelter“ spielte
hatte ich eine Gänsehaut vom Feinsten
und Tränen in den Augen
das war dermaßen intensiv!

Peter Gabriel am Kanal in Gelsenkirchen
und das war mein erstes Konzert nach meiner Krebs-OP
und als er „Lay your hands on me“ sang
heulte ich hemmungslos auf den Stufen des Amphitheaters aber
meine Freunde schirmten mich ab
und haben mich verstanden


Meine Frau natürlich
unsere erste Begegnung
bei der Weiterbildung zum Altentherapeuten
und sie fiel mir sofort auf
wegen ihrer Chucks und dem angepassten Grufti-Outfit

und dann
ein paar Monate später
saßen wir uns gegenüber
und ich sagte noch
dass eine Liebesbeziehung bei meinem Zustand für mich
eh nie mehr in Frage käme
und ich das Thema Frauen abgehakt hätte
und irgendwie
landeten wir eine halbe Stunde später im Bett
und das war himmlisch
und ist es noch immer
(und ich glaube, diese Begebenheit habe ich so
 in mehreren Gedichten drin
 das ist völlig okay:
 ein literarisches Mittel
 das zeigt
 wie viel mir das bedeutet…)


Meine ersten Schritte nach der Oberkieferentfernung
mein erster Blick in den Spiegel danach war fürchterlich
die unerträglichen Schmerzen bei der Bestrahlungstherapie
und meine Verzweiflung und meine Suizidgedanken
und die langsame Besserung und dann das Wissen
nie wieder 100% zu erreichen

Scheiße
auch das sind unvergessene Momente
die gehören dazu
können aber den Rest nicht überdecken


Ich auf einer Bühne
an einem Mikro
und die Anspannung und die Angst
und dann die Magie
wenn es läuft
und mit dem Publikum klappt
Damals als Sänger
und heute als
Was Auch Immer
Es ist immer noch aufregend
es ist immer noch geil


Eine Session
und die Instrumente werden gestimmt und
die Verstärker eingestellt
und jeder dudelt und probiert für sich
Eine wahnsinnige Kakophonie
aber
plötzlich finden wir uns
in Tönen und Melodien
blicken uns an
spielen gemeinsam
und manchmal hat das dermaßen Power!
Wow!!!


Zum Beispiel gerade jetzt
Ich sitze am Schreibtisch
über die Kopfhörer läuft der große Dan Mangan
Claudia sitzt auf dem Sofa
guckt irgendwas in der Glotze
und strickt (!!! HiHi !!!)
Unsere Hündin Maya liegt neben ihr
und holt sich ab und zu ihre Streicheleinheiten
um dann wieder zu meinem Schreibtisch zu tappsen
und mich anzustupsen
und wortlos winke ich Claudia zu
und sie kommt und wir umarmen uns
bevor ich mich weiter mit meinen Texten beschäftige
und überrascht bin
wie gut es momentan läuft


Unschlagbare Momente
Gestern, Heute und Morgen

Ich genieße sie alle
inhaliere einen tiefen Zug Leben
und tanze weiter auf den glühenden Kohlen
dieses Vulkans Erde
zum Soundtrack des Untergangs

Es muss ja kein Standard sein
Pogo finde ich eh viel besser

Montag, 27. August 2012

Für die Toten

Manchmal ist das so. Ich habe gerade ein (äußerst) langes Gedicht erstellt und finde es gelungen. Also möchte ich es auch veröffentlichen. Dafür habe ich unter anderem eben auch diesen/dieses Blog angelegt.
Ungeschminkt, unüberarbeitet, roh.
Dieses Gedicht wird wahrscheinlich in meinem nächsten Gedichtband erscheinen. Aber dann überarbeitet und fertig.
Jetzt kriegt ihr die Urfassung.
Behandelt es mit Respekt: ich bin stolz darauf, es bedeutet mir was und ich glaube, es ist mir gelungen.
Und wenn es euch gefällt, dann empfehlt es weiter, verlinkt es, macht Werbung. Und schreibt mir eure Meinung... BlaBla... Hier ist es:



Für die Toten

Gibt es ein Leben nach dem Tod?
Keine Ahnung
ich möchte gerne daran glauben
finde es aber nicht so wichtig

Es gibt ein Leben vor dem Tod
Das ist wichtiger

Und:
so lange wir uns an die Verstorbenen erinnern
leben sie in uns weiter
Das ist ja schon was!


I
Ich war Zivildienstleistender
beim Mobilen Sozialen Hilfsdienst der AWO in Castrop-Rauxel
und dabei lernte ich Friedhelm kennen

Irgendeine Art von Muskelschwund
zwang ihn in den Rollstuhl
und führte zu immer größeren Einschränkungen,
Schmerzen und Ängsten
bei einer minimalen Zukunftsaussicht
Und wir halfen seiner Mutter bei der Versorgung
und ihm mit den Kontakten zu uns

Er war ungefähr in unserem Alter
und genoss es eindeutig
wenn wir von unseren Feiern, Besäufnissen, Fußballturnieren
oder Konzerten erzählten
Ansonsten redeten wir über die Gesellschaft, Politik
und immer wieder und voller Begeisterung über Musik
An all dem
konnte er nur passiv teilnehmen
In seinem Zimmer
mit dem Fernseher und der beeindruckenden Stereoanlage
Ab und zu kleine Ausflüge mit dem Rollstuhl
die ihn anstrengten
und massig Organisation verlangten
Mehr war nicht drin

Noch konnte er reden
und aus einem Strohhalm trinken
Aber selbst die Anlage und der Fernseher
mussten für ihn ein- und umgeschaltet werden
Kein Zuckerschlecken, glaubt es mir!

Über Frauen und Sex sprach ich nicht mit ihm
Was ist das für ein Leben
wenn man noch nicht mal wichsen kann?!
Ansonsten konnten wir über alles reden
hauptsächlich Musik
Er hatte einen der ersten CD-Player
und spielte mir Beggars Banquet von den Stones vor
und noch nie hatte ich das Piano so deutlich wahrgenommen!
(Mittlerweile schwindet meine digitale Begeisterung
– damals war es eine Offenbarung…)
Und wir schwärmten beide von der Rocknacht mit Van Morrison
der haute uns einfach um
- Nur mich,
Friedhelm hätte nicht mehr aufstehen können

Und dann kam er ins Krankenhaus
und ich fuhr in den Urlaub
und als ich wieder zurückkam
war er tot

Bei seiner Beerdigung war fast das komplette Ziviteam
und viele von uns weinten
Und er vermachte mir die Aufnahme des Rockpalast-Auftritts
und jedes Mal
wenn ich Van höre
denke ich an Friedhelm


II
Ralf war Schlagzeuger
Er war auch Kiffer und Dealer und letztendlich Junkie
und er war ein Freund von mir

Ich erinnere mich
an eine meiner ersten Kiff-Erfahrungen
bei einer Party
und Ralf baute gerade eine Pfeife
als die Mutter des Gastgebers in den Keller kam
- Was macht ihr denn da? -
- Wir bauen eine Pfeife -
- Braucht man da nicht spezielles Holz für? -
Und sie ging kopfschüttelnd
und wir kriegten uns vor Lachen nicht mehr ein

Später kotzte ich wie ein Reiher
(ich konnte kiffen und saufen zusammen nicht ertragen)
und richtig stoned wurde ich auch erst bei späteren Joints
aber der Auftritt der Mutter war köstlich

Eine Motorradfahrt mit mir als Beifahrer
und er jagte durch die Castroper Straßen zum alten Spektrum
und überfuhr dabei zwei rote Ampeln
und ich hatte massig Schiss
und als wir ankamen sagte er mir
- Ich konnte nicht halten
die Bremsen meiner Karre sind kaputt -
Und das war meine letzte Motorradfahrt mit ihm für mich
aber irgendwie passte das:
So lebte er sein Leben

Später spielte er Schlagzeug in unserer Band
da war er schon richtig drauf
(alle guten Schlagzeuger sind entweder verrückt oder süchtig)
und wurde immer unzuverlässiger
und pennte sogar hinter seinem Set ein
und wir mussten ihn ersetzen
und dann hörte ich lange nichts von ihm

Zweimal klingelte ich bei ihm an
ich sah
dass sich die Rollos in seiner Wohnung bewegten
aber
er machte mir nicht auf
- Ich war dermaßen drauf
ich wollte da niemanden mit reinziehen
Hab nur noch meine Kunden und meinen Dealer reingelassen
Und ich wollte auf keinen Fall
dass Freunde von früher meine Kunden wurden
Ich hab auch beschissen beim Dealen
um meinen eigenen Konsum zu finanzieren -
Das sagte er mir später

Nach Jahren traf ich ihn wieder
er hatte mehrere Entzüge hinter sich
und war optimistisch
Wir feierten bei einem Kumpel
eine einwöchige Weihnachts- bis Silvester-Party
und dann war er erst mal wieder weg
und dann tauchte er wieder auf
voller Pläne
und mit Jonglierbällen
die er mir schenkte
nachdem er mir das Jonglieren beigebracht hatte
mit Lächeln und voller Geduld

Er wollte aufs Land ziehen
und bei einem Bio-Bauernhof-Kollektiv einsteigen
Er hörte sich gut an
aber Wochen später rief mich Matthias an
und sagte mir
sie hätten ihn gefunden
in Bielefeld
auf der Toilette bei einer Party
wie auch immer:
sein letzter Schuss war golden

Die Jonglierbälle habe ich dann irgendwann verschenkt
Ich habe keine Geduld
das Jonglieren zu erlernen
und mittlerweile keine Kraft mehr
mich andauernd zu bücken
und die Bälle aufzuheben

Ich jongliere in meinen Gedanken
für ihn und mit ihm
und zusammen sind wir da unschlagbar


III
Ich lebte lange, gerne und verdammt gut in LA
Langendreer, Bochum
der Stadtteil
in dem die meisten Fußgänger Bierflaschen in der Hand haben
aber ich fand schon damals
dass dieses Klischee etwas übertrieben sei

Anyway
ich kannte die Szene
und jede Szene fordert ihre Opfer

Gerdchen war der Meister der Luftgitarre
bei jedem Open-Air-Konzert
Voll drauf
aber auch voller Herzenswärme
und der Liebling aller kleinen Kinder und Hunde im Stadtteil

Ihn fand man auf einer Bushaltestellenbank

Oder der Thüringer
Ein Hardcore-Prolet
der keiner Keilerei aus dem Weg ging
und immer laut und polternd war
und selten weniger als 2 Promille intus hatte
aber wir mochten uns
und ne Zeitlang war ich mir sicher:
mir konnte in LA nix passieren
da er mich rausgehauen hätte

„Weiber!“
war sein Lieblingskommentar
und so starb er auch:
er sprang in die Ruhr
um einer Frau zu imponieren
und ertrank


IV
Krebs ist unerbittlich
und fragt nicht
ob man bereit ist oder nicht

Keine Ahnung
warum ich sie überlebe
Judith und Gerda
hatten bessere Prognosen, ein gesünderes Leben
und mindestens so viel Optimismus wie ich

Judith lernte mich bei Karen kennen
und war erschrocken
und dachte
ich hätte Aids
Ich konnte ihr nie erklären
was Mundhöhlenkrebs und was Aids ist
Kurz danach erwischte es sie selber
und als wir uns dann mal wieder an Karens Küchentisch trafen
sprachen wir uns gegenseitig Mut zu
und jetzt vermissen wir sie
vor allem ihr Sohn, ihre Eltern und Karen

Gerda war beim Jugendamt beschäftigt
und liebte ihre Arbeit so sehr
dass sie nach Ausbruch des Krebses fast nur davon sprach
wieder arbeiten zu gehen
Das sollte ihr nicht vergönnt sein
Gerda war voller Pläne und Zuversicht
und sprach mir Mut zu
Zumindest konnte sie ihren Partner noch heiraten
kurz vor ihrem Tod

Nein
Ich fange jetzt nicht von den Menschen an
die ich während meiner Krankenhausaufenthalte kennengelernt habe
Nein
Irgendwann muss es reichen
Fragt mich nicht
warum
ich lebe

Das muss reichen


V
Mein Vater
war für mich immer
ein Vorbild, ein Denkmal,
eine Zielvorgabe
die unerreichbar war

Er war stadtbekannt
und überaus beliebt
und hatte eine höhere Beamtenlaufbahn vorzuweisen
die ich irgendwie toppen sollte

Er wollte da stolz auf seinen Sohn sein
und er wollte einen „Stammhalter“
wie er das nannte

Ich enttäuschte ihn auf ganzer Linie

Unseren Frieden schlossen wir nur halbwegs
als er schon in der Spätphase seiner Alzheimer-Erkrankung war
Richtig aussprechen konnten wir uns nie
aber die Fuß- und Fingernägel ließ er sich nur von mir schneiden
da durfte sonst niemand ran

Demenz ist immer scheiße
immerhin
er hatte sein Alter erreicht
und war selbst als totaler Pflegefall
noch immer ein gut gepflegter Mann
„Würdevoll“ – ich denke
dass trifft es
Und damit ist er selbst in seinem Abgang ein unerreichbares Vorbild für mich

Als er das letzte Mal ins Krankenhaus kam
wusste ich irgendwie
dass er nicht mehr rauskommen würde
Er hatte keine Kraft und keine Lust mehr
das merkte ich
und auch wenn wir uns nicht direkt verabschieden konnten
war es okay
obwohl es weh tat und weh tut


VI
Mein Gott (oder besser Göttin!)
ich war Krankenpfleger
Ich habe viele Menschen sterben gesehen

Manche gingen in Frieden mit sich
und ihrer Umwelt
manche gingen im Kampf und mit unerledigten Lasten
Bei manchen war es mir egal
bei anderen ging es mir an die Nieren und
ich definierte professionelle Arbeit für mich neu
indem ich Trauer zuließ und als menschlich ansah
Als Profi musste ich nur noch lernen
damit umzugehen
und mich nicht davon kaputtmachen zu lassen
Keine Ahnung
ob ich das geschafft hätte
mein persönlicher Krebs kam mir dazwischen

Ich denke
ich kann trauern
und weiterleben
und vielleicht geht es ja darum
einfach beides akzeptieren:
den Tod und das Leben
Irgendwie gehört das zusammen
und ich komme in das Alter
wo der Tod der Verwandten und Bekannten
immer öfter Realität wird
rein mathematisch unausweichlich oder so


VII
Ich versuche dieses Gedicht mit Sascha zu beenden
ich habe Sascha nie kennengelernt
Ich kenne (und schon das ist übertrieben) seine Freundin
und habe ihre Trauer mitbekommen

Sascha war Musiker, Biertrinker, Raucher
mit 38 Jahren starb er an den Folgen einer Krebserkrankung
und ließ die Frau zurück
Er hatte ein hartes Leben und viel Scheiße erlebt
aber aus den kurzen Sätzen von ihr konnte ich raushören
dass ich ihn wahrscheinlich gemocht hätte

Sie wird ihn nie vergessen
und erzählte mir weinend von ihrer Trauer
und seinen leidvollen letzten Tagen
und ich stand da
nickend und
mit einem leichten Schuldgefühl
weil ich es schließlich und aus welchen Gründen auch immer überlebt habe
und er nicht

Das Leben ist grausam und unberechenbar
und natürlich kommt da mein TROTZDEM!

Sie macht Musik
auch in Gedenken an ihn
und sollte sie eine neue Liebe treffen
(Göttin! Wie sehr ich ihr das gönne!)
so muss diese immer mit der Erinnerung leben
und bereit sein
die Liebe zu teilen
Und gestern stand sie dann zum ersten Mal an seinem Grab
und in Gedanken umarme ich sie dabei
und wünsche ihr alles Gute
und vor allem:
Leben


Ich weiß nicht viel

Das Leben endet immer mit dem Tod
Andersrum:
das Leben kommt immer vor dem Tod
Ist damit an erster Stelle
genau da
wo es hingehört

Ich stelle mir das so vor:
Wenn uns die Verstorbenen beobachten
(von wo und wie auch immer – ist doch jetzt wirklich egal!)
dann werden sie sich freuen
wenn wir uns an sie erinnern
Und dann werden sie sich noch mehr freuen
wenn sie feststellen
dass wir weiterleben
und uns an unserem Leben so weit wie möglich erfreuen

Das beste Denkmal
dass wir den Gestorbenen setzen können ist:
Weiter leben
Glücklich sein.

Ansonsten wären sie es nicht wert
weiter an sie zu denken
und sie weiter zu lieben

Endgültig beende ich das jetzt mit einem „Amen“
diese Blasphemie sei mir verziehen

Donnerstag, 23. August 2012

Eine Woche im persönlichen Sommerloch



Der letzte Mittwoch:
Irgendwie hat uns der Alltag wieder.
Ich war sogar schon beim Zahnarzt (Implantatprobleme, konnten zum Glück schnell beseitigt werden) und bei meiner Mutter.
Und ich schwitze mehr als in Portugal, da hier die Hitze wesentlich drückender erscheint.

Schon wieder massig neue Musik für mich entdeckt:
Da sind die Singer/Songwriter, die mich diesen Sommer begeistern. Sun Kil Moon, Glen Hansard (der aus „Once“, wunderschön!) und vor allem Angus Stone.
Angus Stone hat mit „Broken Brights“ eine der Scheiben des Jahres hingelegt, die mich zum Schwelgen und Schwärmen bringt. Geniale Melodien, geile Gitarrensounds und eine Stimme, die einfach passt und hängen bleibt.
Dann gibt es was Neues von Neneh Cherry, zusammen mit The Thing hat die eine wirklich geile Jazz-Scheibe gemacht. Super Bass und fantastisches Saxophon, dazu diese Stimme, macht Spaß!
Und dann „The lost tapes“ von den genialen CAN! Dieses Dreier-Album ist jeden Cent wert!
Auch wenn Claudia dabei durchdreht…
Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass es jetzt endgültig soweit ist, das Gaslight Anthem mich langweilen?
Soviel dazu.

Auch Merkel hat seinen/ihren Urlaub beendet. Und von der Leyen plant neuen Sozialkahlschlag und Blödsinn. Und die Hirnlosigkeit von E10 dringt langsam sogar in Politikerköpfe. Und der Verfassungsschutz versucht weiter alle Spuren zu verwischen. Und der VfL spielt weiterhin beschissen.

Ich habe Zahnschmerzen. Nee: das muss bei mir eher Zahnfleischschmerzen heißen. Aber die neuen Implantathalterungen sitzen bombenfest und ich esse in letzter Zeit immer mehr feste Nahrung, die ich irgendwie zerkaut und runtergeschluckt kriege. Es geht voran.
Es geht eigentlich beständig voran, bloß, dass das so langsam passiert, dass ich es kaum wahrnehme.
Da passieren keine Wunder und da wächst kein neuer Kopf und Hals, aber da arrangiere ich mich immer mehr und komme klar. Fünfeinhalb Jahre Krebs. Und ich lebe noch, bin Tumorfrei. Und zuversichtlich. Der Rententräger darf das jetzt eigentlich nicht lesen (andererseits: ich schreibe ja nur, dass es mir den Umständen entsprechend gut geht – von Arbeitsfähigkeit kann keine Rede sein…).

Ich komme nicht weiter. Chatte mit einem neu gewonnenen Freund (der Begriff ist ausgehöhlt, aber bei Arnd scheint er im guten konservativem Sinn zuzutreffen…). Arbeite an zwei Gedichten und tippe diesen Kram.
Claudia schläft. Maya liegt zu meinen Füßen und wedelt mit dem Schwanz. Ich höre Wolf Maahn Solo.

Eine Sommernacht im Ruhrpott ohne Abkühlung. Kräfte zehrend aber schön. Und zum Wochenende sollen wir über 35° bekommen.
Leute, passt auf euch auf bei dieser Hitze!

Ich lege mich ins Bett, ich schlafe, ich wache wieder auf und gehe mit dem Hund.
Ich setze mich an den Schreibtisch und tippe weiter.

Donnerstag:
Gleich geht es in die Bastion und ich gucke mir nochmal die fantastischen „Teenage Angst Ensemble“ mit ihrem Stück „Das Haus“ an.
Wenn die in eurer Nähe sind, dann solltet ihr das auf keinen Fall versäumen!
Großes Theater! Düster, mystisch, brutal, laut. Mit einer klasse Multimedia-Untermalung.

Charles Bukowskis Geburtstag. Auf ihn ein Glas Bier.

„Das Haus“ war wieder einmal äußerst beeindruckend. Und Daniel und Moana werden immer besser.

Und der nächste Tag.
Und so weiter.

Samstag: Ein äußerst netter Grillabend mit Schwager und Schwägerin. Immerhin erspart der VfL Bochum uns die nächste Pokalblamage, einigen Bundesligisten erging es da schlechter.

Montag:
Ich kriege nix geregelt am Computer, auch sonst nicht viel. Dabei warten mein Blog, die Gedichte und der Roman auf meine geistigen Ergüsse, dabei muss ich noch viele Mails schreiben. Aber die schwüle Hitze kocht meine Birne weich.

Immerhin: den superheißen Sonntag habe ich überlebt. Zwar mit Matsch in der Birne und ziemlich fertig, aber er hat mich nicht geschafft. Und jetzt kommen die ersten Regentropfen und ich warte sehnsüchtig auf ein Gewitter, dass die Schwüle etwas aufweicht und mich wieder atmen lässt…

Nacht zum Dienstag:
Es wird frischer.
Claudia schickt mich zum Rauchen nach Draußen. Vernünftig, ihr gutes Recht, völlig okay. Trotzdem ungemütlich.
Claudia will mich im Bett haben. Das ist schön, aber unproduktiv und unrealistisch.
Ich liebe sie. Aber die Schreiberei macht einen großen Teil meines Lebens aus. Und der Spagat zwischen Frau und Schreiben ist schwierig.
Damals im Sportunterricht weigerte ich mich immer beharrlich einen Spagat auch nur zu probieren…

Dienstag:
Wecker, Kaffee, Zigarette, Hundegang. Standardmorgen.
Ein Spaziergang am Ümminger See und danach ein Eiskaffee. Abends Fußball in der Glotze. Immer noch hohl in der Birne…

Mittwoch:
Ungefähr die gleiche Prozeduren wie die letzten Tage oder so.
Ein früher Biergartenabend. Atempause am Compi. Mir fällt eh wenig Brauchbares ein (wie ihr an dem ganzen Blogeintrag sehen/lesen könnt.

Donnerstag:
Jetzt reicht es!
Ich tipp jetzt noch ein, zwei spontane Absätze und dann veröffentliche ich diesen Post. Oder „dieses Post“? Ich sag mal so: Ich veröffentliche diesen Blogeintrag, damit liege ich richtig.
Ich hab nämlich letztens was von „das Blog“ gelesen und muss gestehen, dass ich bisher rein gefühlsmäßig die männliche Form gewählt habe. Empfand ich als richtig. Jetzt bin ich unschlüssig.
Okay, ich habe nachgeforscht. Es heißt „das Blog“, „der Blog“ ist laut Duden aber auch erlaubt. Alles klar.

Ach Leute.
Diese knapp 850 Worte (ist einfach, zählt mein Compi automatisch…) sind nun also mein persönliches Sommerloch.
Sorry, aber es hätte ja noch schlimmer kommen können…
Demnächst versuche ich wieder literarischer oder poetischer zu werden, was immer das ist.