Freitag, 28. Juni 2013

Über meine Frau:



Ich habe einen wunderbaren 9-seitigen LeserInnenbrief bekommen und weiß noch nicht, wie ich damit umgehen werde.
Eigentlich müsste ich ihn gänzlich abtippen und hier posten, so schön ist der. Aber vielleicht ist das zu persönlich. Oder klingt nach Eigenlob. Ich weiß noch nicht.
Aber die Sätze über meine Frau, die kann ich der Öffentlichkeit nicht vorenthalten:

„… Eigentlich suche ich seine Frau, denn ich weiß ja aus seinen Gedichten, wie viel Glück und Liebe sie ihm schenkt und würde sie auch gerne kennenlernen.
Da ich immer noch befangen meistens auf den Boden sehe, entdecke ich zuerst den schwarzweißen Rock. Das ist sie. Ein schönes, offenes Gesicht, sehr mädchenhaft, strahlt mich an. Und was da so strahlt spüre ich sofort (dafür habe ich nämlich ausgeprägte Antennen!)!
Liebe… Ganz viel. Aus der Frau strahlt pure Liebe, Offenheit, Freundlichkeit.
Ich fühle mich etwas aufgelockert und werde von Claudia (so heißt die liebe Frau) gefragt, ob es mir bisher gefallen hat. Sie ist wirklich lieb und vermittelt mir ein Gefühl der Sicherheit.
Dafür bin ich ihr sehr dankbar. Und dann erzählt sie mir, wie sie Hermann kennengelernt hat. Und ich entwickel plötzlich so ein mütterliches Gefühl für sie (bin gar keine Mutter und wollte nie eine sein)! Irgendwie rührt mich diese Geschichte so an und ich empfinde einfach nur Freude.
Für sie, für Hermann.
Die haben sich zwar nicht gesucht, aber gefunden. Wunder geschehen. Alles ist vorbestimmt, glaube ich zumindest. …“

Danke, Andrea!
Deine Sätze über meine Frau stimmen. Ich bin stolz auf sie. Ich liebe sie über alles.
Und dich werden wir wiedersehen, versprochen!


Grinsen am Morgen



Ich bin gerade bei meinen alten Sachen, da kann ich noch eins nachschieben:

Grinsen am Morgen

Ihr Arsch und ihre Brüste
aber vor allem ihr Grinsen beim Aufwachen
diese Augen
die mich schweben lassen
Das sind Momente
die mich mein Leben lang begleiten werden
selbst wenn Arsch und Brüste längst vergessen sind

Und noch ein kurzer Klassiker.
Obwohl das heute wohl nicht mehr am Tresen und in Kneipen stattfindet:



Liebe als Wirtschaftsfaktor


Gebrochenes Herz
ertrinkt in Bier
verarschte Seele
schwimmt in Tequila.

Kaputte Beziehungen
erfreuen den Wirt.

Gelüste:



an deinen pfirsichen knabbern
in deine birne beißen
und deine pflaume lutschen:

lust auf obstsalat

Mittwoch, 26. Juni 2013

Leonard Cohen!!!




Ich mach jetzt mal ne Ausnahme und bringe Rock’n’Roll Notizen.
Das Konzert gestern hat mich umgehauen und jetzt ist es eben mal zeitnah genau passend. Im fertigen Zustand und gedruckt werde ich es um die Hälfte kürzen. Hier kriegt ihr die Urform. 

Also:

LEONARD COHEN!


Ein alter Mann von 79 Jahren. Damit 10 Jahre älter als ich (wenn man die krebsbedingte Alterung von 20 Jahren bei mir dazu rechnet). Werde ich in zehn Jahren noch so fit sein, wie Leonard? Wenigstens ein Prozent seiner Ausstrahlung besitzen? Ich weiß es nicht, es ist mir egal. Hier geht es um Leonard.
Ich muss so um die 12 Jahre alt gewesen sein, da habe ich Leonard Cohen zum ersten Mal gehört. Nee. Nicht ihn. Aber sein „Suzanne“, auf einer billigen Gitarre an einem Lagerfeuer geklampft bei den Pfadfindern. „Suzanne“ war Lagerfeuerstandard. Und ich verstand dieses Lied zwar nicht, mochte es aber trotzdem sehr.
Ich denke, es war zwei Jahre später, als ich dann alt genug für Leonard war. Und mir seine Platten anhörte. Wahrscheinlich (es war 1977) war es eine best-of, mit der ich Kontakt aufnahm.
Natürlich wieder „Suzanne“, aber auch „So long, Marianne“, „The Partisan“ und „Bird on a wire“ ließen mich träumen, auch wenn ich die Texte nicht wirklich verstand, sondern eher fühlte.
Leonard Cohen lief auf meinen Tapedeck und meinem Plattenspieler zu Räucherstäbchen und Wildkirschtee. Und tiefsinnigen postpubertären (vielleicht kann man das „post“ auch erst mal streichen und später wieder einsetzen) Gesprächen.
Für die Knutschaktionen gab es Pink Floyd und „Shine on you crazy diamond“, für den Liebeskummer oder philosophisch angehauchte Gespräche Cohen. So ähnlich.
Jennifer Warnes und ihre Interpretationen ließen Leonard 1988 (ich war mittlerweile 25 und Cohen schon ein älterer Mann) nochmal für mich aufleben, ich muss allerdings gestehen, dass er ein Jahr später mit „I’m your man“ bei mir verschissen hatte: zu viel Keyboards, nerviger Frauengesang und einfach nicht meine Musik.
„First we take Manhattan“ entdeckte ich erst Jahre später bei REM und Natural Born Killers ließ mich mit dem Titelsong „Waiting fort he miracle“ wieder an Leonard denken. 

Trotzdem: weg war er nie. Marianne und der Partisan waren fest in meinem Herzen.
Und „Hallelujah“, allerdings am liebsten in der John Cale Fassung.
Ab Mitte 80er entdeckte ich dann den Poeten Cohen:
- „Das Lieblingsspiel“
- „Blumen für Hitler“
- „Schöne Verlierer“:
Großartige Poesie!
Und dann 2006 das „Buch der Sehnsüchte“!
Damit wurde er für mich endgültig zum Gott.
Musikalisch zog sich Cohen nach „The Future (1992) zurück. Wurde buddhistischer Mönch. Und seine „Comeback“-Alben „Ten new songs“ und „Dear Heather“ (2001 und 2004) ließen mich kalt.
Er war in meinem Herzen, aber nicht als aktueller Sänger, sondern als liebgewordene Erinnerung.
2007 erkrankte ich an Krebs. Ich wollte unbedingt nochmal Tom Waits live sehen. Dylan, die Stones, Patti Smith, Lou Reed und John Cale und all die anderen Helden hatte ich schon gesehen, ein Cohen-Auftritt schien in weiter Ferne und unmöglich, allzu traurig war ich ehrlich gesagt nicht.
Aber dann war der alte Sänger, der ewig junge Poet und alterslose Buddhist plötzlich pleite. Und fing 2008 wieder an zu touren. Und legte grandiose Auftritte hin, die ich nur im Netz oder per Konserve erlebte. Und plötzlich war Leonard wieder auf meiner Wunschliste – ich wollte ihn unbedingt live erleben.
Und 2012 kam dann mit „Old Ideas“ ein neues Album heraus, welches mich einfach nur umhaute.
Ich musste ihn noch mal sehen – schließlich: ich wurde krebsgeschädigt nicht jünger – und Leonard hatte auch schon sein Alter erreicht.

Zum Glück schenkte mir eine gute Freundin zum 49ten und 50ten Geburtstag zusammen die Karte für das Oberhausen-Konzert. (auch wenn sie die +20-durch-Krebs dabei unterschlug).
Am 25.06.2013 habe ich Leonard live sehen und erfühlen dürfen.
Deshalb all dieses Geschreibsel.






Ich war müde, eigentlich mein Dauerzustand seit Januar. Ich war genervt, Dauerzustand seit Dezember. Ich hatte keine Lust, aber trotzdem ne positive Erwartungshaltung.
So stritt ich noch n bisschen mit meiner Frau, umarmte sie, bevor ich losfuhr und packte dann Petra und Arne ein und wir machten uns auf den kurzen Weg nach Oberhausen.
Einen annehmbaren Parkplatz fanden wir ohne Probleme und als wir endlich unsere Plätze in der König-Pils-Arena (Richtig: Ekelhaft!) gefunden hatten, stellten wir fest, dass wir absolut genial im ersten Block des Innenraums saßen. Nur sieben Reihen von der Bühne entfernt.
Alles stressfrei. Schön.
Das Publikum war alt. Endlich fiel ich mal nicht besonders auf (okay, die Krebsnarben kann ich nicht verbergen). Ich behaupte mal, dass massig Lehrer und Alt-68er im Publikum waren. Lässt sich bei Leonard nicht vermeiden, ist auch okay. Es waren auch massig Sekretärinnen da und ich fühlte mich an meine Robbie Williams Konzerte erinnert (damals, als er noch gut war – ja, ich gestehe!). Trotzdem: eine angenehme, offene Atmosphäre.
Nach netten Ansagen in Form eines Countdowns ging es dann pünktlich (c.t.) los. Und die Band und Leonard betraten die Bühne.
„Ich weiß nicht, ob wir uns noch mal wiedersehen. Aber ich weiß, dass wir heute Abend unser Bestes geben werden!“
Zu Beginn eine der wenigen Ansagen Cohens. Und er und die Band hielten das Versprechen.
Die Bühne: links (vom Publikum aus) die Mikros für die drei Hühner. Dahinter das Keyboard (schön oldschool) und mittig das Schlagzeug, davor stand der Bassist drei samtbezogene Stühle für den Gitarristen, den Geiger und den Lead-Bandourriaisten (schwierig: er spielte alles Mögliche…). Leonard hatte das Mikro in der Hand und beherrschte alle Zwischenräume. Ein farbloser Vorhang wurde durch Lichteffekte immer passend eingefärbt. Dezent tauchten ab und zu Grafiken von Leonard auf. Der Bühnenboden war mit Teppichflies überzogen, für die Knie von Leonard eine Wohltat. Alles in allem schlicht aber wunderschön und immer der Stimmung angepasst. Weniger kann mehr sein!
Die Band: Oft (vielleicht zu oft) zog Leonard den Hut vor seinen Mitstreitern. Manchmal kniete er vor einem Solo vor dem Musiker. Sie hatten es ohne Ausnahme verdient!
Roscoe Beck am Bass passte einfach. Spielte solide, einfach und schön. Sein Meisterkönnen blitzte ab und zu auf, aber er hängte es nicht raus.
Ebenso Rafael Gayol an den Drums. Zurückhaltend, absolut passend und trotzdem: ein unbestrittener Meister, der es nicht nötig hat, das rauszuhängen.
Neil Larsen an den Keyboard war wohl auch klasse. Ich kann das nicht beurteilen, da ich Keyboarder nicht mag und mir die Schweine-Orgel auf den Keks geht. Aber er war okay.
Mitch Watkins an der Gitarre spielte schon 79/80 mit Leonard live. Ich fand ihn einfach nur superklasse!
Alexandru Bublitchi passte genial und machte an seiner Violine einen super Job, der den Sound beflügelte.
Javier Mas spielte hauptsächlich ein zwölfsaitiges gitarrenähnliches Teil und Mandolinen.
 Bandurria heißt das griechische Teil. Ich habe es bei Wikipedia nachgeguckt. Der Mann ist klasse. Seine Solos sind toll (wenn auch zu oft und zu lang) aber seine wahre Klasse entwickelt sich während den Gesangsparts, wo er akzentuiert und die Akkorde füllt.
Die Hühner?
Sharon Robinson gehört seit Jahrzehnten zu Cohen. Und besorgt Gänsehäute. Sie ist absolute Oberklasse. Und passt. Und hält sich zurück und gewinnt dadurch.
Die Webb Sisters können singen. Okay. Ich persönlich hätte gerne auf sie verzichtet. Aber das liegt an meiner persönlichen Abneigung gegen Hühner und soll nicht gegen ihre Qualität sprechen.
Alles passt zusammen.
Und in der Mitte der große alte Meister, der seinen Hut zieht und die Fäden der Band verbindet. Göttlich!
Ich habe noch nie so lange über eine Band geschrieben. Sie haben es verdient.

Der Meister, the Man himself war Leonard.
Wie seine Band strahlte er Ehrfurcht vor den Melodien und der Poesie aus. Spielte ironisch mit seinen Alterserscheinungen und präsentierte sein Meisterwerk. Und packte uns alle im Publikum. Während ich dies hier tippe höre ich die Live-Aufnahme von ihm von 1970 (Isle of Weight) und seine Stimme hat zugelegt: ist tiefer geworden, kann nicht mehr in die Höhen gehen, hat aber eine Tiefe, die berührt und ihresgleichen sucht. Scheiß drauf, ob die moderne Soundtechnik da einiges geradebügelt: Es geht in die Seele, geht ins Herz, berührt.
Oft kniet Leonard. Manchmal tanzt er. Immer ist er mit voller Seele dabei. Über drei Stunden.
Und wir – das Publikum – sind ergriffen.

Die Songs sind Meisterwerke. Und meisterlich präsentiert. Ich hatte Angst vor „Suzanne“, musste dann aber feststellen, dass meine Ergriffenheit nicht aus den Erinnerungen, sondern aus dem Stück selbst entstand. „Heart with no compenion“ wurde als reiner Country-Song präsentiert und ich kriegte das Grinsen nicht aus meinem Gesicht. „The Partesan“: Wunderschön. „Lover,Lover,Lover“: Ja – Ich war auf einem Rockkonzert! Gigantisch! „First we take Manhattan“: Forget alle Coverversionen! Gänsehäute! „So long Marianne“ kenne ich in besseren Versionen, werde aber zum Schluss mit einer unschlagbaren Fassung von „I trie to leave you“ belohnt.
Ich kann es nicht in passende, würdigende Worte fassen. Ich hoffe, ihr versteht mich trotzdem.

Irgendwann – viel zu schnell – sind drei Stunden vorbei.
Die Halle steht und applaudiert ohne Ende.
Ich bin platt, aber begeistert.

Dieser Bericht ist wahrscheinlich zu lang. Ich habe keine Zeitschriftenvorgabe.
Einen wunderschönen Artikel hat H.P.Daniels zu dem Konzert von vor drei Jahren geschrieben:
http://www.tagesspiegel.de/kultur/pop/konzertkritik-leonard-cohen-in-der-waldbuehne/1906734.html

Und noch eine Zugabe:


So long, Marianne

(Nach Leonard Cohens wunderbarem Song)





Komm rüber zum Fenster, meine kleine Süße

ich will jeden Zentimeter von Dir lesen

wie ein Gedicht

Du weißt ja

ich war so was wie ein Zigeuner

bevor ich zuließ

dass du mich mitnahmst

nach Hause



So long Marianne…



Du weißt

ich habe es geliebt

mit dir zu leben

aber du hast mich so viel vergessen lassen

So habe ich vergessen

für die Engel zu beten

und die hörten dann irgendwann auf

für uns zu beten



So long, Marianne…



Wir haben uns getroffen

als wir noch jung waren

in den dunklen Ecken im Stadtgarten

du hast dich an mir festgehalten

beinahe so als wäre ich ein gekreuzigter Heiliger

während wir durch die Nacht und das Dunkel  krochen



So long, Marianne

es ist Zeit

dass wir anfangen

zu lachen und zu weinen

und zu lachen

über all das



Gerade jetzt bräuchte ich sie,

deine verflogene Liebe

Ich fühl mich so kalt wie eine neue Rasierklinge

Du hast mich verlassen als ich Dir sagte

ich wäre durcheinander

aber ich habe niemals behauptet

tapfer und gradlinig zu sein



So long, Marianne

es ist Zeit

dass wir anfangen

über all das zu lachen

und zu weinen

und zu lachen

und zu lieben



Jetzt weiß ich es

du bist die perfekte Frau für mich

Ich sehe dich weggehen

und deinen Namen erneut ändern

Und ich versuche wieder aufzustehen und diesen Berg zu erklimmen

um meine Augenlider im Regen zu waschen



So long, Marianne

mach es gut

es ist Zeit

dass wir anfangen

über all das zu lachen

und zu weinen

und zu weinen

und zu lachen

über all das was mal war