Freitag, 30. Juni 2017

Miami 8: Endspurt




So schnell geht das und dann ist der Urlaub auch schon beinahe wieder vorbei.
Morgen noch einen Tag, dann abends packen und früh ins Bett, damit wir Samstag frühzeitig auf der Autobahn sind und die 23 Stunden Fahrt zurück bewältigen.
Sonntagnachmittag sind wir dann wieder in Ottenstein.

Wie ist das Wetter im Münsterland?
Ich werde wohl keinen Sonnenbrand kriegen, oder?
Vielleicht brauche ich ja sogar Pullover und Regenjacke?
Hier in Miami brauchte ich bis heute nur Badehose und ab und zu ein T-Shirt und eine Cargohose...


Heute schwächele ich ein wenig.
Mein erster Tag, an dem ich nicht im Meer war. Und jetzt habe ich wahrhaftig eine Jeans und ein leichtes Sweatshirt angezogen, da ich ein wenig fröstele.

Wahrscheinlich doch zuviel Sonne auf Dauer abbekommen.
Oder die realen 26° sind mir schon zu kalt.

Die Frauen schwächeln auch und halten Spätnachmittagssiesta.
So kann ich in Ruhe diesen Kram tippen.


Ein Fazit werde ich aber erst ziehen, wenn wir wieder in Ottenstein sind und ich alles sacken gelassen habe.

Bis dahin soviel:
Das Meer und unsere Traumbucht kann uns niemand nehmen!


Für heute mache ich jetzt Pause und beende diesen Post erst morgen, vielleicht fallen mir dann ja noch ein/zwei Sätze ein...


4.00 Uhr in der Nacht.
Am Himmel ein geiles Wetterleuchten und ein Gewitter über Cambrils.
Ich habe Claudia abgelöst und halte Nachtwache für Gisela.
Vorher wollte sie aus dem Fenster steigen auf der Suche nach der Toilette.
Herr Alzheimer gibt heute Nacht Vollgas!


The last day.

Wir sind alle platt von der schlaflosen Nacht mit Herrn Alzheimer.
Wagen volltanken, letzter Einkauf, Mittagsruhe und dann nehmen wir Abschied vom Meer.

Das Wasser ist heute schweinekalt, trotzdem mussten wir nochmal rein. Und zwar alle drei.

Ich habe meinen Kram schnell zusammengepackt. Während Claudia wuselt ziehe ich mich zurück, da kommen wir uns sonst in die Quere.

Ich gehe fremd: Zum Abschied und als Leckerchen ein Leffe, San Miguel wird mir trotzdem in guter Erinnerung bleiben.



Morgen sind wir dann auf der Autobahn.

Und dank G20 sorge ich dafür, dass wir alle unsere Ausweise in griffbereiter Nähe haben.

Ich sag schon mal so: Willkommen dann in Dland ...


Mittwoch, 28. Juni 2017

Miami 7: Zuversicht und Nachtrag zu meinem gestrigen Post




Heute Vormittag ein ruhiges Bilderbuchmeer. Fast schon langweilig, keine Wellen und absolut klare Sicht bis zum Meeresboden. Ideal zum Schnorcheln, aber das kann ich wegen meinem Mund nicht.

Zum Spätmittag zogen dann dunkle Wolken auf und es donnerte in der Ferne, so dass wir uns vom Strand verzogen.

Und heute in der Ferienwohnung bleiben.

Das passt vor allem bei Gisela, die ein leichtes Verdauungsproblem hat, diesmal wirklich körperlich.

Ich habe bis jetzt noch keinen Urlaub in meinem Leben erlebt, in dem ich dermaßen an einem Ort kleben blieb.
Bis auf einen Kurzausflug nach Cambrils ließen wir das Auto außer bei größeren Einkäufen stehen, spazierten an der Promenade und stellten immer wieder fest, dass unsere Bucht ein wunderschöner Platz ist.
Selbst den Ort haben wir nicht erkundet und nach Restaurant oder Cocktail-Bar ist uns nicht so.

Das ist alles absolut in Ordnung, wir fühlen uns wohl und versuchen, zu entspannen und genießen auch.
Wobei die zwei Hauptgründe natürlich erstens unsere schmalen Finanzen und zweitens Giselas Krankheit sind.


Noch ein Nachtrag zu meinem gestrigen Post und dann hoffe ich, das Thema Demenz beiseite zu schieben:

Mich erreichten mehrere Mails (beantworte ich nach dem Urlaub!) und einige Kommentare, die ich nicht unkommentiert lassen möchte.

Geplant und gebucht war der Urlaub ja noch zu viert. Und dann hat sich Giselas „Lebensgefährte“ letzten Monat verabschiedet. Ich kann seine Entscheidung immer mehr nachvollziehen, auch wenn die Art und Weise einfach mies war. Also beschlossen wir, das Ding zu dritt durchzuziehen. Mit allen Risiken und Gefahren. Wir sahen das auch als Chance für einen Neuanfang und die Alternative Heim oder Kurzzeitpflege kam für uns nicht in Betracht. Gerade jetzt noch nicht.
Soviel dazu, weshalb wir uns das zumuten.

Als sich vor drei Jahren die Demenz Giselas abzeichnete und sie uns bat, zu ihr zu ziehen, um ihr lebenslang das Leben in ihrem Haus weiter zu ermöglichen sagten wir nach intensiver Überlegung zu.
Und versprachen ihr, für sie zu sorgen.
Und zu unserem Versprechen stehen wir.

Mittlerweile sind wir des öfteren an unsere Grenzen gestoßen und überlegen in mehreren Richtungen. Eine Kurzzeitpflege nach dem Urlaub könnte Sinn machen, damit Claudia und ich mal ohne Gisela durchatmen.
Aber wir werden mit Sicherheit keine Kurzschlussreaktion durchziehen und wir werden Gisela nicht alleine lassen.

Inkontinenzhosen, auch Windeln genannt, kommen übrigens für mobile Menschen, die sie nicht tolerieren, nicht in Frage. Und Mobilität und wenigstens eine teilweise Kontinenz wollen wir so lange es geht erhalten, zumal diese Teile für die Haut Gift sind.

Soviel dazu.


Jetzt dann doch ein kurzes und kräftiges Gewitter. Und über dem Meer ein Regenbogen. Schade, dass ich nur absoluter Amateur am Fotoapparat bin, aber vielleicht sind die Bilder ja doch etwas geworden.

Die Luft hat sich deutlich erfrischt und es ist einfach nur schön.

Während Claudia schläft lasse ich Gisela abtrocknen, da freut sie sich, dass sie helfen kann.





Heute habe ich wahrhaftig wieder etwas Zuversicht...

Dienstag, 27. Juni 2017

Miami 6: Schwere See




Stürmisches Meer heute.
Na gut, das ist übertrieben. Es ist windig und dementsprechend kommen auch ansprechende Wellen, durchaus mal zwei Meter hoch.
Und im Mittelmeer ein mutiger und übermütiger Hermann, diesmal alleine am Strand, da Claudia noch kränkelt und Gisela seit zwei Tagen völlig stressig ist.



Der Himmel ist bewölkt, es ist etwas kühler (nur noch 28°), aber dafür ziemlich schwül.
Und als wir am Nachmittag dann doch alle drei zum Strand gehen erwischt uns ein Gewitter. Schöner erfrischender Regen, der gerade herunterfließt.
Anders, als die stürmischen Gewitter bei uns im Münsterland.
Überhaupt ist hier einiges anders als erwartet: Kaum Sterne am Himmel, keine im Meer untergehende Sonne und kein Grillengezirpe.
Alles Sachen, die mir ein bisschen fehlen.

Fehlen tut uns auch unser Hund Aron (ein Satz mit „tut“ ist nur im Urlaub erlaubt!), aber in der Tierpension geht es ihm gut (natürlich haben wir auch schon nachgefragt...) und Sonntagnachmittag haben wir ihn ja wieder.


Darf man übrigens bei der Rückfahrt die Schwiegermutter einfach an einer Autobahnraststätte vergessen oder anleinen?
Manchmal plädieren wir beinahe für ja. Aber dann sind wir uns nicht sicher, ob sie nicht doch noch ihren Namen und ihren Heimatort sagen kann und doch zurückkommt.
Im Ernst: Seit zwei Tagen strapaziert sie unsere Nerven bis zum letzten.
37 Toilettengänge am Tag, 20 in der Nacht.
Die Teller werden schon während des Essens zusammengepackt, weil sie ja „nur helfen“ will.
Die zum Trocknen aufgehängten Handtücher werden noch total feucht gefaltet und - alles nur Kleinigkeiten, aber in der Gesamtheit nervt es tierisch - am Strand wälzt sie sich absichtlich (?) von ihrem Badelaken in den Sand, obwohl wir ihr vor zehn Sekunden gesagt haben, sie solle sich erstmal hinlegen und trocknen lassen.
Sowas zum Beispiel.
Und dann vorwurfsvolle Stöhnerei und krankhafter Zwang zu Leiden - gerade das kann ich gar nicht ab!
...
Genug ausgekotzt...

Wir wussten vor Urlaubsantritt, dass das Risiko verdammt groß war (ist) und dass gerade demente Menschen in neuer und unbekannter Umgebung oft eine Art Schub bekommen. Claudia und ich sind examinierte KrankenpflegerInnen und haben beide eine Zusatzausbildung zum Altentherapeuten/Altentherapeutin. In meiner Arbeitspraxis wurde ich damals oft gerade für schwer dementielle PatientInnen eingesetzt, da ich sehr gut mit ihnen umgehen konnte und es schaffte, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Außerdem begleitete ich (wenn auch aus der Distanz) meinen Vater in seiner Alzheimer-Erkrankung bis zum Tod.
Claudia als internistisch eingesetzte Krankenschwester und später als Sozialdienstleiterin im Altenheim hatte auch ihre Erfahrungen.
Wir dachten, wenn überhaupt, dann würden wir es schaffen.
Jetzt, wo es um die direkte Betreuung ihrer Mutter und ein gemeinsames Leben geht ist es schwieriger, manchmal erscheint es manchmal unmöglich.

Ich habe aber auch noch keinen dementen Menschen kennengelernt, der so schwierig wie Gisela ist. Bei jeder Anleitung oder jeder Anregung nickt sie, grinst dich an und macht genau das Gegenteil davon. Ein ständiger Machtkampf.
Und - wie die Tage schon erwähnt - da sind noch ganz andere Altlasten, die wir nicht kennen und nicht abschätzen können.

Momentan sind wir kurz vor der Kapitulation.
Andererseits: Wer nicht kämpft hat schon verloren!
Und wir wollen für Gisela da sein.

Bloß n bisschen eigenes Leben, das muss sie uns ermöglichen. Das müssen wir uns ermöglichen...


Ich sollte nicht schreiben, wenn ich hochgradig sauer bin.
Aber das gibt diesem Reisebericht ja auch ne gewisse Ehrlichkeit.

Keine Ahnung.

Es wird Nacht in Miami Platja.
Claudia versucht zu schlafen und sich zu erholen, ich schalte beim Tippen etwas runter, Gisela liegt im Bett und war schon eine halbe Stunde nicht auf Toilette.

Ich wünsche mal ne gute Nacht!



Sonntag, 25. Juni 2017

Miami 5: Lahmer Sonntag





Heute fällt Claudia total aus. Sonnenallergie, Endometriose und Mens: No chance.
Ein Tag im Bett und in der Wohnung, mehr geht da nicht.

Also gehe ich alleine mit Gisela an den Strand. Halte sie beim Schwimmen, helfe ihr ins Wasser und wieder heraus und halte ihre Hand in den Wellen.
Ich würde lieber Claudia halten, aber so ist auch okay.

Das Wetter ist eher gemischt. Leicht bewölkt, nicht ganz so heiß und äußerst schwül, so dass ich auf ein Gewitter hoffe.

Während ich dies hier tippe klärt es aber auch schon wieder auf.


Sonntag, das heißt, unsere Lieblingsbucht ist auch voller als sonst.
So belassen wir es bei einer zweistündigen Strandaktion und verbringen den Rest des Tages in der Ferienwohnung.
Ist auch mal okay.


Meine Urlaubslektüren habe ich mir gezielt ausgesucht. Vier Lyrikbände (dazu vielleicht später mal) und ein dicker Wälzer von Stephen King. „Die Arena“. 1270 Seiten sollen da erstmal gelesen sein. Und King schafft es, mich auch mit diesem Buch zu packen. Obwohl es Längen und stilistische Übersetzungsfehler hat. Heute ist ein Stephen King Tag.


Eigentlich ist „eigentlich“ ein komisches Wort.
Eigentlich mag ich keine reinen Strandurlaube.
Aber momentan bin ich platt, da kommt das genau richtig. Wir waren eine Stunde in Mont-roig (verschlafen) und eine Stunde in Cambrils - das war für mich schon die Hölle!
Die Tage gucken wir uns noch n Fischerdorf an und das soll es dann auch gewesen sein: Tarragona und Barcelona sind mir für diesen Urlaub einfach zu groß und zu hektisch.
Und in den Bergen und Naturparks können wir eh nicht ordentlich spazieren gehen, da das mit Gisela nicht mehr möglich ist.

Also bleibt uns unsere Bucht und Spaziergänge direkt an der Küstenstraße.
Und das ist einfach schön.


Und für einen lahmen Sonntag muss das hier geschriebene auch mal reichen...

Samstag, 24. Juni 2017

Miami 4: Und sonst so




Strand! Sonne!
Gestern ein kleines Gewitter.
Ruhe!

Über Fotos am Strand:
Ich habe da einige Regeln, die eigentlich allgemeingültig sein sollten. Es sind nicht viele.
- Fotografiere grundsätzlich keine fremden Menschen ohne ihre Einwilligung!
- Wenn es sich vermeiden lässt auch nicht im Hintergrund.
- Fotografiere keine fremden Kinder, egal, wie süß sie die Sandburg bauen!
- Fotografiere keine halbnackten oder nackten Menschen, egal, wie schön du sie findest! Schon gar nicht heimlich!
- Veröffentliche auch Fotos deiner Liebsten nur mit ihrer ausdrücklichen Genehmigung!
Dürfte doch nachvollziehbar sein, oder?

Apropos Schönheit:
Ich mag keine Silikontitten und keine Bodybuilder. Aber ich denke, es ist jedem selbst überlassen, wie er seinen Körper formt. Das gilt auch bei Tattoos.
Ich finde, jeder Körper hat irgendwo seine eigene Schönheit.
Zum Beispiel meiner: Ich brauche kein Bodybuilding, meinen Körper hat der Krebs gebuildet. Ich brauche auch keine Tattoos, ich habe meine Narben.
Aber wie geschrieben: Es ist jeder/jedem sein eigenes Ding, da zu urteilen steht mir nicht zu.

Und ich spanne nicht wirklich, dafür genieße ich das Meer viel zu sehr.
Aber trotzdem gucke ich manchmal. Schließlich bin ich auch nur ein Mann und ein Mensch. Und ich glaube, jede/r beobachtet seine Mitmenschen und dann natürlich auch am Strand. Bleibt doch nicht aus!


N paar Erkenntnisse über Spananien:
- Die Verkehrsführungen sind für mich manchmal irritierend, aber nach zwei Tagen nachvollziehbar.
- Bier ist recht günstig, San Miguel lässt sich trinken. Muss aber kalt sein.
- Lebensmittel sind erschwinglich, Benzin billiger als bei uns. Selbst in einem Tourismus-Ort wie Miami.
- Tabak ist auf deutschem Preisniveau, also teuer.
Und Blättchen eine Katastrophe: Mag es an der fehlenden Sprache liegen, ich habe nur diese extradünnen Blättchen, die immer ausgehen bekommen.
Da macht das Rauchen wenig Spaß, was allerdings gut ist, da ich eh aufhören will.
- Auch wenn ich extreme Verständigungsschwierigkeiten habe (aber die habe ich auch in Dland wegen meiner Artikulationsbehinderung), die SpanierInnen sind äußerst freundlich und zuvorkommend. Ich habe (außer beim Blättchenproblem) bisher immer alles bekommen, was ich brauchte oder wollte.
Und mit Händen und Füßen kann man sich fantastisch unterhalten.

Ich höre hier im Urlaub übrigens so gut wie keine Musik.
Ich habe meine eigene Musik: Die Ruhe, das Wellenrauschen und meinen Tinnitus, der momentan merkwürdigerweise so stark ist, dass ich Claudia oft nicht verstehe. Mag daran liegen, dass ich im Meer auch tauche und Wasser in die Ohren bekomme, keine Ahnung, hört sich nach einem Ohrenarzt nach der Rückkehr an. Hat aber auch seine Vorteile...

Ich will heute nicht meckern oder stöhnen.
Der Herr Alzheimer und sein Gefolge von Gisela scheint übrigens Wasserscheu zu sein. Im Meer ist Gisela glücklich und strahlt (hat natürlich auch Angst, aber wir sind ja da....). Das Problem, gerade heute: Wir können nicht 24 Stunden im Meer sein.


Freitag, 23. Juni 2017

Miami 3: Boden unter den Füßen




Ich war im Meer.
Ich schwimme dort und springe sogar in die Wellen.
Ich genieße.

In meinem früheren Leben war ich eine Wasserratte und sprang immer sofort hinein und tauchte und kraulte und schwamm. Nicht schnell, aber ausgiebig und lange.

Mein Handicap: Ich habe keinen Mundschluss mehr und schlucke massig Wasser, muss dann sofort aspirieren und das mindert den Spaß. Auch körperlich bin ich nicht mehr so fit, wie ich es früher war.
Also dachte ich bis zur Ankunft am Strand, ich lasse es einfach bleiben.

Manchmal läuft es anders als man denkt und manchmal ist das gut so.

Hier haben wir Außentemperaturen um die 30 Grad und eine Wassertemperatur um 22 Grad. Ideal! Dazu ein schön seichter Wellengang, der einfach nur Spaß macht und eine wunderschöne Badebucht, die nicht überfüllt ist.

Als Claudia ins Wasser sprang und Gisela geduldig hinterher zog dachte ich mir, ich könnte es ja probieren. Und ging auch ins Wasser.
Und war in den sechs Tagen, die wir hier sind, täglich mindestens eine halbe Stunde im Mittelmeer. Meistens über eine Stunde.
Ich tauche (wenig), ich kraule (wenig), ich springe in die Wellen (meistens hüpfe ich vom Meeresgrund) und ich schwimme wie ein Weichei und Rentner (bin ich schließlich ja auch) mit dem Kopf über dem Wasser.
Ich spucke, ich schleime, ich finde, jemand hat das Wasser verdammt nochmal versalzen - aber ich genieße.

Und ich werde weitermachen und werde auch schon besser in meiner Technik.

Und genieße die Momente, wenn ich für mich alleine hinausschwimme.
Und genieße die Momente, wenn Gisela im Wasser lacht.
Und genieße noch mehr die Momente, wenn Claudia und ich uns umarmen und endlich wieder ganz bei uns sind.

Ich gestehe, meine Sicherheit im Wasser ist im Laufe meiner Leben flöten gegangen: Ich will Boden unter meinen Füßen haben und schwimme nicht mehr so weit hinaus.



Ich gestehe, ich habe ein scheiß Gefühl, hier im Mittelmeer zu baden und den Luxus eines Urlaubes zu genießen während täglich andere Menschen hier um ihr Überleben kämpfen müssen und oft scheitern.

Ich habe schnell wieder Boden unter den Füßen und komme mit meinen Aspirationsanfällen klar.
Ich bin immer in Strandnähe.
Flüchtlinge nicht.

Ist es verwerflich, seinen Urlaub zu genießen?
Ich denke, nicht. Trotz all der Scheiße.



Mittwoch, 21. Juni 2017

Miami 2: Herr Alzheimer ist immer dabei





Eigentlich sind wir mindestens zu viert unterwegs:
Der neue Lebensgefährte meiner Schwiegermutter ist immer dabei.
Und Giselas Herr Alzheimer ist ganz schön ätzend!

Wir sind noch mehr.
Claudia wird von der Gefolgschaft der Wechseljahre, einem Kreuzbandschaden und Endometriose begleitet, ich habe King Cancer und seinen Hofstaat immer bei mir. Eigentlich habe ich King Cancer schon längst mit einem Arschtritt vertrieben, aber der Hofstaat der Spätschäden ist hartnäckig und lässt sich nicht so leicht vertreiben.
Egal. Hier soll es um den nicht ganz so netten Herrn Alzheimer gehen.

Urlaub mit dementen Menschen ist ja immer ein Risiko, niemand weiß, wie sie auf neue Umgebungen und Lebenssituationen reagieren. Es bedeutet auf jeden Fall immer Stress für sie. Und die Reaktionen sind nicht planbar.

Wir wollten Gisela aber noch nicht in Kurzzeitpflege „abschieben“ und gönnten ihr vor allem diesen Urlaub, der wahrscheinlich ihr letzter sein könnte. Früher ist sie oft und gerne verreist.
Zusammen mit dem alten „Lebensgefährten“ dachten wir, es durchziehen zu können. Leider war Herr Alzheimer stärker und vertrieb den anderen.
Also blieben nur wir drei übrig. Und dachten uns, „Jetzt erst recht!“ Ein Break, der uns allen irgendwie gut tun sollte. Vor allem, nach dem Stress der Trennung.

Urlaub für Gisela, Urlaub für Claudia, den sie sich nach Jahren mehr als verdient hatte, Urlaub für mich, der ich einen Neuanfang brauche, Urlaub für unsere Ehe, die eine Liebesauffrischung nach all dem Stress, der auch an unserer Liebe nicht vorbeiging, benötigt.

Urlaub mit Herrn Alzheimer.

Herr Alzheimer ist tückisch. Manchmal wissen wir nicht, ob er sich zu Wort meldet, oder ob Gisela zu uns spricht.

Wir sind parteiisch: Positive Meldungen schreiben wir Gisela zu, Stress schieben wir auf Herrn Alzheimer. Das ist nicht immer so. Manche Boshaftigkeiten passen leider auch zur Geschichte von Claudias Mutter und zu Psychosen, die eindeutig vorhanden waren. Und Herr Alzheimer hat vielleicht sogar dazu beigetragen, dass sie liebevoller geworden ist. Leider teilweise sogar sowas wie devot Claudia gegenüber. Und das kann ich persönlich garnicht ab und - ich gestehe - da werde ich aggressiv.

Herr Alzheimer lässt Gisela auf jeden Fall nie alleine. Und sorgt dafür, dass sie sofort unruhig wird, wenn wir sie nicht beschäftigen. Sie nestelt an den zum Trocknen aufgehängten Handtüchern („Gisela, lass die bitte hängen, Claudia packt die weg, wenn sie trocken sind!“), will Geschirr sofort wegräumen (Gisela, wir sind noch nicht fertig mit Kaffeetrinken, lass unsere Tassen bitte noch stehen!“) und sie geht alle zehn Minuten zur Toilette.
Die Toilette ist besonders nervig.
Natürlich muss sie immer dann, wenn Claudia oder ich gerade duschen. Oder wenn wir unterwegs sind und keine Möglichkeit besteht.
Unsere Standardsätze: „Halt noch ein bisschen durch!“
Ihr Standardsatz: „Wollt ihr, dass ich in die Hose mache? Ihr werdet auch mal alt!“ Unsere Antwort: „Manchmal geht es nicht anders. Wenn du unbedingt jetzt musst, dann mach in die Hose! Aber mit Sicherheit nicht hier im Garten!“
Im Supermarkt geht sie uns immer stiften und findet eine Toilette. In Spanien! Und sie kann kein Wort Spanisch! Und wenn wir am Meer sind und sie im Wasser ist und Claudia ihr zuredet, sie könnte jetzt pinkeln, würde fast jede/r machen, macht sie es nicht.
Es nervt!

Wenn Claudia und ich alleine im Meer sind werfen wir immer einen Blick auf unseren Platz und auf Gisela, die dort anfangs friedlich liegt.
Nach spätestens fünf Minuten muss eine/r von und (meistens ich, ich bin schneller) zurück, weil sie alle Handtücher faltet und sich im Sand wälzt. Aber wir haben wenigstens fünf Minuten gehabt!

Momente für uns alleine können wir uns abschminken, vielleicht spät Abends, aber da ist Claudia (okay, teilweise auch ich) mittlerweile so genervt, dass wir uns sofort streiten.
Ist aber n anderes Thema, dass ich vielleicht später erwähne...

Ich habe Gisela mögen gelernt. Ich akzeptiere ihre Krankheit. Ich gebe mir Mühe. Und wir haben viele schöne Momente.
Aber es ist sauschwer.
Und Claudia und ich haben halt auch noch unsere Begleitungen dabei.








Montag, 19. Juni 2017

Miami 1


Natürlich fuhren wir zwei Stunden später als geplant los.
So ist das bei Claudia. Eigentlich immer. Aber es gibt meist auch gute Gründe dafür und diesmal waren die Gründe die Versorgung von Gisela und die Vorbereitung einer extrem langen Fahrt, also war das ja irgendwie okay.

Um 12.00 Uhr machten wir uns also auf den Weg in den Urlaub.
23 Stunden später kamen wir an.

Durch Dland kamen wir schnell, Gisela musste nur einmal zur Toilette und die Autobahnfahrt lief flüssig.

Luxemburg war dann allerdings Folter und durchgängig Stau. Kostete uns insgesamt zweieinhalb Stunden, obwohl man da normalerweise in ner dreiviertel Stunde durch ist.

„Gisela, wir sind auf dem Weg in Urlaub!“
„Schön. Nehmt ihr mich mit?“
„Aber sicher! Du sitzt doch bei uns!“
„Aber ich habe doch gar keine Sachen!“
„Claudia hat gestern vier Stunden mit dir den Koffer gepackt. Du hast mehr als genug!“
„Ach ja. Schön. Ich muss mal!“

Ab Frankreich lief es dann wieder, allerdings machte sich langsam Müdigkeit breit, so dass wir uns öfters beim Fahren abwechselten.
Auch Gisela wurde zunehmend unruhiger und die Toilettenpausen wurden häufiger gefordert.
Es nervte, auch wenn wir damit gerechnet hatten.

Spanien war dann eigentlich die Kür: Wunderschöne Straßen im Endspurt und dann waren wir auch schon beinahe da.

Miami Platja.
Vierzehn Tage Urlaub an einem der schönsten Strände in Katalonien.

Miami Platja oder Miami Playa (ich beschränke mich ab jetzt auf Miami) ist für deutsche Verhältnisse ein schwieriger Ort, um sich bei der ersten Durchfahrt zurecht zu finden. Es ist durch eine Bahnlinie in zwei Abschnitte unterteilt, der Ortskern mit den Geschäften und Kneipen und der Strandabschnitt mit den Ferienwohnungen und den wundervollen Stränden.
Die Bahnlinie kann man (soweit ich das am ersten Tag geschnallt habe) nur an zwei Stellen mit dem Auto überqueren, auf der Strandseite gibt es seit diesem Jahr ein merkwürdiges Einbahnstraßennetz. Unsere Hausverwalterin sagte, dass man es einfach ignorieren sollte, aber dazu bin ich zu sehr dtscher Autofahrer mit Angst vor angeblich horrenden Strafen in Spanien für Verkehrsübertretungen.
Und brauche letztendlich noch ne halbe Stunde länger, um vor Ort unsere Unterkunft zu finden.
Und das Navi ist da leider keine Hilfe.

Nach zwei Tagen schnalle ich dasPrinzip halbwegs und genieße die Vorteile:
Der Strandabschnitt ist beinahe Verkehrsfrei. Das hat was!




23 Stunden on the road, 26 Stunden wach, okay, zweimal kurz im Auto eingepennt als Claudia fuhr...
Der Check-In war mir scheißegal.

Ein verspätestes Frühstück mit frischem Kaffe, danach den Wagen leer räumen, ein erster Einkauf mit den wichtigsten Kram und dann ab zum Strand.
Ich weigere mich, ins Meer zu gehen.
Schließlich bin ich ca. 30 Stunden ohne Schlaf.
Aber Claudia und Gisela genießen es. Und ich bin neidisch. Und denke, vielleicht ist das Mittelmeer ja doch nicht so schlecht für mich.

Und ab da Urlaub!



Abends auf unserem Balkon.
Das erste San Miguel.
Meerrauschen.
„Gisela, wir sind jetzt im Urlaub angekommen. Weist du, wo wir sind?“
„Klar. Wir sind in Gelsenkirchen. Schön ist es hier!“
„Nein. Wir sind in Spanien. Am Meer. Und wir machen es uns schön!“
„Ach. Ihr seid lieb. Wollt ihr nicht danach bei mir einziehen? Ihr könnt auch meine Häuser (?) erben.“

Wir leben jetzt seit über zwei Jahren bei ihr. Aber schön, dass sie und das erneut anbietet. Und das Erbe ist längst auf die Geschwister aufgeteilt und uns bleibt so gut wie nix, aber das ist ja auch völlig egal.
Was bleibt, ist der erneute Vertrauensbeweis. Und der ist schön.
Und natürlich musste sie danach wieder auf die Toillette.

Samstag, 22.00 Uhr.
Ich bin jetzt 36 Stunden ohne Schlaf. Davon 16 Stunden aktiv am Lenkrad.
Ich schlafe ein. Tief und fest.


Und mich nervt nur bedingt, dass wir kein Wlan haben und ich mich nicht direkt melden kann...





Donnerstag, 15. Juni 2017

Wir sind dann mal weg




Aron ist in der Tierpension und es scheint ihm zu gefallen, Claudia packt die letzten Taschen und ich habe die Scheiben vom Auto nochmal geputzt.
Morgen früh geht es los, die Fahrt dauert mit Pausen mindestens einen Tag, aber was soll man machen, wenn man nicht fliegen kann und die geliebte Frau unbedingt ans Mittelmeer will…
Egal – ich war schließlich in einem meiner früheren Leben auch Taxifahrer und Medikamentenkurier und bin durchaus in der Lage, auch lange Autofahrten zu schaffen. Bloß, das ich mittlerweile doch mehr und längere Pausen brauche.
Außerdem: Claudia und ich wechseln uns beim Fahren ab.
Und Gisela wird eh spätestens alle zwei Stunden ne Pinkelpause brauchen.

Es ist Wahnsinn.
Aber ich freue mich auf das Meer und sehe den Urlaub als Chance, nen Break in die Turbulenzen der letzten Zeit zu setzen und danach mit frischen Kräften neu durchzustarten.
Die letzten Tage, die mit Packen und Reisevorbereitungen gefüllt waren, lösten bei Gisela irgendeinen Demenzschub aus. Oder verstärkten ihre anderen psychischen Erkrankungen, von denen wir wissen, dass es da was gibt, es aber nicht genau klassifizieren können. Selbst ihr Neurologe und Psychiater geht da nicht mehr dran, eine 77-jährige Dame, die bisher damit überlebt hat, kann man nicht mehr therapieren.
Anyway: Sie weint, verhält sich devot, macht aber bewusst (Doch! Ich bin mir sicher!) Blödsinn, sobald man ihr auch nur den Rücken zukehrt. Und verhält sich eindeutig egozentrisch und egoistisch und boshaft.
Sorry. Ist so.
Claudia und ich haben ein 77-jähriges ADHS-Kind.
Naja, wir wussten, worauf wir uns einließen (außer die Trennung von dem „Lebenspartner“, die hatten wir nicht auf dem Schirm…). Aber ab und zu muss ich auch n bisschen stöhnen dürfen.

Jetzt geht es unter die Dusche und dann ab ins Bett.
Damit ich morgen früh fit bin.
Ich bin leicht beunruhigt, aber voller Vorfreude.

Ich werde berichten…