Freitag, 29. November 2013

Vinyl -Eine Liebeserklärung:



Vinyl!!!
Kratzer!!!

Passend zum heutigen Record Store Day machte ich mich auf und besorgte mir einen Plattenspieler von einer Freundin, die behauptet, ihn nicht mehr zu gebrauchen.
Als Dauerleihgabe sozusagen.

Passenderweise hatte sie auch noch ne Plattensammlung, bei der ich mich auch bedienen durfte (da waren einige Sachen dabei, die ich damals abgegeben habe, als ich auf CDs umstieg).

So.
Und jetzt geht es los!

Ich fange an mit Nick Cave – Live at KCRW.
Pünktlich rausgekommen und das erste Vinyl nach ca. zwanzig Jahren, das ich mir dann doch kaufen musste.
Die neuen Scheiben sind dicker und wesentlich schwerer, als die Schallplatten der damaligen Zeit.
Okay. Wollen wir mal schauen – nee – Quatsch: Wollen wir mal hören!

Mein Tinnitus stört und mein Hörvermögen ist nicht mehr das Beste. Trotzdem bilde ich mir ein, mehr Tiefe und Wärme rauszuhören.
Und diese Konzertaufnahme  ist eh total unschlagbar gut.

Und dann das Prozedere!
Ich halte das Album in meinen Händen, ziehe vorsichtig die Platte aus der Hülle, lege sie auf den Plattenspieler, säubere sie und lasse dann vorsichtig den Tonarm auf das Vinyl sinken. Und es geht los!
Nach ca. 20 Minuten dann umdrehen, danach die zweite Scheibe, immer wieder das Cover in den Händen.
Einfach schön!

Als zweite Platte greife ich zu Bob Mould – Workbook.
Bobs erstes Solo-Album nach Hüsker Dü. Aus unerklärlichen Gründen schleppe ich die Platte seit 1989 bei jedem Umzug mit.
Wow!
Kratzer!
Ich hatte ja erwartet, dass mich die Kratzer bei den alten Platten stören würden, aber erstens sind sie nicht so schlimm, wie ich dachte und zweitens untermalen sie eher die Musik. Zeigen mir meine damaligen Lieblingslieder und erzählen Geschichten.
Every picture tells a story – jeder Kratzer auch.
Wundervoll!
Und die Scheibe ist eh eines der Meisterwerke, die ich auf eine einsame Insel mitnehmen würde…

Danach dann Cochise – Live. Funktioniert komischerweise heute Abend nicht.
Also Manderley – fliegt Gedanken, fliegt.
Die Vorläufer von Cochise lassen mich schweben und rufen die Erinnerungen an alte Zeiten zurück.

Und die Liste der Platten dieser Nacht ist noch sehr lang…

Zum ersten Mal seit 15 Jahren höre ich dann eine Aufnahme von mir.
Das war nicht leicht zu gehen“ von einer Dortmunder Compilation von 1999 (Unbekannte Elemente, Ottomatik 1999, Deck 8 Records). Habe ich damals mit einem Synthie-Freak aufgenommen. Und die Platte stand in meinem Archiv, da ich eben keinen Plattenspieler hatte.
Wow! Ich konnte damals noch lesen!
Ich muss das unbedingt digitalisieren und verbreiten, aber solche Sachen dauern bei mir unendlich lange…

Ich höre viel bewusster. Wenn ich einzelne Lieder hören möchte, dann muss ich aufstehen und die Nadel auf dieses Lied justieren.
Und höre am Knacken der Leerrillen, dass dies nicht zum ersten Mal geschieht.
Schwärm!

Highlight des Abends / der Nacht: Richie Havens – Portfolio.
Ein Schatz von 1973. Schön gemachtes Klappcover mit liebevollen Zeichnungen von Richie als Beilage.
Während ich die Platte höre betrachte ich die Zeichnungen. Und habe das Cover in den Händen. Und verschmelze mit der Musik. Der Gitarre und dem Gesang von Richie.
Auf CD hätte mich diese Scheibe nicht so berührt, als iTune oder MP3 auf dem Compi wäre sie wahrscheinlich irgendwann untergegangen.
Und dann die Kratzer!
Diese Platte lebt!
Seit 1973 (und damals habe ich Bernd Clüver gehört…).

Doch: Vinyl ist lebendiger. Und der Sound ist wärmer. Und da ist mehr Seele.
Und Kratzer und Knacken gehört dazu.

Meine ersten CDs habe ich vor 30 Jahren gehört.
In meiner Zivildienstzeit habe ich einen MS-Kranken Mann bis zu seinen Tod betreut.
Und der hatte diese neue Technik. Und ich war erstmal begeistert und hatte das Piano bei Sympathie fort he devil vorher nie so deutlich gehört. Ich kam nicht darauf, dass das auch an meiner scheiß Anlage liegen könnte…
Außerdem war es unkomplizierter und pflegeleichter und ich musste auch nicht so oft aufstehen, um die Platten umzudrehen.
Also CDs. Und die Cover-Kultur starb, außer bei unbezahlbaren Sondereditionen…
Und irgendwann dann der Computer und Musik über den Computer.
iTunes macht es leicht. Und ich habe mittlerweile meine meisten CDs digitalisiert und finde sie dort schnell, kann mit ein paar Fingerklicks Compilations erstellen und finde das auch okay. Aber die Seele wurde / wird nicht so tief berührt.

Vor ca. 20 Jahren verkaufte (ich brauchte jeden Pfennig) und verschenkte ich meine komplette Schallplattensammlung.
Vor ca. 3 Jahren fing ich immer mehr an, Schallplatten zu vermissen.
Jetzt habe ich wieder eine kleine Plattensammlung und einen Plattenspieler und schwebe zu Gil Scott-Heron – The Revolution will not be televised.
1974. Göttin! Da war ich elf Jahre alt! Und hatte keinerlei Ahnung…

Jetzt werde ich 50 Jahre alt. Und habe immer noch keinerlei Ahnung.
Aber habe das Vinyl für mich wieder entdeckt.

Natürlich werde ich weiterhin CDs hören, weiterhin Musik über meinen Compi laufen lassen.
Aber es wird immer öfters diese Momente geben, wo ich eine Platte aus dem Cover ziehe, sie vorsichtig auf den Plattenteller lege, kurz säubere und dann die Nadel senken lasse und in die Musik abtauche.

Ich bin hin und weg und lege jetzt Van Morrison auf, damals kaufte ich mir meine erste CD von ihm, jetzt funktioniert er auch auf Vinyl.
Mit noch mehr Seele…





Samstag, 23. November 2013

Doofmund-Bauern, Hermann allein zu Haus zündet Kerzen an und macht sich Gedanken über seine Freunde...




Ein Opa-Fernsehsessel. Darin ein alter Mann in Liegeposition vor der Glotze, der sich Doofmund gegen die Bauern anguckt.

Ein wirklich gutes Fußballspiel mit einem wirklich schlechten Ergebnis.
Und mit Götze und dieser Robbe machen gerade zwei meiner absoluten Hassspieler (der dritte ist Neuer…) zweidrittel der Bauerntore. Fuck.
Aber immerhin habe ich festgestellt, dass es zwei Bauernspieler gibt, die ich nicht hasse: Dante und Alaba sind okay. Scheinbar hat dieser Bayern-Virus, der alle Spieler zu hochnäsigen, arroganten Arschlöchern mutieren lässt, bei den beiden noch nicht gewirkt…

Ansonsten geht mir das ziemlich am Arsch vorbei.
Meine Bochumer haben es gestern schon geschafft, in einer Stadt, die es gar nicht gibt, zu gewinnen.
Das ist wichtig.

Und mein Fernsehsesselplatz.
Den ich jetzt wieder mit dem Schreibtischplatz ausgetauscht habe.

Aus der Anlage Miles Davis. Die wunderbare „Kind of blue“.
Jazz kann ich nicht hören wenn Claudia da ist.
Die wird da wahnsinnig und aggressiv. Jetzt geht das.
Und ich schwebe…


Hermann allein zu Haus.
Das sind wieder Nächte am Schreibtisch.
Ich gestehe, das sind ein paar Zigaretten zu viel (okay: jede ist eine zuviel…).
Ansonsten bin ich recht vernünftig. Und achte auf mich. Und esse genug.
Claudia braucht sich keine Sorgen zu machen.
Macht sie trotzdem, da bin ich mir sicher.
Ich zünde jeden Abend eine Kerze auf meinem Schreibtisch an und habe in Gedanken an Claudia sogar schon freiwillig n Räucherstäbchen angemacht.
Ich vermisse sie…
Und habe die nächste Woche mit allen möglichen Kram vollgepackt…


By the way:

Ich zünde Kerzen an


Eine
für Claudias Vater
den ich nicht kennengelernt habe
aber wahrscheinlich gemocht hätte
Claudia bat mich darum
und gerne erfülle ich ihren Wunsch

Eine Kerze
für meinen Vater
der Claudia nicht kennengelernt hat
aber mit Sicherheit geliebt hätte
Viel zu selten war er stolz auf mich
und ich weiß nicht
ob er es jetzt wäre
dabei entdecke ich immer mehr Ähnlichkeiten zwischen uns
Bloß mit Karriere
und mit dem Stammhalter
das muss er eben endgültig abschreiben
Mir ist es egal

Eine Kerze
für all die anderen Verstorbenen
die ich unmöglich alle in einen Text packen kann
und die trotzdem in meinem Herzen sind
Eine Kerze für alle meine lebenden Freunde
die mein Leben sichern
und da bin ich reich
wenigstens da…
Und natürlich eine Kerze für Claudia
die in ihrem Zimmer in der Reha keine Kerzen anzünden darf

Last and least
eine Kerze für mich
Sie brennt nicht so warm
wie die Kerzen
die andere für mich angezündet haben
in Momenten
wo ich es dringend brauchte
Aber sie brennt

Ich zünde Kerzen an
und drehe die Heizung aus
Einem alten Mann am Schreibtisch wird warm…



Ne gute Freundin hat mir heute eine Standpauke gehalten. Und sie hat Recht.
Ich habe mich im Laufe des Jahres viel zu wenig um meine Freunde gekümmert, mich viel zu selten gemeldet und viel zu wenig die Kontakte gepflegt, denen ich immerhin verdammt viel verdanke.

Nicht jede/r ist bei Facebook. Nicht jede/r kann Mails empfangen – außerdem ist das ja auch noch sehr unpersönlich.

Meine Rechtfertigungen (einfach ein scheiß Jahr, Gesundheitsprobleme, Depressionen, Geldsorgen, Zukunftsängste, Nervereien, Beziehungskämpfe, kein Bock auf Jammern…) ließ sie nur zum Teil zu. Und wieder hat sie Recht.

Meine Freunde haben mir mehr als einmal den Arsch gerettet. Sie sind der Grund, weshalb ich noch lebe. Und dann schweige ich beinahe ein Jahr!
Momentan fühle ich mich arschig. Und habe ein schlechtes Gewissen.

Mit Claudia lebe ich auf engem Raum. Und letztes Jahr hockten wir fast immer aufeinander. Und lebten unsere Ängste und Schmerzen. Das war wichtig, aber mein Kopf war nicht frei für andere Menschen.

Mein Freiraum war der Compi.
Ich erweiterte meinen Horizont und lernte neue wirklich nette Menschen und tolle Schreiberlinge kennen und irgendwann hatte ich gar keinen Überblick mehr.
Und wenn da ein Berg an unbeantworteten Mails, Briefen und Telefonaten entsteht, dann besteigt man entweder diesen Berg, oder man zieht die Decke über den Kopf.
Ich zog die Decke über den Kopf.

Werde ich es schaffen, da wieder raus zu kommen?
Werden meine Freunde und Freundinnen mir verzeihen?
Claudia hatte mich im letzten Jahr öfters gewarnt und ermahnt.
Aber ich bin einfach beratungsresistent.

Okay.
Ich werde es probieren.
Und fange an, die Liste abzuarbeiten. Es ist keine Arbeit, es ist Leben und es macht Spaß.
Nicht nur aus Verpflichtung, sondern weil ich es will.
Ich liebe meine Freunde!


Miles Davis ist mittlerweile von Tom Waits ersetzt worden.
Ich schwebe weiterhin.
Gute Nacht!

Donnerstag, 21. November 2013

Ich oute mich mal:



Bekenntnis eines Toten Hosen Fans

Die Toten Hosen?
Das war vielleicht mal ne Punkband, aber die Zeiten sind lange vorbei.
Punk? Rock? Pop?
Hitparadentaugliche Hymnen, die sogar von der CDU gesungen werden?
Mir scheißegal.
Ich mag die Hosen.
Mochte sie eigentlich fast immer.
Ich stehe auf Pathos, mag Hymnen, bei denen ich mich nicht schämen muss.
Natürlich ist Campino die bestimmende Frontsau.
Und natürlich nervt er auch mit seiner Medienpräsenz.
Aber er ist ein Charismatiker. Nicht der Schlechteste.
Und dabei besser als Bono von U2, der nur noch predigt. So what?
Die Band macht ihren Job. Und den machen sie gut, eigentlich sogar besser, als Campino: musikalisch haben sich die Toten Hosen weiter entwickelt, der Gesang ist (live) eher schlechter geworden, selbst Campino wird alt.
Natürlich kommt die neue Live CD zum Weihnachtsgeschäft, sie wird gekauft werden. Na und?
Ich habe mir das Ding heute angehört und es kamen Erinnerungen an mein Konzert dieses Jahr hoch. Und ich habe dabei gelächelt und mitgewippt.
Ich glaube, da ist ne Masse Missgunst dabei, wenn man Campino einfach nur Scheiße findet.
Ich finde Maffay größtenteils scheiße (und selbst da – ich weiß nicht…), ich hasse Bohlen, Campino scheint zumindest Mensch geblieben zu sein.
Ich mag die Hosen einfach. Genau wie die Ärzte.
Aber ich bin eh für den Mainstream empfänglich.
Und für Hymnen.
„Freunde“ von den Hosen finde ich genial. „An Tagen wie diesen“ ist n guter Song, den ich aber leider kaum noch hören kann, weil er durchgedudelt und missbraucht wurde.
Natürlich ist die Live-Platte unnötig.
Aber wer sie mag, der soll sie sich holen.
Hosen-Fans sind doof. Aber das sind Fans von was oder wem auch immer doch meistens. Und Düsseldorfer sowieso.
Ich mag die Hosen. Und werde mir das Album holen.
Ich weiß, dass ihr mich für doof betrachtet. Ist mir scheißegal.


Mittwoch, 20. November 2013

LiebesLeben: Werbung für den Extraball



Es wird mal wieder Zeit, meinen aktuellen Gedichtband zu bewerben.
„Extraball“, erschienen beim Acheron-Verlag.



Mein persönliches Statement dazu:

„Prosaische Lyrik: Geschichten in Versform. Ohne Reim und doppelten Boden. Meine Krebsverarbeitung taucht auf, nimmt aber nicht mehr den größten Raum ein. Stattdessen die Liebe und meine Frau Claudia. Und unsere Hündin. Und Erinnerungen an bleibende Erlebnisse einer harten aber geilen Vergangenheit. Und die Verwunderung und Verzweiflung über die aktuelle politische Weltlage. Und natürlich Rock’n’Roll.
Extraball ist größtenteils optimistisch und lebensbejahend. Trotz all der Scheiße. Die literarische Qualität sollen andere beurteilen. Mir hat das Schreiben Spaß gemacht und ich bin mir sicher, dass das Lesen auch Spaß machen wird.
Nicht intellektuell abgehoben sondern immer am Pulsschlag des Lebens, und den findet man halt auch auf dem Boden.“

112 Seiten, eingeschweißt (es sei denn, ihr wünscht ne Widmung…).
9,90€+1,45€ Porto.
Bei mir zu bestellen: hermann.borgerding@gmail.com
Schreibt einfach ne Mail mit eurer Postadresse und ich schicke es euch mit Rechnung/Bankverbindung (auch Dichter haben Durst…).

Und als Appetitanreger ein Gedicht aus dem Buch:

LiebesLeben

Liebe nervt
Leben nervt
Leben endet immer mit dem Tod
Liebe endet nie
sie ist wandelbar
und reicht selten auf Dauer aus
aber sie endet nicht
Jeden Tag sterben wir ein Stück mehr
jeden Tag leben wir

Meine Trauer
über das Ende
einer unendlichen Geschichte

Leben ohne Liebe ist Scheiße
leblose Liebe zum Kotzen
liebloses Leben unmöglich

Das ist mein Leben
das ist meine Liebe
ich kann nicht anders

Ab und zu existiere ich einfach so vor mich hin
meistens lebe ich
meistens liebe ich

Ich bin wie ich bin
mit all meinen Widersprüchen
manchmal tut mir das Leid
aber manchmal
stehe ich auch dazu
und das
sind dann die guten Momente