Ähnlich wie Van Morrison war ich mal mit Fensterputzen
beschäftigt.
Mit 21 Jahren musste ich Zivildienst machen (für die
Jüngeren: Es gab in der BRD für gesunde junge Männer ne Wehrpflicht. Und wer
den Kriegsdienst verweigerte musste eine schriftliche Begründung abliefern und
eine „Gewissensüberprüfung“ bestehen, um als Kriegsdienstverweigerer anerkannt
zu werden. Danach kamen dann 16 Monate „Zivildienst“.). Ich verpflichtete mich
beim MSHD der AWO in Castrop-Rauxel.
MSHD war (ist?) die Bezeichnung für „Mobiler sozialer
Hilfsdienst“. Der MSHD in Cas beschäftigte ca. 20 Zivildienstleistende. Und wir
mussten im Haushalt helfen, leichte pflegerische Tätigkeiten (oft an der Grenze
der Legalität, aber das sollte mir erst später klar werden) durchführen und
behinderte Menschen betreuen.
Unser Team war Spitze (klar, lauter Gleichgesinnte), es gab
durchaus interessante Einsätze und ich lernte interessante Menschen und für
mich neue Facetten des Lebens kennen.
Wahrscheinlich war mein Zivildienst ausschlaggebend dafür,
dass ich mich dann später für eine Arbeit in der mobilen Krankenpflege
entschloss.
Aber es gab auch Horror-Einsätze.
Viele Witwen (es waren fast immer Witwen, selten Witwer. Und
ich dachte mir oft: Kein Wunder, dass diese Ungeheuer ihre Männer überleben!)
buchten uns, um den Hausflur oder die Fenster putzen zu lassen, den Großeinkauf
zu erledigen und halt solchen Kram.
Wir waren billiger als private Haushaltshilfen und ich wurde
den Verdacht nicht los, dass sie uns nahmen, weil sie uns auch mehr
schikanieren konnten.
Bei den Fenstern hatte jede dieser Witwen ihre persönliche
Art des Putzens. Und akzeptierte keine andere Art und Weise.
Glasreinigungssprays, die gut funktionieren, waren Tabu.
Ein (zugegebenermaßen extremes) Beispiel:
„Erstmal die Rahmen. Dafür dieses Wasser mit
Allzweckreiniger und dieser Lappen. Trocken wischst du (wir wurden fast immer
geduzt, ich fand das okay) das mit Papier von der Haushaltsrolle.
Den Dreck wischst du mit warmen Wasser aus diesem Eimer ab.
Nimm den grünen Lappen dafür und wringe ihn nachher gut aus.
Danach musst du mit warmen Wasser und Spülmittel aus diesem
Eimer das Fenster sauberputzen, dafür dieser Schwamm.
Dann kommt der Eimer mit dem kalten Wasser, um das
Spülmittel abzuwaschen und anschließend nutze diesen Lappen, der in Essigwasser
eingetunkt war.
Jetzt mit Zeitungspapier polieren.
Und zum Abschluss noch mal mit einem Trockentuch überall
gründlich drübergehen.
Nach jedem Fenster bitte das Wasser wechseln!“
Okay. Vier verschiedene Wassereimer, vier Putzlappen,
Haushaltsrolle, Zeitungspapier, Trockentuch. Wasserwechsel für jedes Fenster.
Sechs Fenster insgesamt. Zwei Stunden Zeit und eine Witwe, die argwöhnisch die
ganze Zeit hinter mir stand und jeden Handgriff beobachte. Und Scheiße laberte.
Ich hasste diesen Einsatz!
Zum Glück musste ich ihn nicht oft machen, fast alle
Kollegen hassten ihn, aber einer meldete sich freiwillig dafür. Und verriet
mir, wie er das schaffte:
„Bevor ich zu ihr reingehe rauche ich mir einen Joint. Dann
ist die unsinnige und blöde Putzerei beinahe Kontemplation. Und ihr Gelaber wie
Wellenrauschen. Und beim Fensterputzen habe ich zumindest keine Verantwortung.“
Seit meinem Zivildienst kann ich Fenster putzen. Und hasse
es.
Ich kann auch Flur putzen. Und hervorragend dabei pfuschen.
Aber das hasse ich auch.
Für sieben Lebensmittel in vier unterschiedlichen
Supermärkten einzukaufen fand ich auch nicht toll. Aber die Dame hatte die
Prospekte gelesen und sparte dadurch 2,- DM, da sie alle Angebote wollte. Das
ich dadurch aber eine halbe Stunde länger brauchte, die sie 5,-DM kostete,
verstand sie irgendwie nicht.
Soviel zu meinem Zivildienst. Ich könnte noch wesentlich
mehr schreiben, mein Blog ist da eher ungeeignet.
Generell war es eine geile Zeit.
Aber jetzt ist das über 30 Jahre her.
Vorgestern habe ich die Fenster meines Arbeitszimmers
geputzt. Es wurde auch Zeit! Zumal ich seit über sechs Wochen nicht mehr rauche
und der Gilb vom Fenster endlich wegmusste. Wir haben halt so viele Baustellen
an und um das Haus herum, so dass ich einfach nicht dazu kam. Das Ergebnis ist
toll, auch wenn ich nur einen Eimer Wasser, Glasreiniger, einen Lappen, ein
Trockentuch und Haushaltsrolle benutzte.
Irgendwann werde ich einen Fensterputzer engagieren. Und
während er die Fenster des Hauses putzt werde ich genüsslich ein Bier trinken
und grinsen…