Donnerstag, 24. März 2016

Nostalgiesoundtrack der 80er: Cochise



Cochise –
Nostalgiesoundtrack aus einer Zeit, wo Revolution noch ein erstrebenswerter Traum war

Ostern 2016. Desillusioniert sitze ich an meinem Schreibtisch. Es ist nasskalt. Und ich summe in meinem Hirn „Schnee zu Ostern“ von Cochise. Und höre mich dann durch die Musik dieser Band. Nostalgiekino. Und ich schwebe.

Cochise begleiteten mich seit meinem 16ten Lebensjahr. Ich weiß nicht mehr, wie viele Konzerte ich von ihnen feiern durfte. Es waren viele.
Und ab und zu höre ich diese Band immer noch. Und tauche in meine Zeit von 16 bis 21 ein.
Damals. Anfang der 80er. Als wir von der Revolution träumten.

Das erste Mal hörte ich sie, bevor es diese Band überhaupt gab. Pit Budde und Klara Brandi spielten akustisch in der Tangente, eine Kneipe, die in meinem Heimatort Castrop-Rauxel bei den Erwachsenen als Drogenhöhle verschrien war. Natürlich zog es uns deshalb immer dort hin.
Pit und Klara begeisterten. Und ich war Fan.

Messalla, eine damals angesagte Deutschrockband mit Jazzeinflüssen, machten den Fehler, Pit und Klara zur Veröffentlichung ihrer Debut-LP im Vorprogramm spielen zu lassen: Pit und Klara begeisterten und die Halle tobte, bei Messalla verließ die Hälfte des Publikums den Saal. Zu gefühllos und kalt wurde die Platte Ton für Ton nachgespielt, dabei hatten Pit und Klara die Stimmung auf Spontanität und Begeisterung geschraubt.

Nach den Auftritten von Pit und Klara (und nach Manderley, eine Dortmunder Folk-Combo um die beiden, aber das sollte ich erst später wahrnehmen) kam dann Cochise.
Und die LP „Rauchzeichen“.
Und die zarten Revolutionsträume im Ruhrpott hatten ihre Hausband. Sozusagen die Dortmunder Antwort auf die Scherben (heute sag ich mal: Na Ja…).

Cochise, das waren Pit Budde (Gitarre, Gesang), Klara Brandi (Bass, Querflöte, Gesang), Günther Holtmann (Gitarre), Peter Freiberg (erster Schlagzeuger), Thom Kühn (zweiter Schlagzeuger), Gert Rickmann-Wunderlich (dritter Schlagzeuger), Dorle Ferber (Violine, Sax, Gesang), Martin Paul (an den Tasten der Live-Aufnahme) und die AktivistInnen der Öko- und Friedensbewegung im Publikum, die AnarchistInnen und StraßenkämpferInnen der 80er, die Fans.

Obwohl medial eher geächtet spielten sie unzählige Konzerte und verkauften massig (I hope so) Platten.
Und wurden in der Szene geliebt.

„Wir sind nicht hilflos
 Nein, wir sind viele!
 Ihr lehrt uns jeden Tag
 Euch mehr zu hassen!“

Cochise lieferten unseren Soundtrack.
Heutzutage klingt das naiv, damals powerte es auf.

Mit Grinsen gestehe ich, dass „Rock’n Roll Rentner“ mein Lieblingslied von ihnen war und irgendwie immer noch ist. Ein peinlicher Song über Rock’nRoll Träume, schwülstig von Günther gesungen. Ich lach mich jedes Mal schlapp, wenn ich es höre, befürchte aber, dass es ernst gemeint war.

Aber die Freiheitsträume: Die untermalten Cochise wunderbar.
„Schnee zu Ostern“, „Jetzt oder nie – Anarchie“, „Die Erde war nicht immer so“: So stellten wir uns unsere Revolution vor.



Die Träume der 80er sind gescheitert.
Cochise wurden zwangsläufig zum Nostalgiesoundtrack.
1988 machten sie ihre Abschiedstournee.

Ostern 2016.
Meine Frau schmückt die Wohnung, ich tippe vor mich hin.

Pit Budde spielt mittlerweile hauptsächlich World-Music.
Und ist soweit ich weiß als Musikpädagoge unterwegs.
Das passt: Er hatte schon immer ne etwas nervige pädagogische Ader.
Und sein Ovation-Sound ist heute kaum noch zu ertragen. Damals habe ich ihn geliebt.

Peter Freiberg wurde Sänger der Conditors. Ihr erstes Album ist obergeil, auch wenn sie danach eher auf Schlager machten. Seine Solo-Karriere begann auch sehr vielversprechend. Ich habe keine Ahnung, was daraus geworden ist…

Thom Kühn war der Wirt meiner Stammkneipe in Castrop-Rauxel. Strandcafe.
Dort wurde ich sozialisiert.

Günther Holtmann zapfte in der Kneipe und mischte Cocktails. Ein absolut geiler Gitarrist. Nach Cochise spielte er viel im Studio und (wie ich gehört habe) kurzfristig bei Phillip Boa. Der ihn feuerte, weil Günther eben auch bei Schlagern mitspielte. Boa ist ein Arsch.
Von Günther habe ich mein Lieblingszitat zu Cochise:

„Ist okay. Macht Spaß. Aber verdammt nochmal, von allen Bands haben wir das hässlichste Publikum!“

Er hatte Recht. Und ich gehörte in meinem Strickmantel und mit meinem Vollbart damals eindeutig dazu.

& Ich habe keine Ahnung, was aus den anderen Indianern wurde…



Cochise passen nicht in die heutige Zeit.
Im Unterschied zu Ton Steine Scherben, die zeitlos immer funktionieren.
Trotzdem: Bei einer Nostalgie-Reunion in Originalbestzung stände ich (wie viele Mit-Fünfziger) in der ersten Reihe.
Und würde mir dafür eine Latzhose lila färben.





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