Sonntag, 13. März 2016

Ich schäme mich ein Deutscher zu sein



Momente, die mir Gänsehäute auf meine Arme zaubern und mich an die Menschheit glauben lassen:
In Doofmund erleiden bei einem Bundesligaspiel zwei Menschen einen Herzinfarkt. Das ganze Stadion verfällt in Schweigen, singt zum Ende gemeinsam für die beiden Zuschauer „You’ll never walk alone“.
Das ist schön.
Das ist Leben und gelebte Solidarität.
In Darmstadt ist ein Fan des Vereins nach langer Krankheit und bewunderungswürdigen Kampf gestorben. Und sowohl die Darmstädter, als auch der aktuelle Gegner, die Augsburger, tragen Trauerbinden und Solidaritätsarmbänder und die Fans verbrüdern sich im Gedenken an Johnny.
Und ich ertappe mich dabei, wie ich ein paar Tränen vergieße.
Solche Aktionen sorgen dafür, dass ich den Fußball weiterhin und immer liebe. Und vor allem die Fans.



Und dann Wahlen in drei Ländern.
Gegen meine Befürchtungen keine geringe Wahlbeteiligung.
Und meine Ängste vor den Wahlergebnissen wurden übertroffen.
Die AfD ist in allen drei Ländern zweistellig, in Sachsen-Anhalt sogar bei ca. 24
%.
Scheiße.

Nein: Die AfD ist keine reine Protestwählerpartei.
Und jeder Mensch mit nur einem Promille Hirn hätte auch das Wahlprogramm oder wenigstens Kernaussagen daraus wahrnehmen müssen.
Die AfD gehört zu Deutschland und zu stumpfen Stammtischparolen, die hier nicht aussterben.
Und sowohl CSU (na klar), CDU (n bisschen), SPD (ohne eigenes Profil bedient man sich halt überall) und die Grünen (Realpolitiker – nix sonst!) haben ja schon die Stammtischparolen übernommen.
Die AfD hat die Menschenfeindlichkeit und die Angst in Dland genutzt und zum Programm gemacht.
Und hat Erfolg bei einem Volk der Duckmäuser und Untertanen.
Und sie hat es leicht:
Weil niemand mehr den Mut hat, wirklich fortschrittliche und freiheitliche Ideale zu fördern.
Sicherheit geht über alles.
Und wir enden alle in einer Friedhofsruhe.
Sicher – aber nicht mehr lebendig.
Und dann kommt der Faschismus.

Ich ertappe mich mit Auswanderungswünschen.
Aber: Wie? Und wohin?
Kann ich das den Flüchtlingen erklären, die gerade in diesem Land ihre einzige Chance sehen?
Außerdem: Hier bin ich geboren. Hier gehöre ich hin.
Auch wenn ich momentan scheinbar nicht mehr dazugehöre:
Dies ist auch mein Land!

Ich will Visionen und Zukunftsaussichten.
Realpolitisch heißt das zum Beispiel mehr soziale Gerechtigkeit und menschenwürdiges Leben für alle.
Ich finde, dass wir hier in Dland immer noch in einer halbwegs funktionierenden Demokratie mit ziemlichen vielen Freiheiten leben.
Aber ich will mehr. Nicht weniger.
Und ich will nicht nur verteidigen, was wir haben, sondern Neues erschaffen.

Die Wahlen heute haben mir gezeigt, dass die dummdeutschen Menschenfeinde leider wesentlich mehr Zustimmung erhalten.

Das
will ich nicht
mehr.

Deutschland:
Ich gehe erst mal ne Runde kotzen…



Mir geht es nicht nur um Wahlen, eigentlich sind die mir egal.
Und die SPD ist schon lange nicht mehr „Sozial“, geschweige denn „Sozialistisch“. Und die CDU und vor allem die CSU sind rechtkonservative Mutanten der Vorzeit. Und die FDP dürfte es nicht mehr geben. Und die Grünen sind einfach nur machtgeil und die neue FDP. Und die Linken sind nicht eindeutig und kritikresistent und zerrissen.
Außer Angela Merkel haben wir in Dland keine/n PolitikerIn mit Format (schreibe ich das wirklich? Ja. Ich gehe kotzen…).

In diese Lücken drängen keine neuen Visionäre. Die scheint es nicht zu geben.
Und damit ist der Nährboden für eine demokratiefeindliche und menschenhassende „Partei“ gelegt: Welcome AfD.
Und SPD/CDU/CSU/Grüne/FDP übernehmen die populistischen Schweinereien anstatt klare Position für Menschenrechte zu beziehen.
Und bekommen ihre Quittung.

Und ich bekomme Brechreiz.
Will nur weg.
Wohin?
Oder will was ändern.
Aber wie?



Momentan schäme ich mich
Deutsch zu sein

Aber da habe ich keine Alternative.







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