Donnerstag, 29. November 2018

Lilly, Uwe und mein Glücksgefühl


Ich hab ja sonst nichts zu tun und nicht genug andere Baustellen.
Oder: Wie mir eine an sich bescheuerte Aktion beinahe euphorische Gefühle bescherte:

Meine weltbeste und einzige Frau hat einen Pflegebruder, der alkoholgeschädigt auf die Welt kam, unter ADHS leidet und mehrere Behinderungen hat.
Ein absolut zuverlässiger Typ, der sein Leben trotz Grundsicherung und Betreuung irgendwie immer geregelt kriegt und -soweit er kann – immer hilfsbereit ist.
Ja klar, er kann nerven. Er ist anstrengend. Aber ich stehe zu ihm. Man muss halt die Hälfte seiner Erzählungen relativieren und nicht alles ernst nehmen.
Aber Uwe ist okay.

Vor ca. acht Jahren wurde eine Katze von einem Balkon geworfen. Ein Baby. Und Uwe fand es. Später wurde daraus, dass er die Katze vor dem Abflug aufgefangen hat. Egal.
Er nannte die Katze „Lilly“, ging sofort zum Tierarzt, ließ sie impfen und adoptierte sie.
Mit Grundsicherung hat man kein luxuriöses Leben. Lilly hatte es: Der beste Kratzbaum, das beste Katzenstreu, das beste Futter (und da machte sich Uwe wirklich schlau) und ganz viel Liebe.
Uwe hatte sonst nicht viel in seinem Leben, aber seine Katze immer.

Jetzt hatte Lilly Blut im Urin. Und Uwe ging sofort zum Tierarzt, der einen Blasenstein feststellte, der sofort operativ entfernt werden musste, sonst würde Lilly in naher Zeit sterben oder eingeschläfert werden müssen.
Die OP sollte 420,-€ kosten, eigentlich nicht viel, aber für Uwe unmöglich.
Sein Betreuer schüttelte den Kopf und sagte, dann müsse die Katze halt eingeschläfert werden. Und Uwes Idee einer Spendenaktion hielt er für blödsinnig, da käme nichts rum.
Uwe versuchte es trotzdem.

Vor vier Tagen bat er mich, seinen Spendenaufruf zu teilen. Kopfschüttelnd und skeptisch machte ich das, gab ihn aber andere Tipps: Tierhilfe, Tiertafeln, Ärzte, die faire Ratenzahlungen eingehen, Obdachlosenhilfe (er hat eine Wohnung, aber vielleicht können die ja auch anderen prekären Menschen helfen…). Auf die Schnelle funktionierte da nichts von.
Vor zwei Tagen bat er mich dann die Organisation seiner Spendenaktion zu übernehmen.
Ich hatte da keinen Bock drauf:
Ich mag keine Spendenaktionen und über Facebook finde ich das grenzwertig und da auch nur mit Kreditkarte Zahlungen möglich waren hielt ich das für Schwachsinn.
Uwe zuliebe machte ich es trotzdem.
Und auch für Lilly, obwohl ich eigentlich eher der Hundefan bin.

Meine Frau und ich überlegten schon, die OP vorzufinanzieren, aber wir sind nicht reich und haben zwei Hunde, für die wir immer was in Hinterhand haben müssen. Irgendwie hätten wir da was hingekriegt, aber unsere Überlegungen wurden sehr schnell überflüssig.

Meine Facebookfreunde haben in zwei Tagen den Betrag für die OP gespendet, zur Hälfte über die Spendenaktion und zur Hälfte über mich, der das Geld sofort weiterleitet.
Ich bin geplättet, dankbar, stolz auf die Community und einfach nur happy.

Nächsten Mittwoch wird Lilly operiert. Alles wird gut.
Das gespendete Geld, was die OP-Kosten übersteigt, wird einem Vertrauten von Uwe gegeben für anfallende Folgekosten (Uwe kann selber nicht so gut mit Geld…).

Ich höre und lese immer wieder, dass man sich ein Tier nach gründlicher Überlegung anschaffen soll und bin selbst auch so verfahren:
Meinen ersten „eigenen“ (ein Tier gehört mir ja niemals!) Hund habe ich mir angeschafft, als ich offiziell in Rente ging und damit die Zeit dafür hatte. Und ich habe auch die Finanzen überlegt.
Aber ich habe auch oft erlebt, dass gerade die Hunde von Obdachlosen oder generell die Tiere von Menschen in ärmlichen Verhältnissen mehr Liebe und Zuneigung bekommen, als zum Beispiel die Rassehunde in Mittelschichtsfamilien.

Lilly ist gerettet. Eine achtjährige Katze hat schließlich noch nicht die Hälfte ihrer Lebenserwartung hinter sich.

Und ich bin jetzt einfach mal tierisch gut drauf, dass das funktioniert hat.
Und liebe plötzlich wieder Facbook.

1 Kommentar:

  1. Das ist ja eine richtige Weihnachtsgeschichte! Sehr schön, da sieht man, dass es noch gute Menschen gibt.

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