Mittwoch, 15. Juni 2011

Warm ums Herz


Warm ums Herz
Für Thomas

Der Typ ist mindestens ein Gedicht wert, aber er mag keine Gedichte. Außerdem ist diese Seite für einen Wettbewerb, der eine Ein-Seiten-Story verlangt. Also.
Früher wurden wir immer für Brüder gehalten. Und er wurde als mein jüngerer Bruder angesehen. Dabei ist er drei Jahre älter. Fuck.
Mittlerweile sehe ich aus, als könnte ich sein Vater sein, aber das ist eine andere Geschichte und die hat mit Krankheit zu tun und da wird mir nicht warm, sondern furchtbar kalt ums Herz. Deshalb gibt es die hier nicht.
Ich könnte Romane mit den Geschichten unserer Freundschaft füllen. Ich sollte ihm ein Denkmal setzen, so oft, wie er mir schon den Arsch gerettet hat.
Über zwanzig Jahre geht das schon so. Unsere Geschichten waren früher voller Suff und Chaos, sind immer noch voller Musik und Rock’n’Roll. Laurel und Hardy. Statler und Waldorf aus der Muppet Show. Die Glimmer Twins. Männerfreundschaft ist eh durch nichts zu ersetzen.
Zum Beispiel dieser Tag am Meer in Holland. Wir waren mit anderen Freunden zu Pfingsten zelten (Tradition verpflichtet) und setzten uns zum Frühschoppen in die Doorpstaverne. „Vier Pils und vier Bessen“ war der Beginn einer tödlichen Zecherei. Jeder bestellte eine Runde, dann ging der Kreis von vorne los, dann schwamm irgendwann der Tisch und aus den Boxen tönten Oldies, die uns das Trinken erleichterten. Stunden später, die Einheimischen guckten uns amüsiert und verwundert an, torkelten wir alle dann doch an den Strand, den wir eigentlich viel früher aufsuchen wollten. Es endete damit, dass ich baden ging. Und danach im Parka für Drogenfotos posierte. Ich erinnere mich äußerst verschwommen daran, aber leider gibt es Beweisfotos.
Oder 10 Jahre später beim Stones-Konzert. 15 Jahre später bei U2. Und all die anderen Konzerte. Nicht zu vergessen, unsere eigenen Sessions und Auftritte mit unserer Band.
Oder 17 Jahre später. Zusammen am Strand in Arcachon.
Oder 22 Jahre später. Und Thomas an meinem Krankenbett mit einem Kloß im Hals.
Oder 25 Jahre später. Und Thomas hat einen hochroten Kopf und kann sich kaum auf den Beinen halten aber diesmal ist es nicht Alkohol, sondern eine Grippe. Und er trägt einen Anzug und verheddert sich, während er mir den Ring überreicht, den ich meiner Braut mit einem klaren „Ja. Ich will.“ überstreife.
Tausend Geschichten, keine einzige passt auf eine Seite. Oft verstehen wir uns ohne viele Worte, viele Sachen müssen gar nicht mehr ausgesprochen werden, klären sich durch Blicke. Und dann nicken wir beide. Oder lachen. Je nachdem.
Meine Frau sagt, wir würden uns wie Zwillinge benehmen. Aber so alt wirkt er noch nicht.

Das hier ist für meinen Freund, den alten Sack, er wird es als sentimentales Geschwafel abtun.



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