Mittwoch, 15. Juni 2011

Orange Blossom Special 15




Orange Blossom Special 15

Schön war es. Und kalt. Und anstrengend. Alter, kranker Mann ist jetzt kaputt, aber glücklich. Und auf Dauer bringt so was einen immer ein bisschen nach Vorne und neue Kraft. Heute noch nicht, heute werden Wunden geleckt.

Sorry, aber manchmal ist mein Urteil in Sachen Musik doch daneben. „Dan Mangan? Ist n Singer-Songwriter. Viel A-Gitarre. Ruhige, schöne Lieder. Gefällt mir sehr gut, aber ich glaube für euch ist das nichts…“. Meine Frau und unsere Freundin blieben also bei diesem Auftritt auf der Zeltwiese und verpassten so ein absolutes Highlight des Orange Blossom Festivals. Ein totaler Sympath. Mit Spaß und Begeisterung in den Backen. Eine total geile Band, mit einem Trompeter, der so aussah, als ob er gerade von der Parkbank kommt und drei Joints mit Rotwein gefrühstückt hat, aber dann absolut passend und mit ungeheuren Gespür die Lieder begleitete. Normalerweise hasse ich Trompete, da passte es einfach. Und das Publikum sang dann nachher laut, inbrünstig und komplett mit. Und applaudierte ohne Ende. Eines dieser Konzerte, die einen lange begleiten und immer wieder lächeln lassen. Nochmal n dickes Sorry für Claudia und Marion.
Ansonsten spielten da noch (unter anderem) Tamikrest, The Great Crusades, Gisbert zu Knyphausen und ca. 15 weitere Bands. Ich erwähne jetzt mal nur diese vier, weil sie mir besonders lieb in Erinnerung bleiben werden.
Ich urteile rein subjektiv über Musik. Feeling, Stimmigkeit, Emotionen: meine Kriterien, die mir über alles gehen. Und Gitarren sind mir besonders heilig. Da ist es scheißegal, ob das Punk oder Country ist. Rockmusik ist nicht das einzige Antidepressivum und Aphrodisiakum für mich.
Das Orange Blossom Festival findet seit fünfzehn Jahren im Garten einer alten Villa in Beverungen statt. Dort ist die Heimat von Glitterhouse Records. Einer kleinen, qualitativ äußerst hochwertigen Plattenfirma von enthusiastischen Freaks betrieben, die alles in ihrem Leben der Musik unterordnen. Hauptsächlich ruhige Sachen. Americana, Folk, so n Kram. Und (diesmal) 1200 Zuschauer, die mit der Firma feiern. Und Musiker, die sich dort wohl fühlen und alles geben.
Das letzte Mal war ich vor fünf Jahren beim 10. Jubiläumsfestival, dann erwischte mich dieser beschissene Krebs. Jetzt, zum 15ten Jubiläum probierte ich mein Comeback.
Was soll ich sagen: absolut geil!
Mein komfortables Zelt und die Campingausrüstung wurde von Thomas, Marion und Claudia geschleppt, ich durfte nicht, zumal mich neben meiner konstanten Schlappheit auch noch vor zehn Tagen ein Bandscheibenvorfall erwischte. Dementsprechend war der Schlaf auf den Isomatten natürlich Folter. Hinzu kam noch die Nachtkälte und heftige Feuchtigkeit. Egal: generell spielte das Wetter mit und es war meistens sogar schön und warm. Claudia ging sogar baden!
Dieses wunderbare Ambiente! Dieses musikbegeisterte Publikum! Der Balkon der Villa, auf dem die anderen Musiker der spielenden Band Applaus zollen! Die Pizza Calzone (Ja: eine halbe konnte ich sogar essen davon!) Das Motto des Festivals war „You’re at home Baby“ und genauso fühlte ich mich.
Meine Konditionsprobleme sorgten von vornherein dafür, dass ich mir die Auftritte genau aussuchen musste. Da passte es, dass ich zwei Bands recht schlecht fand, die ich vorher eigentlich als Geheimtipps ansah. Aber dann die, die ich gesehen habe: Tamikrest, eine Band aus Mali besorgte es uns mit World-Music. Da bin ich eigentlich immer skeptisch, aber die Tuaregs brachten uns eine Gitarrenbreitseite und überraschend tanzbare Mucke und verzauberten uns. The Great Crusades rockten wahnsinnig. Ihr Programm bestand hauptsächlich aus Singalongs und es war eine Riesenparty. Gisbert zu Knyphausen ist der zurecht angesagteste – ja, was eigentlich – Liedermacher, Rocksänger, Hamburger Schule Vertreter, what ever. Ein Melancholiker, ein Poet, aber vor allem ein Sänger, bei dem das Feeling und die Texte und der Auftritt einfach stimmen. Ich bin da absolut Fan.
Der Auftritt war dann wunderschön. Natürlich absolut professionell, bei der Größe von Gisbert kein Wunder, trotzdem mit Herz und Power. Merkwürdigerweise konnte ich kaum Kommunikation der Musiker untereinander feststellen, trotzdem: alles passte und nichts wurde langweilig. Und als er dann „Wer kann sich schon entscheiden“ spielte, ein Lied, das die Geschichte vor unserer Hochzeit ziemlich treffend beschreibt, waren Claudia und ich den Tränen nahe. Eine meiner Hymnen. Wie könnte ich da irgendetwas bemängeln!
Ein paar Mal hatte ich Tränen in den Augen. Tränen der Rührung. Schön. Tränen der Erschöpfung und des Schmerzes. Weniger schön. Egal.
Solche Festivals und Konzerte sind Leben. Sind Höhepunkte. Einer der Gründe, warum es immer weitergeht. Und ich zitiere nochmal Knyphausen:

Das Leben ist grässlich – und wunderschön.

Danke!

1 Kommentar:

  1. Kommentar meiner Frau: Du hast da ja gar nicht den VfL Bochum erwähnt!

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