Donnerstag, 27. Dezember 2018

Zwischen den Jahren – Part one





Weihnachten & mein Geburtstag sind vorbei, es geht auf den Jahreswechsel zu.
Wie immer ziehe ich persönliche Bilanz, komme zur Ruhe & versuche einen Neustart.
Dieser Post könnte lang werden, über mehrere Tage verteilt werden…


55 ist kein Grund, in Alterspanik zu verfallen. Die heutigen 55jährigen sind die damaligen 30jährigen. Oder so.
Blöd nur, dass ich krebsbedingt körperlich um mindestens 20 Jahre vorgealtert bin. & 75 könnte schon zu Alterspanik führen.
Jeden Morgen fällt es schwer, aus dem Bett zu kommen.
Ich bin müde.
Immer.
Aber ich stehe auf & jage unsere Fellnasen über die Felder & versuche, so viel wie möglich jeden Tag zu schaffen.
& es läuft immer noch irgendwie.

 Meine Frau sorgt sich:
„Du nimmst ab, du bist dauermüde, erinnert dich das an was?“
Ja. Es erinnert mich.
& jeder Pickel könnte ja auch ein Tumor sein.
Ist so bei Krebskranken: Man ist sein Leben lang krank.
Aber ich habe bisher alles überlebt und werde bleiben, zumindest noch n bisschen.

Keine Panik!

Anfang Januar steht eh wieder ein Vollcheck an. Und dann weiß ich erstmal wieder Bescheid.

Ich habe meine Lebenserwartung jetzt zehn Jahre übertroffen. Meistens war es toll.
Das letzte Jahr lief an mir vorbei und ich stand eigentlich nur daneben, aber nächstes Jahr wird es wieder besser laufen.
Oder auch nicht, aber es läuft irgendwie.


2018:

Ich habe es geschafft, beinahe einen Monat nicht zu rauchen.
Ich habe stattdessen gedampft, das war nicht so toll, aber es ging, bis ich dachte, ab & zu eine Zigarette würde ja gehen.
& dann ging meine Dampfe kaputt und es waren wieder nur Zigaretten.
Heute habe ich mir eine neue Dampfe gekauft und ab 2019 ist der nächste Zigarettenverzichtversuch angesagt.
& ich habe das Gefühl, dass ich diesmal wirklich aufhören will, schon alleine meiner Frau zuliebe.


2018:
Das Jahr meiner neuen Zahnung.
& das war Stress (vielleicht bin ich auch deshalb noch so platt) und ein Auf und Ab & letztendlich hatte ich wieder ein Gebiss.
Anfangs war ich begeistert.
Aber bei der Nahrungsaufnahme stellten sich dann doch wieder viele Probleme ein & meine Artikulation besserte sich nicht & ich sabbere immer noch
& ja,
das führte mich dann doch in eine heftige Depression.

Hey! Ich kann wieder kauen! Ich frühstücke Brötchen! Ich esse knusprige Sachen & Fleisch & habe den Passierstab in die Ecke gestellt!

Aber ich sabbere dabei, verschlucke mich heftig, es strengt an & ist nicht schön anzusehen.

Hey! Auch wenn es nicht perfekt aussieht, meine Mundhöhle hat wieder eine Gebissfüllung! & das ist allemal besser, als dieses Loch, mit dem ich zwei Jahre leben musste!
Aber ich sehe immer noch wie Gollum aus.

Vielleicht hatte ich zu große Hoffnungen.
Ich muss lernen, den Ist-Zustand als beste Möglichkeit zu akzeptieren.
& damit leben.
Das ist machbar, aber eben nicht sofort.
Ich bin auf dem Weg…


2018 machte mich fertig.
Nicht wegen dem Tod vieler Helden (klar gab es da auch einige, aber es hielt sich in Grenzen, nicht so wie 2016 & 2017…).
Nicht wegen der Kriege & Krisen in der Welt (Bin ich abgestumpft?).
2018 machte mich fertig wegen persönlicher Krisen & Krankheiten im engsten Freundeskreis.
Dazu dann mehr im Part two…


Mittwoch, 12. Dezember 2018

Abgesang des Clowns





Ich wäre gerne ein Hofnarr
aber soviel Macht habe ich nicht

Ich bin eher ein trauriger Clown
der in seinem Scheitern
Lachen gewinnt
und immer wieder aufsteht
und somit vielleicht auch Hoffnung spendet

Manchmal wäre ich gerne Pennywise
aber meistens fehlt mir die Lust am Bösen

Seht mich an
wenn ich mich abschminke:
Augenringe
vielleicht Tränen
Eine hustende Zigarette
und ein Bier zum runterkommen
und überleben

Morgen dann vielleicht die nächste Show
aber vielleicht befreie ich auch alle Tiere aus ihren Käfigen
und erprobe mich am Hochseil
ohne Sicherheitsnetz

Und gewinne in meinem Scheitern

Ich wäre gerne ein Hofnarr
aber die gibt es nicht mehr

Und Comedians finde ich zum Kotzen


Donnerstag, 29. November 2018

Lilly, Uwe und mein Glücksgefühl


Ich hab ja sonst nichts zu tun und nicht genug andere Baustellen.
Oder: Wie mir eine an sich bescheuerte Aktion beinahe euphorische Gefühle bescherte:

Meine weltbeste und einzige Frau hat einen Pflegebruder, der alkoholgeschädigt auf die Welt kam, unter ADHS leidet und mehrere Behinderungen hat.
Ein absolut zuverlässiger Typ, der sein Leben trotz Grundsicherung und Betreuung irgendwie immer geregelt kriegt und -soweit er kann – immer hilfsbereit ist.
Ja klar, er kann nerven. Er ist anstrengend. Aber ich stehe zu ihm. Man muss halt die Hälfte seiner Erzählungen relativieren und nicht alles ernst nehmen.
Aber Uwe ist okay.

Vor ca. acht Jahren wurde eine Katze von einem Balkon geworfen. Ein Baby. Und Uwe fand es. Später wurde daraus, dass er die Katze vor dem Abflug aufgefangen hat. Egal.
Er nannte die Katze „Lilly“, ging sofort zum Tierarzt, ließ sie impfen und adoptierte sie.
Mit Grundsicherung hat man kein luxuriöses Leben. Lilly hatte es: Der beste Kratzbaum, das beste Katzenstreu, das beste Futter (und da machte sich Uwe wirklich schlau) und ganz viel Liebe.
Uwe hatte sonst nicht viel in seinem Leben, aber seine Katze immer.

Jetzt hatte Lilly Blut im Urin. Und Uwe ging sofort zum Tierarzt, der einen Blasenstein feststellte, der sofort operativ entfernt werden musste, sonst würde Lilly in naher Zeit sterben oder eingeschläfert werden müssen.
Die OP sollte 420,-€ kosten, eigentlich nicht viel, aber für Uwe unmöglich.
Sein Betreuer schüttelte den Kopf und sagte, dann müsse die Katze halt eingeschläfert werden. Und Uwes Idee einer Spendenaktion hielt er für blödsinnig, da käme nichts rum.
Uwe versuchte es trotzdem.

Vor vier Tagen bat er mich, seinen Spendenaufruf zu teilen. Kopfschüttelnd und skeptisch machte ich das, gab ihn aber andere Tipps: Tierhilfe, Tiertafeln, Ärzte, die faire Ratenzahlungen eingehen, Obdachlosenhilfe (er hat eine Wohnung, aber vielleicht können die ja auch anderen prekären Menschen helfen…). Auf die Schnelle funktionierte da nichts von.
Vor zwei Tagen bat er mich dann die Organisation seiner Spendenaktion zu übernehmen.
Ich hatte da keinen Bock drauf:
Ich mag keine Spendenaktionen und über Facebook finde ich das grenzwertig und da auch nur mit Kreditkarte Zahlungen möglich waren hielt ich das für Schwachsinn.
Uwe zuliebe machte ich es trotzdem.
Und auch für Lilly, obwohl ich eigentlich eher der Hundefan bin.

Meine Frau und ich überlegten schon, die OP vorzufinanzieren, aber wir sind nicht reich und haben zwei Hunde, für die wir immer was in Hinterhand haben müssen. Irgendwie hätten wir da was hingekriegt, aber unsere Überlegungen wurden sehr schnell überflüssig.

Meine Facebookfreunde haben in zwei Tagen den Betrag für die OP gespendet, zur Hälfte über die Spendenaktion und zur Hälfte über mich, der das Geld sofort weiterleitet.
Ich bin geplättet, dankbar, stolz auf die Community und einfach nur happy.

Nächsten Mittwoch wird Lilly operiert. Alles wird gut.
Das gespendete Geld, was die OP-Kosten übersteigt, wird einem Vertrauten von Uwe gegeben für anfallende Folgekosten (Uwe kann selber nicht so gut mit Geld…).

Ich höre und lese immer wieder, dass man sich ein Tier nach gründlicher Überlegung anschaffen soll und bin selbst auch so verfahren:
Meinen ersten „eigenen“ (ein Tier gehört mir ja niemals!) Hund habe ich mir angeschafft, als ich offiziell in Rente ging und damit die Zeit dafür hatte. Und ich habe auch die Finanzen überlegt.
Aber ich habe auch oft erlebt, dass gerade die Hunde von Obdachlosen oder generell die Tiere von Menschen in ärmlichen Verhältnissen mehr Liebe und Zuneigung bekommen, als zum Beispiel die Rassehunde in Mittelschichtsfamilien.

Lilly ist gerettet. Eine achtjährige Katze hat schließlich noch nicht die Hälfte ihrer Lebenserwartung hinter sich.

Und ich bin jetzt einfach mal tierisch gut drauf, dass das funktioniert hat.
Und liebe plötzlich wieder Facbook.