Ich bin jetzt alt
genug, um von meinen Grabenkämpfen in den damaligen Kriegsgebieten zu erzählen:
Eigentlich glaube ich an nix. Doch. Ich glaube an die Liebe.
Und immer mehr an meine Liebe zu Claudia.
Und irgendwo glaub ich auch an mich, aber da sind auch schon
verdammt viele Zweifel dabei.
Ich bin kein Pazifist, aber ich wäre gerne einer.
Wir (damit meine ich die Menschen an sich) bekommen so oft auf die Fresse, da nutzt es nichts, immer die andere Wange hinzuhalten und friedlich zu lächeln, während ganze Volksgruppen ausgerottet oder verfolgt werden.
Wir (damit meine ich die Menschen an sich) bekommen so oft auf die Fresse, da nutzt es nichts, immer die andere Wange hinzuhalten und friedlich zu lächeln, während ganze Volksgruppen ausgerottet oder verfolgt werden.
Soviel vorweg.
Ich bin mittlerweile ein alter Sack. Und das, was ich jetzt
schreibe, spielte in einer anderen Zeit und anderer Weltordnung. Vor
fünfunddreißig Jahren gab es noch die BRD und die DDR. Und libertären Menschen
im Westen wurde gesagt, sie sollten doch „nach drüben“ gehen. Da wollte niemand
hin, der real existierende sozialisMUS war scheiße, das wussten wir.
Aber das war für uns kein Grund, nicht nach einer besseren
Welt und nach Frieden und Freiheit Ausschau zu halten. Und dafür einzutreten.
Die Bundeswehr war noch eine Verpflichtung: Jeder
(west)deutsche Mann sollte seinen Wehrdienst ableisten, sein Vaterland
verteidigen. Gegen den roten Feind von „drüben“. Mit 18 wurde mann erfasst und gemustert und nach der
Schule oder Ausbildung war mann dann
fällig und wurde eingezogen. Wenn mann
tauglich war. Und komischerweise war ich damals noch voll tauglich.
„Mann“? War ich
ein Mann, mit 18 Jahren?
Für das Kreiswehrersatzamt schon.
Ich wollte kein Mann sein. Wollte ich nie, will ich noch
immer nicht. Ich will Mensch sein. Ein Mensch, der das Kind in sich nie
verleugnet oder vergisst.
Erfassung. Musterung. Verweigerung.
Und nun musste ich meine Verweigerung schriftlich begründen.
Ich informierte mich.
Und schrieb eine Begründung, in die ich meine christliche
Erziehung und meinen Glauben, den Kantschen kategorischen Imperativ und Mahatma
Ghandi einfließen ließ. Abiturienten-Kacke.
Schleimscheißende Pflichterfüllung.
Bundeswehr war ein Gräuel für mich.
Auf inhaltsleere Disziplin konnte ich noch nie. Befehlsgehorsam war mir zuwider.
Auf inhaltsleere Disziplin konnte ich noch nie. Befehlsgehorsam war mir zuwider.
Waffen waren nicht mein Ding. Und Schlamm mochte ich nur auf
dem Fußballfeld, dumm darin rumkriechen war nicht meins.
Strammstehen? Never!
Die BRD verteidigen?
Warum?
Ich liebte nicht diesen Staat. Ich liebte Menschen.
Weltweit.
Und die BRD war nicht der Staat, der dies konsequent und glaubhaft rüberbrachte. By the way: Tuen deutsche Regierungen für mich bis heute nicht…
Und die BRD war nicht der Staat, der dies konsequent und glaubhaft rüberbrachte. By the way: Tuen deutsche Regierungen für mich bis heute nicht…
Und dann bekam ich den Termin zur mündlichen Verhandlung.
Gesinnungs-TÜV, ne Art Gericht, eine fürchterliche Schikane.
Vorsitzender war n Typ von der Bundeswehr, zwei
BeisitzerInnen kamen aus dem politisch-gesellschaftlichen Establishment. Ich
glaub, dass war es, ich erinnere mich an die Besetzung nicht mehr genau.
Vor der mündlichen Kriegsdienstverweigerung war ich tierisch
nervös. Und habe mir am Abend davor die Kante gegeben.
Verkatert und zitternd saß ich vor dem Prüfungsausschuss.
Vielleicht war das meine Rettung.
Ich glaube, den Beisitzerinnen tat ich leid. Und ich wirkte
eingeschüchtert und fertig. Auf jeden Fall nicht in der Lage, mit einem Gewehr
umzugehen.
„Was tun Sie, wenn ihre Freundin von Russen oder anderen
Feinden bedroht wird und Sie mit ihrer MP sie verteidigen könnten?“
„Sie wissen genau wie ich, dass diese Frage nicht mehr
bewertungsfindig eingestuft wird. Außerdem könnte ich keine Maschinenpistole
bedienen und habe keine Freundin.“
„Was tun Sie, wenn ein Feind unser Land bedroht. Und sie als
Einziger durch einen Knopfdruck diesen Angriff abwehren könnten?“
„Ich verweigere den Kriegsdienst,
weil ich gerade für solche Entscheidungen nicht geeignet bin.“
So in der Art lief das ab.
Ich schaffte es. Ich wurde anerkannter
Kriegsdienstverweigerer.
Meine Führerscheinprüfung, mein Abitur (später meine Krankenpfleger-
Prüfung, meine Ausbilderprüfung, meine Wundmanagerprüfung, etc., …) waren ein
Scheiß dagegen.
Bei meiner Kriegsdienstverweigerung habe ich bewusst
gelogen.
Ich war kein hundertprozentiger Pazifist.
Kant geht mir am Arsch vorbei.
Ghandi ist toll, aber Che ist toller.
Leider habe ich damals meine schriftliche Begründung nicht gespeichert oder kopiert.
Ich war kein hundertprozentiger Pazifist.
Kant geht mir am Arsch vorbei.
Ghandi ist toll, aber Che ist toller.
Leider habe ich damals meine schriftliche Begründung nicht gespeichert oder kopiert.
Ich glaube, ich könnte lachen und mich schämen.
Ich war damals (bin es auch noch heute) gedanklich wesentlich
radikaler, als ich es zugab.
Ich bin kein überzeugter Pazifist. Ich war und bin
überzeugter Kriegsdienstverweigerer.
Nach dem Gewissens-TÜV meiner Kriegsdienstverweigerung war
ich erleichtert.
Und ausgerechnet mein Vater schaffte es, dass ich wirklich
stolz auf meine Leistung war.
Er war in unserem Kaff ein CDU-Mitglied. Als Beamter und
Leiter des Straßenverkehrsamtes war damals im Ruhrpott ne CDU-Mitgliedschaft
eher ein Karrierehindernis. Deshalb nahm ich ihm die auch nie übel, sondern
fand es gut, dass er nicht zu opportunistisch war. Ansonsten kriegten wir uns
politisch immer in die Haare, weshalb wir irgendwann beide einfach nur noch
schwiegen.
Dann kam sein 65ter Geburtstag. Und alle Bonzen der Stadt
waren da, um ihn in die Pension zu verabschieden. Ich kam gerade von meiner
Zivildienstschicht.
„Das ist mein Sohn. Der macht Zivildienst. Ich war ja gegen
seine Entscheidung, aber er hat sich durchgesetzt. Ich bin stolz auf meinen
Sohn.“
Und da wurde ich auch stolz. Auf meine Entscheidung. Und auf
meinen Vater.
Ein Moment, den ich mein Leben lang nicht mehr vergessen
werde.
Meinen Zivildienst leistete ich beim MSHD der AWO in
Castrop-Rauxel ab. Eine Zeit, die ich nicht missen möchte.
Ich verdiente direkt nach meinem Abitur Geld (nicht viel,
aber immerhin), ich musste eigenständig Verantwortung übernehmen und bekam
Einblick in Krankheiten und Behinderungen und mögliche Hilfsmaßnahmen. Wenn
auch erst viele Jahre später, mein Zivildienst war maßgebend für meine
Ausbildung zum Krankenpfleger und für die Tätigkeit in der ambulanten Pflege.
Aber das ist eine andere Geschichte, die ich Euch vielleicht
irgendwann erzähle…
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