Montag, 31. Dezember 2012

Mein Jahresrückblick



Jahresrückblicke.
Der gute Dirk Bernemann hat einen geblogt, dem ich mich anschließen kann.
Trotzdem schreibe ich jetzt selber auch noch einen.
Ich habe immerhin drei Tage Zeit dafür und Zeit habe ich hier in meiner Reha mehr als genug. Also auch Muße, das vergangene Jahr zu rekapitulieren und einen vorsichtigen Ausblick auf das kommende zu wagen.

Ich glaube weltgeschichtlich oder politisch wird da nicht viel hängen bleiben bei mir. Die europäische Krise und eine Merkel, die mich nicht repräsentiert, aber scheinbar den Strippenziehern der Macht ziemlich nahe kommt.
Die spanischen und griechischen Menschen kriechen auf dem Zahnfleisch und die Revolten beginnen.
Und Obama darf weiter grinsen. Und seine Machtlosigkeit demonstrieren. Okay, besser als der andere.
In Deutschland bleiben die Lügen und Verstrickungen der Geheimdienste und Polizei bei den rechtsextremen Straftaten in Erinnerung. Und die NSU-Schweinereien sind da ja nur der Höhepunkt. Nein. Mich wundert nicht, dass es mich nicht wundert. Trotzdem bekomme ich einen Brechreiz.
Ein Präsi blamierte sich und musste zurücktreten, Doktorarbeiten erwiesen sich als abgeschrieben, wobei ich mal behaupte, dass 90% aller Doktorarbeiten mehr oder weniger abgeschrieben sind und die Politik bestätigte ihr Aussitzvermögen und ihr Gestaltungsunvermögen.
Ich bin nicht mehr so blauäugig, dass ich auf die kommende Bundestagswahl hoffe. Aber wer weiß…
Natürlich wird es irgendwann knallen. Das System wird zusammenbrechen. Schon in den nächsten Jahren?

Sport? Doofmund dominierte, aber die Bazis scheinen das aufgeholt zu haben. Und Bochum blamierte sich bis zum Ende. Am Ende wurde es wieder besser, aber Hoffnung habe ich wenig.
Dafür habe ich ernsthafte Bewunderung für die Jungs von Rot Weiß Essen und ihre Fans entdeckt. Ja. Ich weiß. So etwas darf man nicht – und schon gar nicht veröffentlichen. Trotzdem! Schon geil, wie die immer wieder aufstehen und das Feuer der Begeisterung entfachen. Ein Feuer, das in Bochum nur noch glimmt…
Oder liegt das daran, dass ich jetzt Essener geworden bin?
Ansonsten war da dieser Italiener mit den beeindruckenden Oberkörpermuskeln.

Klar. Unser Umzug in eine andere Ruhrgebietsmetropole bestimmt dieses Jahr. Auch weil er am Jahresende stattfand.
Es war stressig, es war nervig. Obwohl meine Frau und ich uns über alles lieben hatten wir des Öfteren Streit. Aber jetzt ist die Wohnung so gut wie fertig. Und ich bin in Zwangserholung. Dabei würde ich mich besser zu Hause erholen…

Natürlich unser Urlaub in Lagos an der Algarve. Der war einfach klasse!

Dann der Rentenscheiß. Gutachtertermine, Warten auf Nachrichten, letztendlich diese Reha, die angeblich meine Arbeitsfähigkeit wiederherstellen soll. Ich glaube es nicht. Auch nicht, wo ich jetzt hier bin. Aber ich muss mitspielen. Und das Beste daraus machen. Egal.

Jahreswechsel ist für mich also der 17.01., wenn ich wieder nach Hause darf und durchstarten kann. Dazu später mehr.

Das Jahr endet scheiße. Das Jahr lief auch ziemlich scheiße.
Gesundheitliche und daraus resultierende psychische Probleme sorgten für existentielle und finanzielle Sorgen, die meine Frau und mich zu potentiellen Griechen machten. Noch keine Ahnung, wie es bei uns weitergeht, aber es wird weitergehen. Stress und Sorgen machen es für eine Liebe auch manchmal schwer, aber hier werde ich dann doch zu privat. Immerhin:
Es kann eigentlich nur besser werden.

Und mein Verlag machte dicht und das war dann gar nicht spaßig. Am Schluss kam es zu unschönen Missverständnissen und das haben die Jungs vom Verlag nicht verdient und ich auch nicht.
Anyway.
Auch da geht es bei mir weiter und ihr werdet Anfang des Jahres meinen neuen Gedichtband in den Händen halten können. Dann beim Acheron-Verlag.
Irgendwie werde ich auch meinen Roman wieder auf den Markt schmeißen. Und wenn auch nur als E-Book.
Bis dahin könnt ihr bei mir bestellen…

Literarisch gab es vieles für mich zu entdecken. Thorsten Nesch und Kersten Flenter schrieben einen spaßigen Urlaubsroman, die Gedichtbände von Ron Hard und Arnd Dünnebacke begeisterten mich, Sven André Dreyer haute mich von den Socken. Der Vielschreiber Dirk Bernemann überzeugte mich völlig mit „Asoziales Wohnen“. Es ist zu meinem Lieblingsbuch von ihm und zu meinem Lieblingsbuch des Jahres geworden. Undundund.
Arnd Dünnebacke und seine Liebe Alex werden mir dabei am meisten in Erinnerung bleiben. Eine klasse Lesung und ein anschließender genialer Abend sorgen dafür, dass sie so was wie Freunde geworden sind.
Die Lesungen 2012 machten generell Spaß und langsam glaube ich, dass ich auch das wieder kann. Ab Februar werde ich da auch 2013 ab und zu was machen…
Ich habe viele liebe und interessante neue Leute kennengelernt und das ist für einen alten Sack, wie ich es bin nicht selbstverständlich.

Nun lebe ich in Essen. Mit Urs Böke habe ich einen der besten Dichter in meiner Nachbarschaft. Und meinen Schwager und meine Schwägerin im gleichen Haus und das macht wirklich Spaß und scheint toll zu sein.

Musikalisch bleiben die großen Konzerte von Udo Lindenberg, Die Toten Hosen und Placebo in begeisterter Erinnerung. Alles Mainstream, okay. Trotzdem geil.
Wobei negativ diePeppers, BossHoss und Jan Delay (alle mit Placebo bei „Rock im Pott“) zu erwähnen sind.
Auch wenn sie nur Vorbands und eigentlich eher für Teenies sind: Kraftklub und Broilers machten richtig Spaß.
Als Album des Jahres kommt für mich nur eins in Frage: „Psychodelic Pill“ von Neil Young und Crazy Horse!
Was für eine Breitseite! Wow! Seit langem wieder ein richtiger Geniestreich von Neil und Gefährten! Schon jetzt ein Klassiker.
Und natürlich sind wieder einige musikalischen Wegbegleiter verstorben. So ist das Leben nun mal.
Richtig betroffen hat mich dabei der Tod von Nils Koppruch. Gerade weil er unerwartet kam. Nils hatte gerade mit Gisbert zu Knyphausen („Kid Kopphausen“) ein sehr schönes Album hingelegt, dann musste er abtreten. In meinen Gedanken werden er und seine Melodien immer in mir bleiben.

Okay. Das war 2012.
Ich habe mit Sicherheit einiges vergessen, aber allzu viel war eben auch nicht erwähnenswert.

Was bringt 2013?
Egal, wie es ausgeht: Klarheit bei meiner Rentenscheiße. Und hoffentlich Ruhe.
Wie erwähnt neue literarische Projekte – und da habe ich noch mehr in meinem Schädel.
Gesundheitlich wird es wohl ähnlich bleiben und damit kann ich leben.
Gebucht sind nochmal Die Toten Hosen und der Meister Leonard Cohen. Neil Young und Peter Gabriel muss ich mir schweren Herzens aus Kohlegründen verkneifen. Die Stones (falls sie denn toure) auch, aber ich glaube, da verpasse ich nicht wirklich viel.

Ansonsten werden ich und alle anderen Steinböcke laut Horoskop kämpfen müssen, es besteht aber Aussicht, dass wir für unsere Kämpfe belohnt werden. Gut, dafür hätte ich kein Horoskop gebraucht, das hätte ich auch so vorhergesagt.

In diesem Sinne: Auf in den Kampf!

Und euch allen einen guten Rutsch und ein besseres 2013!
Kopf hoch und tanzen!
Nicht unterkriegen lassen!
Prost!

Sonntag, 30. Dezember 2012

Reha 2



Warum ich all das schreibe ist einfach zu beantworten. Weil ich das schon seit über zwanzig Jahren mache. Weil es mir Spaß macht. Weil es meine Gedanken sortiert und ich mich so ordne. Weil schreiben zu meinem Leben gehört. Genau wie lieben, Musik, Lesen und viele andere Sachen. Weil ich es kann (?).
Über die Reha zu schreiben gehört dazu. Schließlich gehört sie momentan zu meinem Leben. Und vielleicht packe ich diese Blogeinträge dann irgendwie in meinen nächsten Roman.
Warum ich das hier veröffentliche ist schwieriger zu beantworten. Vielleicht weil jeder Schreiberling irgendwann gelesen werden will. Vielleicht weil dies meiner Fingerübung dann doch einen gewissen Ansporn und eine gewisse Qualitätsanforderung verpasst.
Weil ich denke, dass es den oder die ein oder andere/n interessiert. Weil ich so bei euch bin. Und ihr bei mir. Oder so.
Ich schreibe ja schon immer privat und möglichst ehrlich. So bekommt ihr meine Gedanken und Leiden mit. Ich veröffentliche mein Leben. Natürlich mache ich das nicht grenzenlos, über meine Frau, meine Familie und meine Freunde versuche ich wenig zu veröffentlichen und schon gar nicht zu tratschen. Naja, meine Grenzen sind weit gesteckt…



Guten Morgen!

Eine unruhige Nacht. Dementsprechend bin ich platt, da aber Samstag ist habe ich keine Anwendungen, gehe nur in dieses Gradierwerk und inhaliere dort die Sole.
Und ich gehe ins Schwimmbad und in die Sauna. Einfach mal alles antesten.

Irgendwie macht das nicht wirklich Spaß.
Ich habe meinen „Therapieplan“ für nächste Woche. Wenig sinnvolles. Ergometer brauch ich nicht, progressive Muskelentspannung hasse ich – die führt bei mir zu Verspannungen, Logopädie bringt nichts mehr (wo nicht mehr ist, kann man auch nicht mehr rausholen…) aber die Gruppen, die Arzttermine, die Inhalationen und die Lymphdrainagen sind okay.
Nur noch 19 Tage…

Das Gradierwerk:
Gradieren hat was mit Salzkonzentration und Salzgewinnung zu tun. Die Gradierwerke haben dabei eine hundertjährige Geschichte, allerdings keinerlei wirtschaftlichen Nutzen mehr. Der Nutzen besteht im gesundheitlichen Bereich. Das Einatmen der Solepartikel ist nämlich äußerst förderlich bei der Minderung oder Genesung von Atemwegserkrankungen. Asthma, chronische Bronchitis und all so ein Scheiß, da hilft die Sole und das ist auch für einen Kettenraucher wirkliche Medizin.
Im Gradierwerk ist es feucht und kalt. Aber bei meinen Runden meine ich direkt eine wohltuende Wirkung bei meinen Atemwegen zu spüren. Wahrscheinlich Einbildung, aber auf alle Fälle nicht schlecht.

Das Schwimmbad ist klein, gemütlich und ruhig. Das Wasser ziemlich warm. Ist nix mit Rundenziehen, aber so ist das schon in Ordnung.  
Ich kann eh nicht mehr so schwimmen, wie ich es liebe. Da ist nix mehr mit Kopf unter Wasser beim Brustzug, da ich meinen Mund nicht vernünftig zubekomme würde das Wasser direkt in meinen Schlund laufen. Da ist auch nix mehr mit Kraulen. Aua Schulter. Da ist eher plantschen angesagt…


Den Samstag habe ich überlebt. Nur noch 18 Tage.
Jetzt haben wir Sonntagmorgen. Ich bin platt. Von gar nichts.

Der Tagesplan richtet sich nach den Mahlzeiten (in der Woche auch nach den Anwendungen) und die Mahlzeiten sind für mich der Horror.
Ein Speisesaal, der einfach nur laut und ungemütlich ist.
Und dazwischen ein sabbernder Hermann, der angestrengt kaut und schluckt und sich dabei verschluckt und mit 5 anderen Menschen an einem Tisch sitzt und dem es peinlich ist, diese Menschen zu belästigen mit seiner unästhetischen Nahrungsaufnahme.
Da hat sich seit meiner ersten Reha vor fünf Jahren nichts geändert: Ich hasse es, öffentlich zu essen.

Ich hasse auch Raucherpavillons.
Ungemütliche Eckensteherei um Aschenbecher, draußen in der Kälte. Ein Ort, der bewusst klar machen soll, dass Raucher mittlerweile Ausgestoßene sind. Ein Ort für den unvernünftigen Abschaum.
Mittlerweile (oder vielleicht liegt das auch am Altersdurchschnitt und an den Erkrankungen der PatientInnen, sowie am nasskalten Vorfrühlingswetter zum Jahreswechsel) auch nicht mehr der gesellige Treffpunkt, an dem gelacht wird und Gespräche entstehen.
Trotzdem, ich respektiere das Rauchverbot in der Klinik und finde es okay. Schließlich werden hier hauptsächlich Atemwegserkrankungen therapiert, da ist ein Rauchverbot mehr als okay.
Ich versuche so oft wie möglich und bei akzeptablem Wetter das Klinikgelände zu verlassen und am See zu rauchen.
Ist natürlich beim Schreiben äußerst hinderlich. Dafür rauche ich aber dann definitiv weniger…

Jetzt werde ich mich ins Café setzen und dies hier abschicken.
Sonntags ist hier nichts los. Alles noch verschlafener als sonst. Und verschlafen wirken die Klinik und die Umgebung. Den Ort und den See habe ich in zwanzig Minuten umrundet, die Cafés sind spießig aber von weitem habe ich eine kleine Kneipe entdeckt, die ich im Laufe der nächsten Woche vielleicht mal antesten werde.
Ansonsten das Café hier im Altersheim, also der Reha-Klinik.
Ich denke, ich werde mich so alle zwei, drei Tage hier hin begeben. Und ansonsten offline schreiben.

Habt euch lieb! Ich euch auch! Und so…

Freitag, 28. Dezember 2012

Reha-Start



Seit heute befinde ich mich also in der Reha.
Erst mal stelle ich fest, dass auf den Zimmern kein WLAN-Empfang möglich ist.
Hilfe!
Steinzeit!
Im Café und bei den Schwesterzimmern soll das allerdings möglich sein… Werde ich morgen rauskriegen…
Natürlich generelles Rauchverbot, hatte ich nicht anders erwartet. Draußen gibt es einen Raucherpavillon. Immerhin.
Zu Bad Salzungen kann ich noch nichts sagen. Irgendwie wirkt alles verschlafen. Aber die Salinen- und Soleinhalationen sollen fantastisch sein und so was kann ich gebrauchen…
Dann gibt es da noch eine Sauna und ein Schwimmbad. Das klingt ja gar nicht so schlecht.
Die Klinik scheint auf Massenabfertigung spezialisiert zu sein, aber das ist nur mein erster Eindruck. Das Personal scheint auf jeden Fall sehr höflich und sogar freundlich zu sein. Das mag ich.
Schlimm: der Speisesaal. Riesig, dementsprechend laut und beim Abendessen ein eher dürftiges, aber ausreichendes Angebot. Abwarten… Ich denke, die Mahlzeiten werden keinen Spaß machen…
Das Zimmer ist okay, weil es mir eh eher egal ist. Glotze, abschließbarer Schrank, akzeptable Matratze und vernünftige Nasszelle.

3 Wochen werde ich hier aushalten müssen. Vielleicht n bisschen Kraft tanken und Erholung, mit ziemlicher Sicherheit aber nicht die von der Rentenversicherung angestrebte Arbeitsfähigkeitswiederherstellung. Die Hoffnung habe ich aufgegeben, habe ich doch jahrelang nichts anderes gehofft und versucht! Die jetzigen Beschwerden sind chronisch, die habe ich seit über sechs Jahren, die werde ich nicht los…

3 Wochen ohne Claudia und Maya. Scheiße, ich vermisse meine Frau und meine Hündin  jetzt schon…
Auch wenn es uns auf Dauer vielleicht noch stärker zusammenfügen wird…

Ansonsten war da gestern das Broilers-Konzert in der Doofmunder Westfalenhalle. Und als Support die Toten Hosen. Oder umgekehrt.
Es war anstrengend für einen alten Mann wie mich, aber es war geil.

So. Für heute ist klar: Kein Netz. Nur übers Handy aber das ist mir zu doof.
Vielleicht liegt da auch ne Chance drin und ich komme mehr zum ernsthaften Schreiben und lasse den Bloggerkram und vor allem Fakebook mal n bisschen in den Hintergrund treten…
Aber morgen schicke ich das hier als kurze Info raus - und dann eben erst mal weniger.

Wir haben 22.00 Uhr.
Ich werde jetzt meine Liebe anrufen und dann schlafen gehen…
Gute Nacht John-Boy, gute Nacht GrandPa…


Der nächste Tag.
Bis zum Mittagessen voller Anwendungen und Untersuchungsterminen. Die wollen mich dick und rund füttern: Haferschleimsuppen, Cremesuppen, Puddings, Zusatznahrung und Zwischenmahlzeiten und massig Bananen.
Na ja…
Morgen komme ich dann in den Genuss des Gradierwerkes. Eine ziemlich angesehene Therapie bei Atemwegserkrankungen. Ich lasse mich überraschen…

Internet hatte ich nach langem Kampf im Café, als ich dies hier posten wollte, kackte mein Akku ab.
Okay. Also jetzt in der Mittagspause…

Montag, 24. Dezember 2012

24. Türchen



24. Türchen:

Hmmm. Wen oder was soll ich zu Weihnachten in diesem Kalender posten?

Mir fällt da so viel ein, dass ich mich nicht entscheiden kann.
Schmuddeliges Vorfrühlingswetter – trotzdem dicke Weihnachtsgefühle in mir.
Und ich weiß zwar nicht, warum und wie, aber ich habe das sichere Gefühl, dass alles gut wird.
Und ich hab heute alle Menschen lieb!
Zum Abschluss gibt es jetzt noch ein Gedicht von mir. Eines, das meine Frau besonders liebt und das auch irgendwie zu Weihnachten passt.
Und auch noch eins von Arnd Dünnebacke. Und damit soll es auch genug sein...

Macht euch schöne Tage und lasst euch alle nicht runterziehen!

FROHE WEIHNACHTEN !!!


Ich liebe sie

Ihre Augen sind voller Leben und strahlen
mich an
Wenn sie lacht dann steckt das an
und wenn sie weint
kannst du gar nicht anders als sie zu trösten
97 Jahre ist ne hohe Hausnummer
und seit drei Jahren hat sie ihr Bett nicht mehr verlassen
aber wenn ich ihr Zimmer betrete grinst sie mich an
- Da bist du ja. Ich habe schon so lange gewartet
Ich begrüße sie und
manchmal erkennt sie mich sogar
und nennt mich bei meinem Namen
Dann fangen wir auch schon an
zu streiten
- Immer diese Trinkerei – ich bin doch kein Brauereipferd
- Die Emmie hat mich gerade gewaschen
- Tu mir nicht weh
- Ich spuck dir das Essen auf dem Teller
- Tu mir nicht weh
- Scheiß eincremen – lass das sein
Und so weiter
Zwischendurch singt sie
fragt mich nach meiner Frau (Kollegin), meinen Töchtern (Schülerinnen) und
ihrer Mutter und ihrem Mann
Man sagte mir, sie sei dement und völlig neben der Spur aber
so ganz stimmt das nicht:
sie mag mich, nennt mich ihren Liebling und
das ist für mich Beweis genug
dass sie völlig klar im Kopf ist
Sie lebt halt in ihrer eigenen Welt
irgendwo tun wir das doch alle und
sie hat es sich verdient und darf das

Sie kann tierisch nerven
und ist zickig und manchmal ganz schön arschig
und wenn ich ihr das Essen anreiche ist das Folter
- für mich – weil es viel zu lange dauert
und ich doch noch weiter muss
dann fragt sie
- Hast du schon gegessen? Ich hole uns Kuchen
und meistens ist dann auch schon wieder alles okay
Ihre Haut ist wie Pergament
und reißt sehr schnell ein, ihre chronischen Wunden lassen uns verzweifeln
und jede Bewegung schmerzt
aber dann kommt wieder so ein trockener Satz von ihr
und spätestens wenn ich gehen will verlangt sie ein Küsschen und
wenn ich dann gehe
weiß ich wieder
warum ich diesen Job mache


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Arnd Dünnebacke:



Happy Birthday, Jesus!

Saturn ist ein Ding zwei Meter
vor meiner Nase.
Ich blase Rauchringe
um goldene Christbaumkugeln,
sehe einen Stern
über einem gefallenen Engel,
ein angebrochenes Ei
das zwei Flügel umspannen,
ein Gesicht darin
wie etwas Halbentdecktes,
Halbgeborenes, Halberwachtes,
mit einem Auge in den Weltraum
des Tannenbaums spähend,
Miles-Davis-Astronomie
durch 40%ige Radiostrahlen –
doch so sehr ich auch versuche
scharfzustellen, ich kann Jesus
nirgends mehr finden.


Es ist 1:24 Uhr, aber okay
selbst für Jopie Heesters
wurden die Geburtstagsfeiern
irgendwann kürzer; und der
war neunzehnmal jünger.


Es wird halt uninteressant –
eine Kerze wird entzündet,
eine Kerze brennt nach unten.
Dazwischen
Frühstück, Zahnarzt, Rechnungen,
Urlaub, Umzug, Unterhalt;
Weihnachten, Ostern, Regen, kein Regen,
den Toilettensitz austauschen,
den Toast belegen,
Teebeutel mit den Fingern ausdrücken,
ohne Zähneputzen ins Bett;
kein Sex, allein Sex,
zu zweit, zu dritt, zu viert;
Türen aufschließen,
vor Wände laufen,
aufsteigen, fallen, niederknien,
Wein, Weib und Gesang,
Liebe vielleicht,
Streit bestimmt,
Glück für die Wenigsten,
Blindheit für die Meisten;
und Weihwasser, Stechuhren, Rechtsanwälte,
verstauchte Füße, gebrochene Nasen,
aufwischen, aufräumen, aufzählen,
sich bereithalten, drauf pfeifen,
im Bett bleiben bis zum Nachmittag
und nicht mehr aufstehen,
die Waffen gestreckt
im Schatten gewaltiger Arschbacken –
und du versuchst zu kommen,
aber du bist längst da,
und wieder dreht sich alles im Kreis …


Doch weißt du, ich glaube,
betrunken bist du erst,
wenn du auf dem Boden liegst
und dich nicht mehr festhalten kannst.
Das ist eine Frage des Standpunkts.


Und während Miles sein Instrument
streichelt und die Ringe um Saturn
sich aufgelöst haben, hebe ich
das bernsteinfarbene Mundstück
an die Lippen, nehme einen tiefen Schluck,
atme aus, drücke die Ventile und
– taa taa! – da ist es, mein Ständchen
für den Jubilar.