Samstag, 29. Dezember 2018

Zwischen den Jahren – Part two





Verzweiflung. Mitgefühl. Hoffnung. Zittern. Schmerzen.
2018.

Meine Mutter ist 84 Jahre alt, hat drei Schlaganfälle überlebt und einen heftigen Diabetes. Ihr geht es gut und sie wird hervorragend von meiner Schwester und dem Pflegedienst versorgt.
Irgendwann werde ich Abschied nehmen müssen. Ich hoffe, sie schafft es vor mir.

Die Mutter meiner Frau wird 80 Jahre alt. Körperlich geht es weitestgehend gut aber Psychosen und Alzheimer sorgen dafür, dass sie keine Minute alleine sein kann. Deshalb sind Claudia und ich ins Münsterland zu ihr gezogen und übernehmen die Pflege und die Alltagsverrichtungen und eigentlich alles.
Wahrscheinlich wird Gisela uns alle überleben. Das ist okay.
Aber wer soll sie dann pflegen?


Unsere Väter sind schon lange tot.
Ich stelle mir manchmal vor, dass sie von einem Tresen auf uns hinab gucken & sich dann zuprosten & ein Bier exen.

Schöne Vorstellung…


2018.
Es erwischt unsere FreundInnen.
Die Einschläge kommen nicht nur näher, sie sind bei uns.


Ich will nicht dramatisieren, aber das war 2018:
-         Eine Freundin erkrankt an MS. Und es war eine Höllentour, bis sie endlich die Diagnose stellen konnten. Und es ist natürlich eine weitere Höllentour. Lebenslang.

-         Eine Freundin, die schon lange an Bipolarität leidet, dreht völlig durch. Beendet ihre Liebe und Freundschaften, landet in der Psychiatrie.
So formuliert hört sich das nach Mitschuld an, davon will ich aber nicht schreiben. Es ist die Krankheit, die Menschen verändern kann. Und da ist für mich nix beendet, sondern nur angeschlagen.
Und ihr Ehemann sieht es zum Glück auch so und steht zu ihr.

-         Ein guter Freund und hochgeschätzter Kollege bricht völlig zusammen.
Landet in der Psychiatrie. Im „Irrenhaus“, wie er es selber formuliert.
Bekommt die Diagnose Borderline und versucht sich damit ins Leben zurück zu kämpfen.
Die Poesie und seine große Liebe helfen ihm dabei.

-         Knochenbrüche, komplizierte Glaukom-OP, Kreislaufzusammenbrüche, … : In unserem Umkreis war Einiges, bei dem wir mitfühlten, wenn wir nicht gerade selber bis zum Hals in der Scheiße steckten.

-         Und dann war da Christine.
Und das Arschloch Krebs besuchte sie in seiner hässlichsten Form.
Unklarer Muttertumor, Metastasierung im ganzen Körper, no chance.
Und ein halbes Jahr unsägliches Leiden und Zerfallen.
Und Hilflosigkeit.

Zuerst gab es immer wieder Hoffnung. Und Christine kämpfte.
Aber es war aussichtslos.
Im Oktober war das Leiden beendet.

Sie hinterlässt zwei tolle Töchter, einen immer zu ihr stehenden Mann, dem sie das Ja-Wort während der Erkrankung gab, zwei Katzen und Dushka, eine bulgarische Hirtenhündin, um die sich nun Claudia und ich kümmern.

Und es tut wahnsinnig weh…


Manchmal denke ich, es wird Zeit, dass ich mich endlich mal vordrängele.
Ich wäre ja eh schon lange dran und ich kann nicht mehr Abschied nehmen, habe genug mitgelitten.
Die Schlange vor der Ausgabe der Krankheiten ist lang.
Hey! Lasst mich vor!


Ja.
Auch das war 2018.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen